Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Till Lulenspiegel

Hast du den Schlüssel?


Eulenspiegel:

Hier.


Lamme:

Behält ihn gleich!


Eulenspiegel:

Und hast du sonst dein Bündel gut geschnürt?


Lamme:

Das Wams und das Barett; und eine Hose --

Von deinen, Till, -- hab ich dazu gelegt.


Eulenspiegel:

Von mir die Hose?

Deine schönste, Till!


Lamme:

Vielleicht hab'n sie die Hose auch gestohlen; --

Du kriegst sie ja zurück, ich bürge für.

Schon gut. -- Jetzt rasch! Bind dir ums Fressermaul


Eulenspiegel:

Die Binde schnell! -- Du hast jetzt Zahnweh, Lamme!

(Lamme heult)

Sehr gut, du kannst es.

Heut einmal laut!

Und nun?


Lamme:
Eulenspiegel:

Jetzt gehst du augenblicks zur Pforte --

Pforte!? --


Lamme:

Das ist ja das Spital!

Ja, und du schellst


Eulenspiegel:

Und denkst dort an der Tür!


Lamme:

Ich heule, Till?


Eulenspiegel:

Ja, denn ein Kind, das weint, bekommt die Brust!

Die Brust?


Lamme:

Jawohl, die Brust und eine Zange!


Eulenspiegel:

Du zeigst dem Doktor deinen kranken Zahn!

Ich hab ja keinen kranken, liebster Till.


Lamme:

Dann zeige 'man gesunden; 's ist ganz gleich, --


Eulenspiegel:

Und laß ihn ziehen!


Lamme:

Ziehen, einen Zahn?

Und 'nen gesunden? -- Nein, das kannst du nicht
Von mir verlangen! Denke doch, ein Zahn!

Du hast genug davon.


Eulenspiegel:

Ich bitt dich, Till.


Lamme:

Wo jeder Zahn doch seine Tradition

Zu der Ernährung und im Wohlgeschmack --


Eulenspiegel:

Du sprengst an allen Krankenbetten aus,

Der Rektor habe eine Kur beschlossen,
Um sie zu heilen; einer aber müsse
Zu diesem Ende sterben.

Sterben -- gut!


Lamme:

Ja, einer wird verbrannt.


Eulenspiegel:

Verbrannt -- auch gut!


Lamme:

Und aus der Asche Medizin gemacht.


Eulenspiegel:
'

Und hör, sie sollen achten, wenn der Pförtner
Das Glöcklein zieht, das ist der Augenblick
Wo sie sich retten müssen! -- Pack dich jetzt!


Lamme:

Till, hör, das mit dem Zahn ist doch nicht klug:

Sieh mal, zum Beispiel, wenn die Blutung nicht- --


Eulenspiegel:

Laß mich mit deinen Beispielen in Ruhe

Und packe dich! -- Dort kommen ihrer zwei. --
'

Zwei Bäche sinds, die Seebach und die Marbach.


Till Lulenspiegel

Hast du den Schlüssel?


Eulenspiegel:

Hier.


Lamme:

Behält ihn gleich!


Eulenspiegel:

Und hast du sonst dein Bündel gut geschnürt?


Lamme:

Das Wams und das Barett; und eine Hose —

Von deinen, Till, — hab ich dazu gelegt.


Eulenspiegel:

Von mir die Hose?

Deine schönste, Till!


Lamme:

Vielleicht hab'n sie die Hose auch gestohlen; —

Du kriegst sie ja zurück, ich bürge für.

Schon gut. — Jetzt rasch! Bind dir ums Fressermaul


Eulenspiegel:

Die Binde schnell! — Du hast jetzt Zahnweh, Lamme!

(Lamme heult)

Sehr gut, du kannst es.

Heut einmal laut!

Und nun?


Lamme:
Eulenspiegel:

Jetzt gehst du augenblicks zur Pforte —

Pforte!? —


Lamme:

Das ist ja das Spital!

Ja, und du schellst


Eulenspiegel:

Und denkst dort an der Tür!


Lamme:

Ich heule, Till?


Eulenspiegel:

Ja, denn ein Kind, das weint, bekommt die Brust!

Die Brust?


Lamme:

Jawohl, die Brust und eine Zange!


Eulenspiegel:

Du zeigst dem Doktor deinen kranken Zahn!

Ich hab ja keinen kranken, liebster Till.


Lamme:

Dann zeige 'man gesunden; 's ist ganz gleich, —


Eulenspiegel:

Und laß ihn ziehen!


Lamme:

Ziehen, einen Zahn?

Und 'nen gesunden? — Nein, das kannst du nicht
Von mir verlangen! Denke doch, ein Zahn!

Du hast genug davon.


Eulenspiegel:

Ich bitt dich, Till.


