Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Friedrich der Große und die Landgräfin Uaroline von Hessen Die fünfte und jüngste Tochter, Luise, wurde -- ebenfalls erst nach dein Tode Selbstverständlich wußte die Landgräfin, was Asseburgs häufige Reisen nach Grenzboten III 1911 2"
Friedrich der Große und die Landgräfin Uaroline von Hessen Die fünfte und jüngste Tochter, Luise, wurde — ebenfalls erst nach dein Tode Selbstverständlich wußte die Landgräfin, was Asseburgs häufige Reisen nach Grenzboten III 1911 2»
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0213" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319162"/> <fw type="header" place="top"> Friedrich der Große und die Landgräfin Uaroline von Hessen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1335" prev="#ID_1334"> Die fünfte und jüngste Tochter, Luise, wurde — ebenfalls erst nach dein Tode<lb/> der Mutter — die Gemahlin Karl Augusts von Weimar. Das glänzendste<lb/> Los unter diesen Prinzessinnen, die sich, abgesehen vielleicht von der späteren<lb/> Königin von Preußen, alle durch Geistesstärke und Charakterfestigkeit aus¬<lb/> zeichneten, schien Wilhelminen zuzufallen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1336" next="#ID_1337"> Selbstverständlich wußte die Landgräfin, was Asseburgs häufige Reisen nach<lb/> Darmstadt zu bedeuten hatten; seit 1771 stand sie mit ihm in lebhaftem Brief¬<lb/> wechsel. Daher war sie keineswegs überrascht, als Friedrich ihr im Mai 1772<lb/> schrieb: „Es bietet sich eine günstige Gelegenheit für die Verheiratung einer<lb/> Ihrer Töchter. Um keine Bagatelle handelt es sich, sondern um den russischen<lb/> Thron. Ich bin fast sicher, die Sache zu glücklichem Ende zu führen, wenn<lb/> Sie einverstanden sind." Hocherfreut über deu Eifer ihres mächtigen Freundes<lb/> erwiderte Karoline, daß ihr die Angelegenheit durchaus nicht unbekannt sei.<lb/> Näheres sagte sie nicht; sie mußte auf den ängstlichen Asseburg, der ihr gewiß<lb/> Stillschweigen auferlegt hatte, Rücksicht nehmen und unterließ es deshalb vor¬<lb/> läufig, den König über ihr schon besser bekannte Einzelheiten aufzuklären.<lb/> Friedrich wurde durch seinen Gesandten Solms, da Pcmin sich etwas zurück¬<lb/> haltend zeigte, uicht allzu gut bedient. So glaubte er zuerst, daß es auf die<lb/> älteste der noch unverheirateten Töchter, Amalie, abgesehen sei; er hatte sie bei<lb/> der Taufe seines kleinen Großneffen in Potsdam gesehen und lobte sie nun in<lb/> seiner Antwort an Solms, die natürlich weniger für diesen als für den russischen<lb/> Hof berechnet war, in ganz überschwenglicher Weise. Als Karoline vorsichtig<lb/> auf Wilhelmine hinwies, meinte er, im Grunde käme das ja auf dasselbe<lb/> heraus, die Hauptsache sei, daß sie Schwiegermutter eines Kaisers von Rußland<lb/> würde. Über das Bedenken, das einst die Herzogin von Gotha von dein<lb/> russischen Heiratsplan abgeschreckt hatte, setzten sich die beiden als echte Kinder<lb/> des aufgeklärten, gegen das religiöse Dogma gleichgültigen Zeitalters leicht<lb/> hinweg. - Die Braut des Großfürsten mußte, darüber bestand fast kein Zweifel,<lb/> zur griechischen Kirche übertreten. Friedlich erzählte nun der Freundin die<lb/> hübsche Geschichte von dem Fürsten von Anhalt-Zerbst, der einem Glaubens¬<lb/> wechsel seiner Tochter lange hartnäckig widerstrebt habe, bis ihm endlich ein<lb/> gefülliger Theologe klarmachte, daß der griechische Ritus gleich dem lutherischen<lb/> sei, und der einfältige Mann dann, wie zu seinem Troste, unaufhörlich wieder¬<lb/> holte: „Luthersch griechisch, griechisch luthersch, das gehet an." Karoline merkte<lb/> wohl, daß der oft recht boshafte Freund dabei auf ihren eigenen Gatten anspielte.<lb/> Sie hatte es vorgezogen, diesem noch nichts davon zu sagen, daß seine Tochter<lb/> griechisch werden sollte, war aber überzeugt, angesichts der großen Vorteile, die<lb/> er für sich selbst von dieser Heirat erwartete, werde er gern nachttäglich den<lb/> unerläßlichen Schritt verzeihen. Der Landgraf fürchtete sich nämlich vor einer<lb/> Mediatisierung seines Ländchens durch die beiden deutschen Großmächte und<lb/> wollte sich deshalb für alle Fülle von der Kaiserin Katharina einen Teil der<lb/> Ostseeprovinzen als eine Art sonverünes Fürstentum verschreiben lassen. Karoline</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1911 2»</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0213]
Friedrich der Große und die Landgräfin Uaroline von Hessen
Die fünfte und jüngste Tochter, Luise, wurde — ebenfalls erst nach dein Tode
der Mutter — die Gemahlin Karl Augusts von Weimar. Das glänzendste
Los unter diesen Prinzessinnen, die sich, abgesehen vielleicht von der späteren
Königin von Preußen, alle durch Geistesstärke und Charakterfestigkeit aus¬
zeichneten, schien Wilhelminen zuzufallen.
