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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Sorgen und Stütze" britischer Weltpolitik

Halbinsel stehen schon seit geraumer Zeit zu England in einem stark an Ab¬
hängigkeit grenzenden Verhältnis, zumal das finanziell so schwache Portugal,
das seinen Kolonialbesitz nur noch aufrechterhalten kann, weil England es durch
immer neue Unterstützungen dazu befähigt, um den deutsch-englischen Geheim¬
vertrag über Aufteilung des portugiesischen Kolonialbesitzes nicht in Kraft treten
zu lassen. Zu Beginn des Jahres 1909 waren von der portugiesischen
Oppositionspresse sensationelle Enthüllungen aufgegriffen worden, wonach Portugal
im Falle eines Krieges Englands und Frankreichs gegen Deutschland sogar eine
Beihilfe von hunderttausend Soldaten zu leisten hätte, während doch die ganze
kriegsstarke portugiesische Armee überhaupt nur siebzigtausend Mann beträgt.
Schon dieser Umstand ließ diese Enthüllungen als starke Übertreibungen erscheinen,
die denn auch elitsprechend leicht von den amtlichen Organen der portugiesische"
Regierung geleugnet wurden, ohne daß dadurch freilich die Tatsache der Ver¬
pflichtung Portugals aus der Welt geräumt werden konnte, England im Kriegsfalle
mit einer Division (fünfzehn- bis zwanzigtausend Mann) zu unterstützen.

Noch im Hochsommer desselben Jahres erwies ein anderer Vorgang, wie
vollständig Portugal sich verbunden fühlt, englischen Winken zu folgen: Das
von privater deutscher Seite auf Madeira eingerichtete Sanatorium wurde in
England als eine verkappte deutsche Kohlenstation betrachtet, und Portugal sah
sich auf Englands Drängen veranlaßt, die der betreffenden deutschen Gesellschaft
verliehene Konzession zurückzukaufen.

Was Spanien betrifft, so hat es gemeinsam mit Frankreich im Mai 1907
das Mittelmeerabkommen zur Erhaltung des Status c>ne> geschlossen, dem man
auch in Italien herzliche Sympathie entgegenbrachte. Spaniens Fügsamkeit
gegenüber englischen Wünschen kam zum Ausdruck in den vorjährigen Debatten
über die Vergebung des Baues spanischer Kriegsschiffe an die englische Firma
Vickers u. Maxim, obwohl die britischen Forderungen die höchsten waren und
die Entwürfe technisch wenig zusagten.

Die beiden größeren romanischen Länder stehen selbstverständlich nicht in
einem bisweilen dem Vasallentum so nahe kommenden Verhältnis zu Gro߬
britannien wie jene beiden kleineren Schwesternationen; aber sie sind doch
während der Regierungszeit Eduards des Siebenten von diesem mehr oder
welliger stark angezogen worden. Italien freilich mußte auch bei den wieder¬
holten Besuchen, die Eduard der Siebente seinem Herrscher abstattete, die Grenzen
einigermaßen zu wahren suchen, die ihm durch den Bestand des Dreibundes
gezogen waren. Es blieb durch diese starke Rückendeckung davor bewahrt, in
em vasallenähnliches Verhältnis gegenüber Großbritannien zu geraten.

Das militärisch stärkste der romanischen Länder, das überdies durch Jahr¬
hunderte England oft genug als "Erbfeind" gegenübergestanden, sollte in jeder
Beziehung am meisten gefeit dagegen sein, den Anschein aufkommen zu lassen,
als ob es auch von England abhängig wäre; in den letzten Jahren aber sind
die Freundschaftsdienste der französischen Republik gegenüber dem Inselreich


Sorgen und Stütze» britischer Weltpolitik

Halbinsel stehen schon seit geraumer Zeit zu England in einem stark an Ab¬
hängigkeit grenzenden Verhältnis, zumal das finanziell so schwache Portugal,
das seinen Kolonialbesitz nur noch aufrechterhalten kann, weil England es durch
immer neue Unterstützungen dazu befähigt, um den deutsch-englischen Geheim¬
vertrag über Aufteilung des portugiesischen Kolonialbesitzes nicht in Kraft treten
zu lassen. Zu Beginn des Jahres 1909 waren von der portugiesischen
Oppositionspresse sensationelle Enthüllungen aufgegriffen worden, wonach Portugal
im Falle eines Krieges Englands und Frankreichs gegen Deutschland sogar eine
Beihilfe von hunderttausend Soldaten zu leisten hätte, während doch die ganze
kriegsstarke portugiesische Armee überhaupt nur siebzigtausend Mann beträgt.
Schon dieser Umstand ließ diese Enthüllungen als starke Übertreibungen erscheinen,
die denn auch elitsprechend leicht von den amtlichen Organen der portugiesische»
Regierung geleugnet wurden, ohne daß dadurch freilich die Tatsache der Ver¬
pflichtung Portugals aus der Welt geräumt werden konnte, England im Kriegsfalle
mit einer Division (fünfzehn- bis zwanzigtausend Mann) zu unterstützen.

Noch im Hochsommer desselben Jahres erwies ein anderer Vorgang, wie
vollständig Portugal sich verbunden fühlt, englischen Winken zu folgen: Das
von privater deutscher Seite auf Madeira eingerichtete Sanatorium wurde in
England als eine verkappte deutsche Kohlenstation betrachtet, und Portugal sah
sich auf Englands Drängen veranlaßt, die der betreffenden deutschen Gesellschaft
verliehene Konzession zurückzukaufen.

