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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Till Lulcnspiegcl

"Wohlhabenheit" zu verbinden. Meist sind es gerade die minder wohlhabenden
und weniger geschäftsgewandten Gläubiger, die beim Kreditgeben zu Schaden
kommen; und diese zu schützen, ist eine ebenso wichtige und dankbare Aufgabe,
wie die Schuldner vor der Vernichtung zu bewahren. In dergleichen Dingen
ist die mittlere Linie gewöhnlich die richtige, und diese in einem wichtigen Teile
des Schuldrechtes zu zeigen, war die Aufgabe, die ich mir für heute gestellt habe.")




Till Lulensxiegel
Mittelalterliche Komödie in vier Aufzögen
Den Bühnen gegenüber Manuskript. Alle Rechte vorbehalten
Lop^riZIU 191 l VerlsZ der Qrenzboten Q. in. b. le., Kerim SV/.
Vierter Aufzug.
Szene wie im dritten Akt. Mondhelle Nacht mit starken Schatten, die allmählich zum Morgen
übergeht. Zimmergesellen sind dabei, den Galgen und die Gerichtstische aufzustellen.

Leopold:

Wenn einer wird gehenkt, so sagen sie,

Schickt Gott 'nen Engel und die Höll den Teufel,
Die Seele heimzuholen.

(Er hämmert.)

Sagen sie! -- So ist'sI


Adam:

Nicht doch so laut!


Niklas:

Ach wast 's ist grade gull


Adam:

Wofür denn gut?


Leopold:

Vertreibe den Gottseibeiuns,


Adam:

Wenn er die Seele zu erschnüffeln kommt.

(Hämmert.)

Niklas:

Man kann ihn doch nicht sehen.

Aber riechenl


Adam:

Wie, riechen?


Niklas:

Riechst denn du ihn?


Leopold (
zu Adam):

Ja, es riecht


Adam (
schnuppert):

Nach Pech und SchwefelI

Um Gott, du meinst doch nicht -- ? --


Niklas
(angstvoll):

Ich laufe fort!

Damit er dich erwischt


Adam:

Und dir den Kragen umdreht!?

Gott im Himmel!


Niklas:
(Er bekreuzigt sich und murmelt ein Gebet.)

Tut ruhig eure Arbeit. Auf den Richtplatz


Adam:

Darf er erst, wenn da oben einer hängt.



*) Wer sich genauer über die in Frage kommenden Verhältnisse unterrichten will,
sei uns die Abhandlung des Landrichters Cohn "Über die Notwendigkeit einer Reform
des LohnbeschlagnähmerechtS" in GruchotS Beiträgen zur Erläuterung des Deutschen Rechts,
64. Jahrg. 1910 S. 721 ff., verwiesen. Diese Abhandlung ist mir erst nach Fertigstellung
meines Aufsatzes zu Gesicht gekommen.
Till Lulcnspiegcl

„Wohlhabenheit" zu verbinden. Meist sind es gerade die minder wohlhabenden
und weniger geschäftsgewandten Gläubiger, die beim Kreditgeben zu Schaden
kommen; und diese zu schützen, ist eine ebenso wichtige und dankbare Aufgabe,
wie die Schuldner vor der Vernichtung zu bewahren. In dergleichen Dingen
ist die mittlere Linie gewöhnlich die richtige, und diese in einem wichtigen Teile
des Schuldrechtes zu zeigen, war die Aufgabe, die ich mir für heute gestellt habe.")




Till Lulensxiegel
Mittelalterliche Komödie in vier Aufzögen
Den Bühnen gegenüber Manuskript. Alle Rechte vorbehalten
Lop^riZIU 191 l VerlsZ der Qrenzboten Q. in. b. le., Kerim SV/.
Vierter Aufzug.
Szene wie im dritten Akt. Mondhelle Nacht mit starken Schatten, die allmählich zum Morgen
übergeht. Zimmergesellen sind dabei, den Galgen und die Gerichtstische aufzustellen.

Leopold:

Wenn einer wird gehenkt, so sagen sie,

Schickt Gott 'nen Engel und die Höll den Teufel,
Die Seele heimzuholen.

(Er hämmert.)

Sagen sie! — So ist'sI


Adam:

Nicht doch so laut!


Niklas:

Ach wast 's ist grade gull


Adam:

Wofür denn gut?


Leopold:

Vertreibe den Gottseibeiuns,


Adam:

Wenn er die Seele zu erschnüffeln kommt.

(Hämmert.)

Niklas:

Man kann ihn doch nicht sehen.

Aber riechenl


Adam:

Wie, riechen?


Niklas:

Riechst denn du ihn?


Leopold (
zu Adam):

Ja, es riecht


Adam (
schnuppert):

Nach Pech und SchwefelI

Um Gott, du meinst doch nicht — ? —


Niklas
(angstvoll):

Ich laufe fort!

Damit er dich erwischt


Adam:

Und dir den Kragen umdreht!?

Gott im Himmel!


Niklas:
(Er bekreuzigt sich und murmelt ein Gebet.)

Tut ruhig eure Arbeit. Auf den Richtplatz


Adam:

Darf er erst, wenn da oben einer hängt.



*) Wer sich genauer über die in Frage kommenden Verhältnisse unterrichten will,
sei uns die Abhandlung des Landrichters Cohn „Über die Notwendigkeit einer Reform
des LohnbeschlagnähmerechtS" in GruchotS Beiträgen zur Erläuterung des Deutschen Rechts,
64. Jahrg. 1910 S. 721 ff., verwiesen. Diese Abhandlung ist mir erst nach Fertigstellung
meines Aufsatzes zu Gesicht gekommen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/28>, abgerufen am 29.12.2024.