Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.Reichsspiegel auf Basis der nunmehrigen Preise eine Belebung der Nachfrage mit Sicherheit Die Generalversammlung der Berliner Terrain- und Baugesellschaft Reichsspiegel auf Basis der nunmehrigen Preise eine Belebung der Nachfrage mit Sicherheit Die Generalversammlung der Berliner Terrain- und Baugesellschaft <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0490" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318773"/> <fw type="header" place="top"> Reichsspiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_2167" prev="#ID_2166"> auf Basis der nunmehrigen Preise eine Belebung der Nachfrage mit Sicherheit<lb/> eintreten werde. Es wird erlaubt sein, dieser Zuversicht ein gut Teil Skepsis<lb/> entgegenzusetzen. Denn daß die Konjunktur ganz im allgemeinen eine rückläufige<lb/> Bewegung eingeschlagen hat, beweisen nicht nur die starken Mindereinnahmen<lb/> der Eisenbahnen aus dem Güterverkehr (diese sind im laufenden Jahre von<lb/> 174 Millionen Dollar Monatseinnahme auf 131 Millionen gesunken), sondern<lb/> auch die unbefriedigender Verhältnisse des Arbeitsmarktes und vor allem die<lb/> rückgängiger Ziffern der Einwanderungsstatistik, die in Amerika einen sehr<lb/> zuverlässigen Gradmesser für den Aufschwung oder die Stockung des Geschäfts¬<lb/> lebens abgibt. Allerdings kann bei der großen Elastizität der wirtschaftlichen<lb/> Verhältnisse in Amerika der Umschwung ziemlich unvermittelt eintreten: einen<lb/> Hauptfaktor wird hierfür der Ausfall der Ernte bilden. Die Berichte aus den Ackerbau¬<lb/> staaten lauten nun aber bis jetzt außerordentlich günstig, man rechnet sowohl für die<lb/> Weizen- als für die Maisernte mit Erträgnissen, die Rekordziffern darstellen, und auch<lb/> das Ergebnis der Baumwollkultur wird hoffnungsvoll beurteilt. So wäre es wohl<lb/> denkbar, daß wiederum eine reiche Ernte der Vereinigten Staaten über die<lb/> Schwierigkeiten der Konjunktur hinweghälfe. Wir können unserseits in Deutsch¬<lb/> land eine solche Entwicklung mit unverhohlener Freude begrüßen. Denn auch bei<lb/> uns wachsen die Sorgen der Industrie täglich; der Kohlen- wie der Eisenmarkt<lb/> liegt schlecht und eine Stärkung der amerikanischen Konjunktur käme uns daher<lb/> sehr gelegen. Die Kurse der Jndustriepapiere tragen einstweilen dieser ungünstigen<lb/> Situation noch nicht genügend Rechnung. Sie sind zwar unverkennbar im Zurück¬<lb/> weichen begriffen, aber es bedürfte einer stärkeren Korrektur, um sie in Einklang<lb/> mit den Verhältnissen zu setzen. Voraussichtlich wird dieselbe nicht ausbleiben.</p><lb/> <p xml:id="ID_2168" next="#ID_2169"> Die Generalversammlung der Berliner Terrain- und Baugesellschaft<lb/> hat heftige Auseinandersetzungen über die verwickelten und gefährlichen Engagements<lb/> der Gesellschaft bei dem Konzern Boswau u. Kraner und dem Warenhaus<lb/> W. Wertheim, aber für die größere Öffentlichkeit keine vollständige Klarheit über<lb/> die wahre Lage der Gesellschaft gebracht. Nur das hat sich bestätigt, was man<lb/> auch ohnedies wußte, daß die Beteiligung an diesem Unternehmen für den sog.<lb/> Fürstentrust zu einer sehr kritischen Angelegenheit geworden ist. Die Terrain-<lb/> und Baugesellschaft ist eine Neuburgersche Gründung, die ursprünglich nur den<lb/> Grundbesitz der Berliner Omnibusgesellschaft verwerten sollte. Das Kapital wurde<lb/> aber bald zum Zweck der Durchführung anderer Geschäfte wesentlich erhöht. Zu<lb/> diesen gehörte auch die Finanzierung des Passage-Kaufhauses. Um diese<lb/> durchführen zu können, zog die Terrain- und Baugesellschaft als Partner die<lb/> Handelsvereinigung A. G., den sog. Fürstentrust, hinzu. Dieser letztere besteht<lb/> aus