Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.Till Luleuspiegel Ein Bürger: Hört, eine Buß an Eulenspiegel, hört! (Gelächter.) Grober: ' Doch nehm ichs an mich, zum Beweis der Fälschung -- s ist wichtig im Prozeß. Kanzler: Bezweifelt Ihr Des Kaisers Siegel auch? Bürgermeister: Des Kaisers Siegel? Seh er sich's an, Herr Dokumentenmacher! (Er hält ihm das Dokument Eulenspiegels unter die Nase.) Kanzler: Mich läßt wahrhaftig der Verstand im Stich! Führt mich zum Landgraf! Hört, zum Landgraf will er! Ein Bürger: (Gelächter.) Grober ( He, respektier er etwas Zwischenraum! nimmt den Kanzler am Ohr): Ein Bürger: Den Schlüssel, seht! Laßt ihn zur Schlüsselprobe! Grober ( spielt mit dem am Hals des Kanzlers hängenden Schlüssel): Wahrhaftig! Einen Schlüssel hat er auch, Volk: Schlüsselprobe! Schlüsselprobe! Nun, es bedarf dergleichen wohl nicht mehr. Lob Wasser: Herr Rektor, es wär im Prozesse wichtig; -- Grober: Bedenkt, ein falscher Schlüssel! Ja, sehr wichtig! Nickelspuhl: Ich bitte, Herr, schließt Eure Haustür auf. Grober ( ironisch): Vielleicht, daß das -- Kanzler: Ich bitte freundlichst -- hier! Grober: (Der Kanzler versucht vergeblich das Haus aufzuschließen.) Der Schlüssel paßt nicht! Bürgermeister: Oder gar das Schloß! Kanzler: Volk: Er ist entlarvt! Der Schelm ist überführt! Zur Fron mit ihm! -- Zur Fron! Gemach, ihr Herr'n, wie hier verfahren wird, Eulenspiegel: Ist keine Langmut mehr! -- s ist unzulässig! (Er schließt das Kanzlerhans auf.) Ich nehm die kaiserliche Banngewalt (Die Magister und der Bürgermeister verneigen sich.) Das nur zum ersten. -- Vor dem ganzen Volk Ein Halsgericht! Hört, hört! Ein Halsgericht! Volk: Ein Bürger: O weh, das geht dem Schelm an Kopf und Kragen! Die Bänke dort nehmt für das Tribunal! Grober: Till Luleuspiegel Ein Bürger: Hört, eine Buß an Eulenspiegel, hört! (Gelächter.) Grober: ' Doch nehm ichs an mich, zum Beweis der Fälschung — s ist wichtig im Prozeß. Kanzler: Bezweifelt Ihr Des Kaisers Siegel auch? Bürgermeister: Des Kaisers Siegel? Seh er sich's an, Herr Dokumentenmacher! (Er hält ihm das Dokument Eulenspiegels unter die Nase.) Kanzler: Mich läßt wahrhaftig der Verstand im Stich! Führt mich zum Landgraf! Hört, zum Landgraf will er! Ein Bürger: (Gelächter.) Grober ( He, respektier er etwas Zwischenraum! nimmt den Kanzler am Ohr): Ein Bürger: Den Schlüssel, seht! Laßt ihn zur Schlüsselprobe! Grober ( spielt mit dem am Hals des Kanzlers hängenden Schlüssel): Wahrhaftig! Einen Schlüssel hat er auch, Volk: Schlüsselprobe! Schlüsselprobe! Nun, es bedarf dergleichen wohl nicht mehr. Lob Wasser: Herr Rektor, es wär im Prozesse wichtig; — Grober: Bedenkt, ein falscher Schlüssel! Ja, sehr wichtig! Nickelspuhl: Ich bitte, Herr, schließt Eure Haustür auf. Grober ( ironisch): Vielleicht, daß das — Kanzler: Ich bitte freundlichst — hier! Grober: (Der Kanzler versucht vergeblich das Haus aufzuschließen.) Der Schlüssel paßt nicht! Bürgermeister: Oder gar das Schloß! Kanzler: Volk: Er ist entlarvt! Der Schelm ist überführt! Zur Fron mit ihm! — Zur Fron! Gemach, ihr Herr'n, wie hier verfahren wird, Eulenspiegel: Ist keine Langmut mehr! — s ist unzulässig! (Er schließt das Kanzlerhans auf.) Ich nehm die kaiserliche Banngewalt (Die Magister und der Bürgermeister verneigen sich.) Das nur zum ersten. — Vor dem ganzen Volk Ein Halsgericht! Hört, hört! Ein Halsgericht! Volk: Ein Bürger: O weh, das geht dem Schelm an Kopf und Kragen! Die Bänke dort nehmt für das Tribunal! 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Doch nehm ichs an mich, zum Beweis der Fälschung —
s ist wichtig im Prozeß.