Was Spanien betrifft, so hat es gemeinsam mit Frankreich im Mai 1907
das Mittelmeerabkommen zur Erhaltung des Status c>ne> geschlossen, dem man
auch in Italien herzliche Sympathie entgegenbrachte. Spaniens Fügsamkeit
gegenüber englischen Wünschen kam zum Ausdruck in den vorjährigen Debatten
über die Vergebung des Baues spanischer Kriegsschiffe an die englische Firma
Vickers u. Maxim, obwohl die britischen Forderungen die höchsten waren und
die Entwürfe technisch wenig zusagten.

Die beiden größeren romanischen Länder stehen selbstverständlich nicht in
einem bisweilen dem Vasallentum so nahe kommenden Verhältnis zu Gro߬
britannien wie jene beiden kleineren Schwesternationen; aber sie sind doch
während der Regierungszeit Eduards des Siebenten von diesem mehr oder
welliger stark angezogen worden. Italien freilich mußte auch bei den wieder¬
holten Besuchen, die Eduard der Siebente seinem Herrscher abstattete, die Grenzen
einigermaßen zu wahren suchen, die ihm durch den Bestand des Dreibundes
gezogen waren. Es blieb durch diese starke Rückendeckung davor bewahrt, in
em vasallenähnliches Verhältnis gegenüber Großbritannien zu geraten.

Das militärisch stärkste der romanischen Länder, das überdies durch Jahr¬
hunderte England oft genug als „Erbfeind" gegenübergestanden, sollte in jeder
Beziehung am meisten gefeit dagegen sein, den Anschein aufkommen zu lassen,
als ob es auch von England abhängig wäre; in den letzten Jahren aber sind
die Freundschaftsdienste der französischen Republik gegenüber dem Inselreich


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[0511] Sorgen und Stütze» britischer Weltpolitik Halbinsel stehen schon seit geraumer Zeit zu England in einem stark an Ab¬ hängigkeit grenzenden Verhältnis, zumal das finanziell so schwache Portugal, das seinen Kolonialbesitz nur noch aufrechterhalten kann, weil England es durch immer neue Unterstützungen dazu befähigt, um den deutsch-englischen Geheim¬ vertrag über Aufteilung des portugiesischen Kolonialbesitzes nicht in Kraft treten zu lassen. Zu Beginn des Jahres 1909 waren von der portugiesischen Oppositionspresse sensationelle Enthüllungen aufgegriffen worden, wonach Portugal im Falle eines Krieges Englands und Frankreichs gegen Deutschland sogar eine Beihilfe von hunderttausend Soldaten zu leisten hätte, während doch die ganze kriegsstarke portugiesische Armee überhaupt nur siebzigtausend Mann beträgt. Schon dieser Umstand ließ diese Enthüllungen als starke Übertreibungen erscheinen, die denn auch elitsprechend leicht von den amtlichen Organen der portugiesische» Regierung geleugnet wurden, ohne daß dadurch freilich die Tatsache der Ver¬ pflichtung Portugals aus der Welt geräumt werden konnte, England im Kriegsfalle mit einer Division (fünfzehn- bis zwanzigtausend Mann) zu unterstützen. Noch im Hochsommer desselben Jahres erwies ein anderer Vorgang, wie vollständig Portugal sich verbunden fühlt, englischen Winken zu folgen: Das von privater deutscher Seite auf Madeira eingerichtete Sanatorium wurde in England als eine verkappte deutsche Kohlenstation betrachtet, und Portugal sah sich auf Englands Drängen veranlaßt, die der betreffenden deutschen Gesellschaft verliehene Konzession zurückzukaufen. Was Spanien betrifft, so hat es gemeinsam mit Frankreich im Mai 1907 das Mittelmeerabkommen zur Erhaltung des Status c>ne> geschlossen, dem man auch in Italien herzliche Sympathie entgegenbrachte. Spaniens Fügsamkeit gegenüber englischen Wünschen kam zum Ausdruck in den vorjährigen Debatten über die Vergebung des Baues spanischer Kriegsschiffe an die englische Firma Vickers u. Maxim, obwohl die britischen Forderungen die höchsten waren und die Entwürfe technisch wenig zusagten. Die beiden größeren romanischen Länder stehen selbstverständlich nicht in einem bisweilen dem Vasallentum so nahe kommenden Verhältnis zu Gro߬ britannien wie jene beiden kleineren Schwesternationen; aber sie sind doch während der Regierungszeit Eduards des Siebenten von diesem mehr oder welliger stark angezogen worden. Italien freilich mußte auch bei den wieder¬ holten Besuchen, die Eduard der Siebente seinem Herrscher abstattete, die Grenzen einigermaßen zu wahren suchen, die ihm durch den Bestand des Dreibundes gezogen waren. Es blieb durch diese starke Rückendeckung davor bewahrt, in em vasallenähnliches Verhältnis gegenüber Großbritannien zu geraten. Das militärisch stärkste der romanischen Länder, das überdies durch Jahr¬ hunderte England oft genug als „Erbfeind" gegenübergestanden, sollte in jeder Beziehung am meisten gefeit dagegen sein, den Anschein aufkommen zu lassen, als ob es auch von England abhängig wäre; in den letzten Jahren aber sind die Freundschaftsdienste der französischen Republik gegenüber dem Inselreich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/511>, abgerufen am 26.08.2024.