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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Rassedienst

schaftsschichten wird das Glück im Familienleben gesucht und in Kinder- und
Enkelreichtum gesehen, die den Fortbestand der Familie sichern, wie ihn der
Ahnenkult fordert. In dieser Wertung des Familienlebens im Vergleich zu
anderen Gütern sieht Schallmayer die dauernde Widerstandskraft des Chinesen¬
volkes begründet. Die sozial höherstehenden Schichten, die durchschnittlich Träger
überlegener Erbwerte sind, machen von der Möglichkeit Gebrauch, viele Kinder
aufzuziehen, und vermehren sich stärker als die ärmeren Schichten. Der wohl¬
habendere Chinese heiratet durchschnittlich früher. Die Töchter erhalten keine
Mitgift, noch haben sie Erbrecht, so daß der Besitz keine so fatale Störung der
geschlechtlichen Auslese durch Bevorzugung des reicheren Mädchens vor dem
innerlich wertvollen mit sich bringt. Übrigens ist in China das Aufsteigen
fähiger Elemente aus tieferen in höhere soziale Schichten leichter als bei anderen
Völkern; um so günstiger wirkt die relativ starke Vermehrung der oberen
Gesellschaftskreise. -- Allgemein stillen gesunde Mütter ihre Kinder reichlich
lange an der Brust, so daß die Störungen der Auslesewirkungen der Säuglings¬
sterblichkeit durch Ungleichheit der Lebensbedtngungen gering sind. Übrigens ist
der Daseinskampf oft hart, insbesondere in Teuerungs- und Hungerszeiten, und
die Lebensauslese ist scharf, besonders unter Kindern. Wichtig ist das fast
völlige Fehlen des Alkoholismus; der Opiummißbrauch, der nur durch Englands
Schuld in weitem Umfange fortbesteht, wird energisch bekämpft.

Durch Eroberungskriege von seiten der Chinesen ist die Kultur der "Weißen"
kaum bedroht; solche Kriege widersprechen den uralten friedlichen Kulturidealen
des Chineseuvolkes. Aber die gelbe Rasse könnte durch ihre starke Vermehrung
Europa überfluten und unsere Völker mit ihrer Fruchtbarkeitsbeschrünkung
ersticken; darin liegt der Ernst der gelben Gefahr.

So werden die Probleme der Nassenbiologie und Eugenik zu Lebensfragen
der europäischen Kulturvölker gestempelt. Der Gedankenaufbau des Schall-
mauerschen Buches, die sich steigernde Masse der Argumente, stellt unsere Nationen
vor eine Alternative: Sein oder Nichtsein ist hier die Frage. Die Anweisungen
der Eugenik sollen als die harten Gebote der Not erscheinen, nicht nur als
raffinierte Mittel zu höchster Entfaltung geistiger Kultur. Die Selbsterhaltung
der Völker und Staaten steht auf dem Spiele. Die Rasseivcrtfmgen werden
zu zentralen Problemen der Politik, der Machtminderuug und Machtentfaltung
der Nationen. "Die Grundlagen zu andauernder Überlegenheit einer Nation
über andere werden sicher nicht auf den Schlachtfeldern und auch uicht haupt¬
sächlich durch friedliche Entfaltung militärischer Macht erworben, sondern viel¬
mehr durch ihre geistige, wirtschaftliche, soziale und ganz besonders auch durch
ihre generative Entwicklung . . . Kriegerische Erfolge, die nicht auf Überlegenheit
der inneren Entwicklung beruhen, sind nicht von Dauer." (S. 343.)

Wir kommen zu den praktischen Konsequenzen. Wie kann die günstigste
Entwicklung der Erbwerte unseres Volkes erreicht und die Degeneration auf¬
gehoben werden, deren Beseitigung eine dringende Existenzfrage für die Nation


Grenzvotsn II 1911 e/2
Rassedienst

schaftsschichten wird das Glück im Familienleben gesucht und in Kinder- und
Enkelreichtum gesehen, die den Fortbestand der Familie sichern, wie ihn der
Ahnenkult fordert. In dieser Wertung des Familienlebens im Vergleich zu
anderen Gütern sieht Schallmayer die dauernde Widerstandskraft des Chinesen¬
volkes begründet. Die sozial höherstehenden Schichten, die durchschnittlich Träger
überlegener Erbwerte sind, machen von der Möglichkeit Gebrauch, viele Kinder
aufzuziehen, und vermehren sich stärker als die ärmeren Schichten. Der wohl¬
habendere Chinese heiratet durchschnittlich früher. Die Töchter erhalten keine
Mitgift, noch haben sie Erbrecht, so daß der Besitz keine so fatale Störung der
geschlechtlichen Auslese durch Bevorzugung des reicheren Mädchens vor dem
innerlich wertvollen mit sich bringt. Übrigens ist in China das Aufsteigen
fähiger Elemente aus tieferen in höhere soziale Schichten leichter als bei anderen
Völkern; um so günstiger wirkt die relativ starke Vermehrung der oberen
Gesellschaftskreise. — Allgemein stillen gesunde Mütter ihre Kinder reichlich
lange an der Brust, so daß die Störungen der Auslesewirkungen der Säuglings¬
sterblichkeit durch Ungleichheit der Lebensbedtngungen gering sind. Übrigens ist
der Daseinskampf oft hart, insbesondere in Teuerungs- und Hungerszeiten, und
die Lebensauslese ist scharf, besonders unter Kindern. Wichtig ist das fast
völlige Fehlen des Alkoholismus; der Opiummißbrauch, der nur durch Englands
Schuld in weitem Umfange fortbesteht, wird energisch bekämpft.

Durch Eroberungskriege von seiten der Chinesen ist die Kultur der „Weißen"
kaum bedroht; solche Kriege widersprechen den uralten friedlichen Kulturidealen
des Chineseuvolkes. Aber die gelbe Rasse könnte durch ihre starke Vermehrung
Europa überfluten und unsere Völker mit ihrer Fruchtbarkeitsbeschrünkung
ersticken; darin liegt der Ernst der gelben Gefahr.

So werden die Probleme der Nassenbiologie und Eugenik zu Lebensfragen
der europäischen Kulturvölker gestempelt. Der Gedankenaufbau des Schall-
mauerschen Buches, die sich steigernde Masse der Argumente, stellt unsere Nationen
vor eine Alternative: Sein oder Nichtsein ist hier die Frage. Die Anweisungen
der Eugenik sollen als die harten Gebote der Not erscheinen, nicht nur als
raffinierte Mittel zu höchster Entfaltung geistiger Kultur. Die Selbsterhaltung
der Völker und Staaten steht auf dem Spiele. Die Rasseivcrtfmgen werden
zu zentralen Problemen der Politik, der Machtminderuug und Machtentfaltung
der Nationen. „Die Grundlagen zu andauernder Überlegenheit einer Nation
über andere werden sicher nicht auf den Schlachtfeldern und auch uicht haupt¬
sächlich durch friedliche Entfaltung militärischer Macht erworben, sondern viel¬
mehr durch ihre geistige, wirtschaftliche, soziale und ganz besonders auch durch
ihre generative Entwicklung . . . Kriegerische Erfolge, die nicht auf Überlegenheit
der inneren Entwicklung beruhen, sind nicht von Dauer." (S. 343.)

Wir kommen zu den praktischen Konsequenzen. Wie kann die günstigste
Entwicklung der Erbwerte unseres Volkes erreicht und die Degeneration auf¬
gehoben werden, deren Beseitigung eine dringende Existenzfrage für die Nation


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/501>, abgerufen am 22.07.2024.