Kanzler:
Bezweifelt Ihr
Des Kaisers Siegel auch?
Bürgermeister:
Des Kaisers Siegel?
Seh er sich's an, Herr Dokumentenmacher!
(Er hält ihm das Dokument Eulenspiegels unter die Nase.)
Kanzler:
Mich läßt wahrhaftig der Verstand im Stich!
Führt mich zum Landgraf!
Hört, zum Landgraf will er!
Ein Bürger:
(Gelächter.)
Grober (
He, respektier er etwas Zwischenraum!
nimmt den Kanzler am Ohr):
Ein Bürger:
Den Schlüssel, seht! Laßt ihn zur Schlüsselprobe!
Grober (
spielt mit dem am Hals des Kanzlers hängenden Schlüssel):
Wahrhaftig! Einen Schlüssel hat er auch,
Der Spitzbub!
Volk:
Schlüsselprobe! Schlüsselprobe!
Nun, es bedarf dergleichen wohl nicht mehr.
Lob Wasser:
Herr Rektor, es wär im Prozesse wichtig; —
Grober:
Bedenkt, ein falscher Schlüssel!
Ja, sehr wichtig!
Nickelspuhl:
Ich bitte, Herr, schließt Eure Haustür auf.
Grober (
ironisch):
Vielleicht, daß das —
Kanzler:
Ich bitte freundlichst — hier!
Grober:
(Der Kanzler versucht vergeblich das Haus aufzuschließen.)
Der Schlüssel paßt nicht!
Bürgermeister:
Oder gar das Schloß!
Kanzler:
Volk:
Er ist entlarvt! Der Schelm ist überführt!
Zur Fron mit ihm! — Zur Fron!
Gemach, ihr Herr'n, wie hier verfahren wird,
'
Eulenspiegel:
Ist keine Langmut mehr! — s ist unzulässig!
Daß der Prozeß in stärkre Hände komme,
Dafür ist mir gesorgt. — Macht Platz, ihr Leute! —
(Er schließt das Kanzlerhans auf.)
Ich nehm die kaiserliche Banngewalt
Hiermit an mich!
(Die Magister und der Bürgermeister verneigen sich.)
Das nur zum ersten. — Vor dem ganzen Volk
Hat dieser Schelm sein Wesen hier getrieben,
Hat angemaßt sich kaiserliche Rechte
Und Ehrfurcht tief durch Mummenschanz verletzt;
Hat auch das Siegel unbefugt gebraucht
Und kaiserliche Gnad und Huld entstellt
Zu Ungnad. — Ergo und aus diesen Gründen
Beruf ich den Gerichtstag, und sofort
Sei er in peinlichen Indiz gerichtet.
Ein Halsgericht! Hört, hört! Ein Halsgericht!
Volk:
Ein Bürger:
O weh, das geht dem Schelm an Kopf und Kragen!
Die Bänke dort nehmt für das Tribunal!
Grober:
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