Selbstverständlich wußte die Landgräfin, was Asseburgs häufige Reisen nach
Darmstadt zu bedeuten hatten; seit 1771 stand sie mit ihm in lebhaftem Brief¬
wechsel. Daher war sie keineswegs überrascht, als Friedrich ihr im Mai 1772
schrieb: „Es bietet sich eine günstige Gelegenheit für die Verheiratung einer
Ihrer Töchter. Um keine Bagatelle handelt es sich, sondern um den russischen
Thron. Ich bin fast sicher, die Sache zu glücklichem Ende zu führen, wenn
Sie einverstanden sind." Hocherfreut über deu Eifer ihres mächtigen Freundes
erwiderte Karoline, daß ihr die Angelegenheit durchaus nicht unbekannt sei.
Näheres sagte sie nicht; sie mußte auf den ängstlichen Asseburg, der ihr gewiß
Stillschweigen auferlegt hatte, Rücksicht nehmen und unterließ es deshalb vor¬
läufig, den König über ihr schon besser bekannte Einzelheiten aufzuklären.
Friedrich wurde durch seinen Gesandten Solms, da Pcmin sich etwas zurück¬
haltend zeigte, uicht allzu gut bedient. So glaubte er zuerst, daß es auf die
älteste der noch unverheirateten Töchter, Amalie, abgesehen sei; er hatte sie bei
der Taufe seines kleinen Großneffen in Potsdam gesehen und lobte sie nun in
seiner Antwort an Solms, die natürlich weniger für diesen als für den russischen
Hof berechnet war, in ganz überschwenglicher Weise. Als Karoline vorsichtig
auf Wilhelmine hinwies, meinte er, im Grunde käme das ja auf dasselbe
heraus, die Hauptsache sei, daß sie Schwiegermutter eines Kaisers von Rußland
würde. Über das Bedenken, das einst die Herzogin von Gotha von dein
russischen Heiratsplan abgeschreckt hatte, setzten sich die beiden als echte Kinder
des aufgeklärten, gegen das religiöse Dogma gleichgültigen Zeitalters leicht
hinweg. - Die Braut des Großfürsten mußte, darüber bestand fast kein Zweifel,
zur griechischen Kirche übertreten. Friedlich erzählte nun der Freundin die
hübsche Geschichte von dem Fürsten von Anhalt-Zerbst, der einem Glaubens¬
wechsel seiner Tochter lange hartnäckig widerstrebt habe, bis ihm endlich ein
gefülliger Theologe klarmachte, daß der griechische Ritus gleich dem lutherischen
sei, und der einfältige Mann dann, wie zu seinem Troste, unaufhörlich wieder¬
holte: „Luthersch griechisch, griechisch luthersch, das gehet an." Karoline merkte
wohl, daß der oft recht boshafte Freund dabei auf ihren eigenen Gatten anspielte.
Sie hatte es vorgezogen, diesem noch nichts davon zu sagen, daß seine Tochter
griechisch werden sollte, war aber überzeugt, angesichts der großen Vorteile, die
er für sich selbst von dieser Heirat erwartete, werde er gern nachttäglich den
unerläßlichen Schritt verzeihen. Der Landgraf fürchtete sich nämlich vor einer
Mediatisierung seines Ländchens durch die beiden deutschen Großmächte und
wollte sich deshalb für alle Fülle von der Kaiserin Katharina einen Teil der
Ostseeprovinzen als eine Art sonverünes Fürstentum verschreiben lassen. Karoline
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