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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Rassedienst

Die Degenerationsfaktoren, welche die Erbanlagen der heutigen Kultur¬
völker bedrohen, haben auch das organische Erbgut der klassischen Kulturvölker
untergraben. Die verheerende Wirkung ausgedehnter absichtlicher Fruchtbarkeits¬
beschränkung, die zunächst die intelligentesten Schichten der Nationen trifft, führt
alsbald zu einem Sinken der angeborenen seelischen Erbroerte der Völker; bei
stärkerer Verbreitung kommt es zur Entvölkerung. Andere Ursachen kamen in
Hellas und Rom hinzu. Der Historiker secat, der mit starkem Nachdruck biologische
Gesichtspunkte in seiner Wissenschaft zur Geltung bringt, hat unter anderem
darauf hingewiesen, daß blutige Bürgerkriege eine Vernichtung der durch Talent
und Kühnheit hervorragenden Männer und ihrer Familien, eine Ausrottung
der Besten mit sich brachten.

Ist nun die Degeneration der Kulturvölker ein unabwendbares Geschick,
wie Alter und Tod des einzelnen Menschen? Naturwissenschaftliche Betrachtung
unterstützt die Hypothese eines natürlichen Alterstodes der Völker nicht; die
Annahme eines solchen beruht auf einer äußerlichen Analogie ohne biologische
Beweiskraft.

In der Tat findet Schallmayer in der uralten chinesischen Kultur, die
dauernde strotzende Gesundheit des Volkskörpers nicht verhindert hat, einen Beleg
dafür, daß die pessimistische Ansicht vom unvermeidlichen Alterstod der Kultur¬
völker unhaltbar ist. Die körperliche Nassetüchtigkeit der Chinesen, ihre Zähigkeit
und Widerstandskraft gegen harte und verschiedenartige Daseinsbedingungen sind
unbestritten. Mit großer Energie wendet sich Schallmauer gegen die verbreitete
Geringschätzung der intellektuellen und moralischen Seite der chinesischen Kultur
und ihrer Träger. Ich kaun nicht entscheiden, ob Schallmayer nicht in das
andere Extrem fällt und mit allzu glänzenden Farben malt. Daß in China
Naturwissenschaft und Technik nicht den Aufschwung nahmen, der für die euro¬
päische Kultur so bedeutungsvoll wurde, soll uicht durch geistige Rasseeigenschafteu
bedingt sein, sondern aus dem historisch-philologischen, autoritativ-konservativen
Charakter der chinesischen Wissenschaft erklärt werden. Vielleicht weist es aber
gerade auf einen geistigen Rassemangel gegenüber den europäischen Kulturvölkern
hin, wenn der Geist der Naturforschung in China sich gegen die großen Wider¬
stände nicht durchzusetzen vermochte; denn auch bei uns standen ähnliche und
mächtige Widerstände der Befreiung und Entfaltung der naturwissenschaftlichen
Denkweise im Wege.

Wie demi aber auch sein mag, wir haben allen Grund, nach den Ursachen
der Dauerhaftigkeit der chinesischen Kultur zu forschen*). Da ist vor allem
auf die -- mit dem Ahnenkult zusammenhängende -- hohe Schätzung der Familie
und einer zahlreichen Nachkommenschaft hinzuweisen. Die sittlichen und recht¬
lichen Familienbande sind in China überaus eng und stark. In allen Gesell-



") Demnächst werden in den "Grenzboten" Beiträge zur chinesischen Kulturgeschichte
D, Schriftlg. aus der Feder des bekannten Sinologen Wilhelm Grube veröffentlicht werde".
Rassedienst

Die Degenerationsfaktoren, welche die Erbanlagen der heutigen Kultur¬
völker bedrohen, haben auch das organische Erbgut der klassischen Kulturvölker
untergraben. Die verheerende Wirkung ausgedehnter absichtlicher Fruchtbarkeits¬
beschränkung, die zunächst die intelligentesten Schichten der Nationen trifft, führt
alsbald zu einem Sinken der angeborenen seelischen Erbroerte der Völker; bei
stärkerer Verbreitung kommt es zur Entvölkerung. Andere Ursachen kamen in
Hellas und Rom hinzu. Der Historiker secat, der mit starkem Nachdruck biologische
Gesichtspunkte in seiner Wissenschaft zur Geltung bringt, hat unter anderem
darauf hingewiesen, daß blutige Bürgerkriege eine Vernichtung der durch Talent
und Kühnheit hervorragenden Männer und ihrer Familien, eine Ausrottung
der Besten mit sich brachten.

Ist nun die Degeneration der Kulturvölker ein unabwendbares Geschick,
wie Alter und Tod des einzelnen Menschen? Naturwissenschaftliche Betrachtung
unterstützt die Hypothese eines natürlichen Alterstodes der Völker nicht; die
Annahme eines solchen beruht auf einer äußerlichen Analogie ohne biologische
Beweiskraft.

