Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Reichsspiegel An5wärtigs und innere Politik Bismarck und Frankreich -- Der Große Generalstab -- Faschoda -- Die Marokkofrage eine wirtschaftliche Angelegenheit -- Haltlosigkeit der alldeutschen Argumente -- Die schwarzen Armeekorps keine Gefahr -- Innere Kolonisation -- Sir Fairfax Cartwright Wenn je, so muß es jetzt dem deutschen Politiker zum Bewußtsein kommen, Bismarcks Politik Frankreich gegenüber war von dem Tage nach Reichsspiegel An5wärtigs und innere Politik Bismarck und Frankreich — Der Große Generalstab — Faschoda — Die Marokkofrage eine wirtschaftliche Angelegenheit — Haltlosigkeit der alldeutschen Argumente — Die schwarzen Armeekorps keine Gefahr — Innere Kolonisation — Sir Fairfax Cartwright Wenn je, so muß es jetzt dem deutschen Politiker zum Bewußtsein kommen, Bismarcks Politik Frankreich gegenüber war von dem Tage nach <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0439" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319386"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341893_318948/figures/grenzboten_341893_318948_319386_000.jpg"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Reichsspiegel<lb/></head><lb/> <div n="2"> <head> An5wärtigs und innere Politik</head><lb/> <note type="argument"> Bismarck und Frankreich — Der Große Generalstab — Faschoda — Die Marokkofrage<lb/> eine wirtschaftliche Angelegenheit — Haltlosigkeit der alldeutschen Argumente —<lb/> Die schwarzen Armeekorps keine Gefahr — Innere Kolonisation — Sir Fairfax<lb/> Cartwright</note><lb/> <p xml:id="ID_2107"> Wenn je, so muß es jetzt dem deutschen Politiker zum Bewußtsein kommen,<lb/> wie schwerwiegend und weittragend der Entschluß war, als die deutsche<lb/> Diplomatie im Jahre 1898 die Franzosen der Macht Albions preisgeben<lb/> mußte. Es bedürfte eines Wortes von deutscher Seite und Frankreich konnte<lb/> ohne Krieg über England triumphieren. Frankreich konnte zudem von der<lb/> Ehrlichkeit der deutschen Politik überzeugt werden, ohne daß Deutschland einen<lb/> Soldaten mobil machte und auch nur einen Quadratfuh Landes preisgab.<lb/> Die Rede, die am 2S. August Sir Fairfax Cartwright gehalten, hätte verbis<lb/> mutanäis im Dezember 1898 der deutsche Botschafter zu Paris halten müssen. Dann<lb/> ständen wir heute nicht vor der dreisten Herausforderung der Briten, und die<lb/> marokkanische Frage wäre wahrscheinlich nicht zu dem unglücklichen Stadium<lb/> gekommen, in dem sie sich heute befindet.</p><lb/> <p xml:id="ID_2108" next="#ID_2109"> Bismarcks Politik Frankreich gegenüber war von dem Tage nach<lb/> Sedan an getragen von Rücksichtnahmen und dem Bestreben, die Wunden vernarben<lb/> zu lassen, die er selbst dem Feinde schlagen mußte. Bismarck hat sich selbst<lb/> nicht gescheut, in Dingen nachzugeben, in denen er hätte fordern dürfen, um das<lb/> Gefühl der Franzosen zu schonen. Doch während seiner Amtszeit bot sich keine<lb/> Gelegenheit, bei der er hätte durch die Tat beweisen können, wie ehrlich es ihm<lb/> um die Freundschaft Frankreichs zu tun war. Im Gegenteil, die herausfordernde<lb/> Haltung der französischen Nationalisten und die schon im Jahre 1875 ernsthaft<lb/> einsetzenden Bemühungen, ein Bündnis mit Rußland zustande zu bringen, zwangen<lb/> ihn. auf der Hut zu sein, zwangen ihn, den Grenzschutz im Westen besonders im<lb/> Auge zu halten und schließlich den Dreibund zu schaffen. Als der Reichsschmied<lb/> dann in den Ruhestand trat, war Deutschland vorbereitet zum Zweifrontenkrieg<lb/> und der Große Generalstab hatte nebeneinander zwei Schulen von Truppen-<lb/> führern ausgebildet, deren eine für den Krieg gegen Rußland, deren andere für<lb/> den Krieg gegen Frankreich eintrat. Bei der militärisch durchtränkten Struktur<lb/> unseres Staatswesens, bei dem engen Zusammenarbeiten zwischen dem Großen<lb/> Generalstab und den: Auswärtigen Amt mußte nach des Altmeisters Rücktritt mit</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0439]
[Abbildung]
Reichsspiegel
An5wärtigs und innere Politik
Bismarck und Frankreich — Der Große Generalstab — Faschoda — Die Marokkofrage
eine wirtschaftliche Angelegenheit — Haltlosigkeit der alldeutschen Argumente —
Die schwarzen Armeekorps keine Gefahr — Innere Kolonisation — Sir Fairfax
Cartwright
Wenn je, so muß es jetzt dem deutschen Politiker zum Bewußtsein kommen,
wie schwerwiegend und weittragend der Entschluß war, als die deutsche
Diplomatie im Jahre 1898 die Franzosen der Macht Albions preisgeben
mußte. Es bedürfte eines Wortes von deutscher Seite und Frankreich konnte
ohne Krieg über England triumphieren. Frankreich konnte zudem von der
Ehrlichkeit der deutschen Politik überzeugt werden, ohne daß Deutschland einen
Soldaten mobil machte und auch nur einen Quadratfuh Landes preisgab.
Die Rede, die am 2S. August Sir Fairfax Cartwright gehalten, hätte verbis
mutanäis im Dezember 1898 der deutsche Botschafter zu Paris halten müssen. Dann
ständen wir heute nicht vor der dreisten Herausforderung der Briten, und die
marokkanische Frage wäre wahrscheinlich nicht zu dem unglücklichen Stadium
gekommen, in dem sie sich heute befindet.
Bismarcks Politik Frankreich gegenüber war von dem Tage nach
Sedan an getragen von Rücksichtnahmen und dem Bestreben, die Wunden vernarben
zu lassen, die er selbst dem Feinde schlagen mußte. Bismarck hat sich selbst
nicht gescheut, in Dingen nachzugeben, in denen er hätte fordern dürfen, um das
Gefühl der Franzosen zu schonen. Doch während seiner Amtszeit bot sich keine
Gelegenheit, bei der er hätte durch die Tat beweisen können, wie ehrlich es ihm
um die Freundschaft Frankreichs zu tun war. Im Gegenteil, die herausfordernde
Haltung der französischen Nationalisten und die schon im Jahre 1875 ernsthaft
einsetzenden Bemühungen, ein Bündnis mit Rußland zustande zu bringen, zwangen
ihn. auf der Hut zu sein, zwangen ihn, den Grenzschutz im Westen besonders im
Auge zu halten und schließlich den Dreibund zu schaffen. Als der Reichsschmied
dann in den Ruhestand trat, war Deutschland vorbereitet zum Zweifrontenkrieg
und der Große Generalstab hatte nebeneinander zwei Schulen von Truppen-
führern ausgebildet, deren eine für den Krieg gegen Rußland, deren andere für
den Krieg gegen Frankreich eintrat. Bei der militärisch durchtränkten Struktur
unseres Staatswesens, bei dem engen Zusammenarbeiten zwischen dem Großen
Generalstab und den: Auswärtigen Amt mußte nach des Altmeisters Rücktritt mit
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