Lamme:

Wo jeder Zahn doch seine Tradition

Zu der Ernährung und im Wohlgeschmack —


Eulenspiegel:

Du sprengst an allen Krankenbetten aus,

Der Rektor habe eine Kur beschlossen,
Um sie zu heilen; einer aber müsse
Zu diesem Ende sterben.

Sterben — gut!


Lamme:

Ja, einer wird verbrannt.


Eulenspiegel:

Verbrannt — auch gut!


Lamme:

Und aus der Asche Medizin gemacht.


Eulenspiegel:
'

Und hör, sie sollen achten, wenn der Pförtner
Das Glöcklein zieht, das ist der Augenblick
Wo sie sich retten müssen! — Pack dich jetzt!


Lamme:

Till, hör, das mit dem Zahn ist doch nicht klug:

Sieh mal, zum Beispiel, wenn die Blutung nicht- —


Eulenspiegel:

Laß mich mit deinen Beispielen in Ruhe

Und packe dich! — Dort kommen ihrer zwei. —
'

Zwei Bäche sinds, die Seebach und die Marbach.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0584" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318867"/>
          <fw type="header" place="top"> Till Lulenspiegel</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_3694"> Hast du den Schlüssel?</p><lb/>
          <note type="speaker"> Eulenspiegel:</note><lb/>
          <p xml:id="ID_3695"> Hier.</p><lb/>
          <note type="speaker"> Lamme:</note><lb/>
          <p xml:id="ID_3696"> Behält ihn gleich!</p><lb/>
          <note type="speaker"> Eulenspiegel:</note><lb/>
          <p xml:id="ID_3697"> Und hast du sonst dein Bündel gut geschnürt?</p><lb/>
          <note type="speaker"> Lamme: </note><lb/>
          <p xml:id="ID_3698"> Das Wams und das Barett; und eine Hose &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3699"> Von deinen, Till, &#x2014; hab ich dazu gelegt.</p><lb/>
          <note type="speaker"> Eulenspiegel: </note><lb/>
          <p xml:id="ID_3700"> Von mir die Hose?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3701"> Deine schönste, Till!</p><lb/>
          <note type="speaker"> Lamme:</note><lb/>
          <p xml:id="ID_3702"> Vielleicht hab'n sie die Hose auch gestohlen; &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3703"> Du kriegst sie ja zurück, ich bürge für.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3704"> Schon gut. &#x2014; Jetzt rasch! Bind dir ums Fressermaul</p><lb/>
          <note type="speaker"> Eulenspiegel: </note><lb/>
          <p xml:id="ID_3705"> Die Binde schnell! &#x2014; Du hast jetzt Zahnweh, Lamme!</p><lb/>
          <stage> (Lamme heult) </stage><lb/>
          <p xml:id="ID_3706"> Sehr gut, du kannst es.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3707"> Heut einmal laut!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3708"> Und nun?</p><lb/>
          <note type="speaker"> Lamme:</note><lb/>
          <note type="speaker"> Eulenspiegel:</note><lb/>
          <p xml:id="ID_3709"> Jetzt gehst du augenblicks zur Pforte &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3710"> Pforte!? &#x2014;</p><lb/>
          <note type="speaker"> Lamme:</note><lb/>
          <p xml:id="ID_3711"> Das ist ja das Spital!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3712"> Ja, und du schellst</p><lb/>
          <note type="speaker"> Eulenspiegel:</note><lb/>
          <p xml:id="ID_3713"> Und denkst dort an der Tür!</p><lb/>
          <note type="speaker"> Lamme:</note><lb/>
          <p xml:id="ID_3714"> Ich heule, Till?</p><lb/>
          <note type="speaker"> Eulenspiegel:</note><lb/>
          <p xml:id="ID_3715"> Ja, denn ein Kind, das weint, bekommt die Brust!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3716"> Die Brust?</p><lb/>
          <note type="speaker"> Lamme: </note><lb/>
          <p xml:id="ID_3717"> Jawohl, die Brust und eine Zange!</p><lb/>
          <note type="speaker"> Eulenspiegel: </note><lb/>
          <p xml:id="ID_3718"> Du zeigst dem Doktor deinen kranken Zahn!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3719"> Ich hab ja keinen kranken, liebster Till.</p><lb/>
          <note type="speaker"> Lamme:</note><lb/>
          <p xml:id="ID_3720"> Dann zeige 'man gesunden; 's ist ganz gleich, &#x2014;</p><lb/>
          <note type="speaker"> Eulenspiegel: </note><lb/>
          <p xml:id="ID_3721"> Und laß ihn ziehen!</p><lb/>
          <note type="speaker"> Lamme:</note><lb/>
          <p xml:id="ID_3722"> Ziehen, einen Zahn?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3723"> Und 'nen gesunden? &#x2014; Nein, das kannst du nicht<lb/>