In der Tat findet Schallmayer in der uralten chinesischen Kultur, die
dauernde strotzende Gesundheit des Volkskörpers nicht verhindert hat, einen Beleg
dafür, daß die pessimistische Ansicht vom unvermeidlichen Alterstod der Kultur¬
völker unhaltbar ist. Die körperliche Nassetüchtigkeit der Chinesen, ihre Zähigkeit
und Widerstandskraft gegen harte und verschiedenartige Daseinsbedingungen sind
unbestritten. Mit großer Energie wendet sich Schallmauer gegen die verbreitete
Geringschätzung der intellektuellen und moralischen Seite der chinesischen Kultur
und ihrer Träger. Ich kaun nicht entscheiden, ob Schallmayer nicht in das
andere Extrem fällt und mit allzu glänzenden Farben malt. Daß in China
Naturwissenschaft und Technik nicht den Aufschwung nahmen, der für die euro¬
päische Kultur so bedeutungsvoll wurde, soll uicht durch geistige Rasseeigenschafteu
bedingt sein, sondern aus dem historisch-philologischen, autoritativ-konservativen
Charakter der chinesischen Wissenschaft erklärt werden. Vielleicht weist es aber
gerade auf einen geistigen Rassemangel gegenüber den europäischen Kulturvölkern
hin, wenn der Geist der Naturforschung in China sich gegen die großen Wider¬
stände nicht durchzusetzen vermochte; denn auch bei uns standen ähnliche und
mächtige Widerstände der Befreiung und Entfaltung der naturwissenschaftlichen
Denkweise im Wege.

Wie demi aber auch sein mag, wir haben allen Grund, nach den Ursachen
der Dauerhaftigkeit der chinesischen Kultur zu forschen*). Da ist vor allem
auf die — mit dem Ahnenkult zusammenhängende — hohe Schätzung der Familie
und einer zahlreichen Nachkommenschaft hinzuweisen. Die sittlichen und recht¬
lichen Familienbande sind in China überaus eng und stark. In allen Gesell-



") Demnächst werden in den „Grenzboten" Beiträge zur chinesischen Kulturgeschichte
D, Schriftlg. aus der Feder des bekannten Sinologen Wilhelm Grube veröffentlicht werde».
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[0500] Rassedienst Die Degenerationsfaktoren, welche die Erbanlagen der heutigen Kultur¬ völker bedrohen, haben auch das organische Erbgut der klassischen Kulturvölker untergraben. Die verheerende Wirkung ausgedehnter absichtlicher Fruchtbarkeits¬ beschränkung, die zunächst die intelligentesten Schichten der Nationen trifft, führt alsbald zu einem Sinken der angeborenen seelischen Erbroerte der Völker; bei stärkerer Verbreitung kommt es zur Entvölkerung. Andere Ursachen kamen in Hellas und Rom hinzu. Der Historiker secat, der mit starkem Nachdruck biologische Gesichtspunkte in seiner Wissenschaft zur Geltung bringt, hat unter anderem darauf hingewiesen, daß blutige Bürgerkriege eine Vernichtung der durch Talent und Kühnheit hervorragenden Männer und ihrer Familien, eine Ausrottung der Besten mit sich brachten. Ist nun die Degeneration der Kulturvölker ein unabwendbares Geschick, wie Alter und Tod des einzelnen Menschen? Naturwissenschaftliche Betrachtung unterstützt die Hypothese eines natürlichen Alterstodes der Völker nicht; die Annahme eines solchen beruht auf einer äußerlichen Analogie ohne biologische Beweiskraft. In der Tat findet Schallmayer in der uralten chinesischen Kultur, die dauernde strotzende Gesundheit des Volkskörpers nicht verhindert hat, einen Beleg dafür, daß die pessimistische Ansicht vom unvermeidlichen Alterstod der Kultur¬ völker unhaltbar ist. Die körperliche Nassetüchtigkeit der Chinesen, ihre Zähigkeit und Widerstandskraft gegen harte und verschiedenartige Daseinsbedingungen sind unbestritten. Mit großer Energie wendet sich Schallmauer gegen die verbreitete Geringschätzung der intellektuellen und moralischen Seite der chinesischen Kultur und ihrer Träger. Ich kaun nicht entscheiden, ob Schallmayer nicht in das andere Extrem fällt und mit allzu glänzenden Farben malt. Daß in China Naturwissenschaft und Technik nicht den Aufschwung nahmen, der für die euro¬ päische Kultur so bedeutungsvoll wurde, soll uicht durch geistige Rasseeigenschafteu bedingt sein, sondern aus dem historisch-philologischen, autoritativ-konservativen Charakter der chinesischen Wissenschaft erklärt werden. Vielleicht weist es aber gerade auf einen geistigen Rassemangel gegenüber den europäischen Kulturvölkern hin, wenn der Geist der Naturforschung in China sich gegen die großen Wider¬ stände nicht durchzusetzen vermochte; denn auch bei uns standen ähnliche und mächtige Widerstände der Befreiung und Entfaltung der naturwissenschaftlichen Denkweise im Wege. Wie demi aber auch sein mag, wir haben allen Grund, nach den Ursachen der Dauerhaftigkeit der chinesischen Kultur zu forschen*). Da ist vor allem auf die — mit dem Ahnenkult zusammenhängende — hohe Schätzung der Familie und einer zahlreichen Nachkommenschaft hinzuweisen. Die sittlichen und recht¬ lichen Familienbande sind in China überaus eng und stark. In allen Gesell- ") Demnächst werden in den „Grenzboten" Beiträge zur chinesischen Kulturgeschichte D, Schriftlg. aus der Feder des bekannten Sinologen Wilhelm Grube veröffentlicht werde».

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/500>, abgerufen am 22.07.2024.