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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Till Lnlenspiegel

Eulenspiegel:

I nein -- warum?

Im Gegenteil, vergeht, daß mein Gedächtnis

Nicht gleich präsent. -- Und hier die andern Herren?


Lobwasser (
vorstellend):

Die Herr'n Dekan' der andern Fakultäten. --

) des ius beflissen,

Magister Grober hier

(Bückling

Bewährt in Kriminal und Halsprozeß,
'

Ein feiner Kenner neuen ronschen Rechts,

Eifrig bedacht, es bei uns einzuführen.

Des ron'schen Rechts. El seht, das ist verständig.


Eulenspiegel
(zu Grober):

Daß Ihr dem Volk ein wenig spanisch kommt,

Wo ihm doch nur von außen und inwendig

In allein Rechtens deutsches Denken frommt.

Da merk es, daß iustitia hat geschliffen

Ihr Richterschwert nach anderen Begriffen. --

(Bückling),

Lobwasser:

Und dies Herr Mulendorf

der Theologe, --

Ein feiner Kenner kirchlicher Geschichte.


Eulenspiegel

Dies Studium bereit ich Euch, fürwahr! --

(zu Mnlendorf):

Verweise es uns doch stets zurück zur Quelle-,

Da man in alter Zeit auch selig war,

Ist neue Sehnsucht stets ein Schritt zur Hölle.

Wie währt -- Und dies Magister Nickelspuhl --


Lob Wasser:
(Bückling)

Als Interpret der Philosophen -- Meister!


Eulenspiegel:

El seht, in welch verehrungswürd'gen Kreis

Bin ich geraten, hoher freier Geister!

Philosophie treibt, wer besonnen ist,

Soll ihn am End zu aller Weisheit führen,

Und wenn du noch nicht völlig weise bist,

Wirst leicht dich auf zur Weisheit disputieren. --

Nur schade, daß die Lehre ein Gerüst

Und leider nicht die Weisheit selber ist. --
'

Ja, Herrn, ihr schaut betreten fast im Kreis,

Doch gebt mir Antwort bitte auf die Frage:
'

Ists besser, daß man tue, was man weiß,

Oder sich darum, was man nicht weiß, plage?


Lob Wasser:

Je nun, die Frag ist nicht so leicht --


Grober:

Ich meine, --

Wenn ich mich äußern darf als Praktikus, --

Daß, was ich weiß, zu tun mir besser scheine
'

Als cogen Strebens ewiger Verdruß.


Lobwasser:

Ganz recht! Ganz recht!

Jawohl, dasselbe mein' ich.


Mulendorf:
Nickelspuhl:

Wir sind darin wohl ziemlich alle einig.


Eulenspiegel:

Und doch, ihr Herr'n, ist's nicht ein eigen Ding:

Man müht sich heiß, sein Wissen auszudehnen,

Das, was man kann, das achtet man gering,

Daß wir nicht wissen, das sind unsere Tränen.

So bleiben wir im Widerspruch beharren, --
'

Sagt selbst, ihr Herrn, sind wir nicht alle Narren?

(Die Magister sind belustigt.)

Till Lnlenspiegel

Eulenspiegel:

I nein — warum?

Im Gegenteil, vergeht, daß mein Gedächtnis

Nicht gleich präsent. — Und hier die andern Herren?


Lobwasser (
vorstellend):

Die Herr'n Dekan' der andern Fakultäten. —

) des ius beflissen,

Magister Grober hier

(Bückling

Bewährt in Kriminal und Halsprozeß,
'

Ein feiner Kenner neuen ronschen Rechts,

Eifrig bedacht, es bei uns einzuführen.

Des ron'schen Rechts. El seht, das ist verständig.


Eulenspiegel
(zu Grober):

Daß Ihr dem Volk ein wenig spanisch kommt,

Wo ihm doch nur von außen und inwendig

In allein Rechtens deutsches Denken frommt.

Da merk es, daß iustitia hat geschliffen

Ihr Richterschwert nach anderen Begriffen. —

(Bückling),

Lobwasser:

Und dies Herr Mulendorf

der Theologe, —

Ein feiner Kenner kirchlicher Geschichte.


Eulenspiegel

Dies Studium bereit ich Euch, fürwahr! —

(zu Mnlendorf):

Verweise es uns doch stets zurück zur Quelle-,

Da man in alter Zeit auch selig war,

Ist neue Sehnsucht stets ein Schritt zur Hölle.

Wie währt — Und dies Magister Nickelspuhl —


Lob Wasser:
(Bückling)

Als Interpret der Philosophen — Meister!