Von mir verlangen! Denke doch, ein Zahn!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3724"> Du hast genug davon.</p><lb/>
          <note type="speaker"> Eulenspiegel: </note><lb/>
          <p xml:id="ID_3725"> Ich bitt dich, Till.</p><lb/>
          <note type="speaker"> Lamme:</note><lb/>
          <p xml:id="ID_3726"> Wo jeder Zahn doch seine Tradition</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3727"> Zu der Ernährung und im Wohlgeschmack &#x2014;</p><lb/>
          <note type="speaker"> Eulenspiegel: </note><lb/>
          <p xml:id="ID_3728"> Du sprengst an allen Krankenbetten aus,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3729"> Der Rektor habe eine Kur beschlossen,<lb/>
Um sie zu heilen; einer aber müsse<lb/>
Zu diesem Ende sterben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3730"> Sterben &#x2014; gut!</p><lb/>
          <note type="speaker"> Lamme:</note><lb/>
          <p xml:id="ID_3731"> Ja, einer wird verbrannt.</p><lb/>
          <note type="speaker"> Eulenspiegel:</note><lb/>
          <p xml:id="ID_3732"> Verbrannt &#x2014; auch gut!</p><lb/>
          <note type="speaker"> Lamme:</note><lb/>
          <p xml:id="ID_3733"> Und aus der Asche Medizin gemacht.</p><lb/>
          <note type="speaker"> Eulenspiegel:<lb/>
'</note><lb/>
          <p xml:id="ID_3734"> Und hör, sie sollen achten, wenn der Pförtner<lb/>
Das Glöcklein zieht, das ist der Augenblick<lb/>
Wo sie sich retten müssen! &#x2014; Pack dich jetzt!</p><lb/>
          <note type="speaker"> Lamme: </note><lb/>
          <p xml:id="ID_3735"> Till, hör, das mit dem Zahn ist doch nicht klug:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3736"> Sieh mal, zum Beispiel, wenn die Blutung nicht- &#x2014;</p><lb/>
          <note type="speaker"> Eulenspiegel: </note><lb/>
          <p xml:id="ID_3737"> Laß mich mit deinen Beispielen in Ruhe</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3738"> Und packe dich! &#x2014; Dort kommen ihrer zwei. &#x2014;<lb/>
'</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3739"> Zwei Bäche sinds, die Seebach und die Marbach.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0584] Till Lulenspiegel Hast du den Schlüssel? Eulenspiegel: Hier. Lamme: Behält ihn gleich! Eulenspiegel: Und hast du sonst dein Bündel gut geschnürt? Lamme: Das Wams und das Barett; und eine Hose — Von deinen, Till, — hab ich dazu gelegt. Eulenspiegel: Von mir die Hose? Deine schönste, Till! Lamme: Vielleicht hab'n sie die Hose auch gestohlen; — Du kriegst sie ja zurück, ich bürge für. Schon gut. — Jetzt rasch! Bind dir ums Fressermaul Eulenspiegel: Die Binde schnell! — Du hast jetzt Zahnweh, Lamme! (Lamme heult) Sehr gut, du kannst es. Heut einmal laut! Und nun? Lamme: Eulenspiegel: Jetzt gehst du augenblicks zur Pforte — Pforte!? — Lamme: Das ist ja das Spital! Ja, und du schellst Eulenspiegel: Und denkst dort an der Tür! Lamme: Ich heule, Till? Eulenspiegel: Ja, denn ein Kind, das weint, bekommt die Brust! Die Brust? Lamme: Jawohl, die Brust und eine Zange! Eulenspiegel: Du zeigst dem Doktor deinen kranken Zahn! Ich hab ja keinen kranken, liebster Till. Lamme: Dann zeige 'man gesunden; 's ist ganz gleich, — Eulenspiegel: Und laß ihn ziehen! Lamme: Ziehen, einen Zahn? Und 'nen gesunden? — Nein, das kannst du nicht Von mir verlangen! Denke doch, ein Zahn! Du hast genug davon. Eulenspiegel: Ich bitt dich, Till. Lamme: Wo jeder Zahn doch seine Tradition Zu der Ernährung und im Wohlgeschmack — Eulenspiegel: Du sprengst an allen Krankenbetten aus, Der Rektor habe eine Kur beschlossen, Um sie zu heilen; einer aber müsse Zu diesem Ende sterben. Sterben — gut! Lamme: Ja, einer wird verbrannt. Eulenspiegel: Verbrannt — auch gut! Lamme: Und aus der Asche Medizin gemacht. Eulenspiegel: ' Und hör, sie sollen achten, wenn der Pförtner Das Glöcklein zieht, das ist der Augenblick Wo sie sich retten müssen! — Pack dich jetzt! Lamme: Till, hör, das mit dem Zahn ist doch nicht klug: Sieh mal, zum Beispiel, wenn die Blutung nicht- — Eulenspiegel: Laß mich mit deinen Beispielen in Ruhe Und packe dich! — Dort kommen ihrer zwei. — ' Zwei Bäche sinds, die Seebach und die Marbach.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/584
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/584>, abgerufen am 25.08.2024.