Eulenspiegel:

El seht, in welch verehrungswürd'gen Kreis

Bin ich geraten, hoher freier Geister!

Philosophie treibt, wer besonnen ist,

Soll ihn am End zu aller Weisheit führen,

Und wenn du noch nicht völlig weise bist,

Wirst leicht dich auf zur Weisheit disputieren. —

Nur schade, daß die Lehre ein Gerüst

Und leider nicht die Weisheit selber ist. —
'

Ja, Herrn, ihr schaut betreten fast im Kreis,

Doch gebt mir Antwort bitte auf die Frage:
'

Ists besser, daß man tue, was man weiß,

Oder sich darum, was man nicht weiß, plage?


Lob Wasser:

Je nun, die Frag ist nicht so leicht —


Grober:

Ich meine, —

Wenn ich mich äußern darf als Praktikus, —

Daß, was ich weiß, zu tun mir besser scheine
'

Als cogen Strebens ewiger Verdruß.


Lobwasser:

Ganz recht! Ganz recht!

Jawohl, dasselbe mein' ich.


Mulendorf:
Nickelspuhl:

Wir sind darin wohl ziemlich alle einig.


Eulenspiegel:

Und doch, ihr Herr'n, ist's nicht ein eigen Ding:

Man müht sich heiß, sein Wissen auszudehnen,

Das, was man kann, das achtet man gering,

Daß wir nicht wissen, das sind unsere Tränen.

So bleiben wir im Widerspruch beharren, —
'

Sagt selbst, ihr Herrn, sind wir nicht alle Narren?

(Die Magister sind belustigt.)

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[0628] Till Lnlenspiegel Eulenspiegel: I nein — warum? Im Gegenteil, vergeht, daß mein Gedächtnis Nicht gleich präsent. — Und hier die andern Herren? Lobwasser ( vorstellend): Die Herr'n Dekan' der andern Fakultäten. — ) des ius beflissen, Magister Grober hier (Bückling Bewährt in Kriminal und Halsprozeß, ' Ein feiner Kenner neuen ronschen Rechts, Eifrig bedacht, es bei uns einzuführen. Des ron'schen Rechts. El seht, das ist verständig. Eulenspiegel (zu Grober): Daß Ihr dem Volk ein wenig spanisch kommt, Wo ihm doch nur von außen und inwendig In allein Rechtens deutsches Denken frommt. Da merk es, daß iustitia hat geschliffen Ihr Richterschwert nach anderen Begriffen. — (Bückling), Lobwasser: Und dies Herr Mulendorf der Theologe, — Ein feiner Kenner kirchlicher Geschichte. Eulenspiegel Dies Studium bereit ich Euch, fürwahr! — (zu Mnlendorf): Verweise es uns doch stets zurück zur Quelle-, Da man in alter Zeit auch selig war, Ist neue Sehnsucht stets ein Schritt zur Hölle. Wie währt — Und dies Magister Nickelspuhl — Lob Wasser: (Bückling) Als Interpret der Philosophen — Meister! Eulenspiegel: El seht, in welch verehrungswürd'gen Kreis Bin ich geraten, hoher freier Geister! Philosophie treibt, wer besonnen ist, Soll ihn am End zu aller Weisheit führen, Und wenn du noch nicht völlig weise bist, Wirst leicht dich auf zur Weisheit disputieren. — Nur schade, daß die Lehre ein Gerüst Und leider nicht die Weisheit selber ist. — ' Ja, Herrn, ihr schaut betreten fast im Kreis, Doch gebt mir Antwort bitte auf die Frage: ' Ists besser, daß man tue, was man weiß, Oder sich darum, was man nicht weiß, plage? Lob Wasser: Je nun, die Frag ist nicht so leicht — Grober: Ich meine, — Wenn ich mich äußern darf als Praktikus, — Daß, was ich weiß, zu tun mir besser scheine ' Als cogen Strebens ewiger Verdruß. Lobwasser: Ganz recht! Ganz recht! Jawohl, dasselbe mein' ich. Mulendorf: Nickelspuhl: Wir sind darin wohl ziemlich alle einig. Eulenspiegel: Und doch, ihr Herr'n, ist's nicht ein eigen Ding: Man müht sich heiß, sein Wissen auszudehnen, Das, was man kann, das achtet man gering, Daß wir nicht wissen, das sind unsere Tränen. So bleiben wir im Widerspruch beharren, — ' Sagt selbst, ihr Herrn, sind wir nicht alle Narren? (Die Magister sind belustigt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/628>, abgerufen am 01.10.2024.