dem Fürsten Egon zu Fürstenberg, dem Fürsten Christian Kraft zu Hohenlohe-<lb/> Oehringen und Grafen Fürstenberg-Herdringen, von denen der erstere schon früher<lb/> Beziehungen zu Karl Neuburger unterhalten hatte. Diese Handelsvereinigung<lb/> hatte alsbald nach ihrer kaum drei Jahre zurückliegenden Gründung große Unter¬<lb/> nehmungslust und einen angesichts der beteiligten Persönlichkeiten ungewöhnlichen<lb/> geschäftlichen Wagemut an den Tag gelegt. Sie erwarb die Levantelinie, setzte<lb/> sich in der Palästinabank, deren Kapital sie übernahm, ein besonderes Finanzierungs¬<lb/> institut zur Seite und war bald in einer ganzen Anzahl mehr oder weniger<lb/> aussichtsreicher Unternehmungen verwickelt. Da kam die Transaktion mit der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0490]
Reichsspiegel
auf Basis der nunmehrigen Preise eine Belebung der Nachfrage mit Sicherheit
eintreten werde. Es wird erlaubt sein, dieser Zuversicht ein gut Teil Skepsis
entgegenzusetzen. Denn daß die Konjunktur ganz im allgemeinen eine rückläufige
Bewegung eingeschlagen hat, beweisen nicht nur die starken Mindereinnahmen
der Eisenbahnen aus dem Güterverkehr (diese sind im laufenden Jahre von
174 Millionen Dollar Monatseinnahme auf 131 Millionen gesunken), sondern
auch die unbefriedigender Verhältnisse des Arbeitsmarktes und vor allem die
rückgängiger Ziffern der Einwanderungsstatistik, die in Amerika einen sehr
zuverlässigen Gradmesser für den Aufschwung oder die Stockung des Geschäfts¬
lebens abgibt. Allerdings kann bei der großen Elastizität der wirtschaftlichen
Verhältnisse in Amerika der Umschwung ziemlich unvermittelt eintreten: einen
Hauptfaktor wird hierfür der Ausfall der Ernte bilden. Die Berichte aus den Ackerbau¬
staaten lauten nun aber bis jetzt außerordentlich günstig, man rechnet sowohl für die
Weizen- als für die Maisernte mit Erträgnissen, die Rekordziffern darstellen, und auch
das Ergebnis der Baumwollkultur wird hoffnungsvoll beurteilt. So wäre es wohl
denkbar, daß wiederum eine reiche Ernte der Vereinigten Staaten über die
Schwierigkeiten der Konjunktur hinweghälfe. Wir können unserseits in Deutsch¬
land eine solche Entwicklung mit unverhohlener Freude begrüßen. Denn auch bei
uns wachsen die Sorgen der Industrie täglich; der Kohlen- wie der Eisenmarkt
liegt schlecht und eine Stärkung der amerikanischen Konjunktur käme uns daher
sehr gelegen. Die Kurse der Jndustriepapiere tragen einstweilen dieser ungünstigen
Situation noch nicht genügend Rechnung. Sie sind zwar unverkennbar im Zurück¬
weichen begriffen, aber es bedürfte einer stärkeren Korrektur, um sie in Einklang
mit den Verhältnissen zu setzen. Voraussichtlich wird dieselbe nicht ausbleiben.
Die Generalversammlung der Berliner Terrain- und Baugesellschaft
hat heftige Auseinandersetzungen über die verwickelten und gefährlichen Engagements
der Gesellschaft bei dem Konzern Boswau u. Kraner und dem Warenhaus
W. Wertheim, aber für die größere Öffentlichkeit keine vollständige Klarheit über
die wahre Lage der Gesellschaft gebracht. Nur das hat sich bestätigt, was man
auch ohnedies wußte, daß die Beteiligung an diesem Unternehmen für den sog.
Fürstentrust zu einer sehr kritischen Angelegenheit geworden ist. Die Terrain-
und Baugesellschaft ist eine Neuburgersche Gründung, die ursprünglich nur den
Grundbesitz der Berliner Omnibusgesellschaft verwerten sollte. Das Kapital wurde
aber bald zum Zweck der Durchführung anderer Geschäfte wesentlich erhöht. Zu
diesen gehörte auch die Finanzierung des Passage-Kaufhauses. Um diese
durchführen zu können, zog die Terrain- und Baugesellschaft als Partner die
Handelsvereinigung A. G., den sog. Fürstentrust, hinzu. Dieser letztere besteht
aus dem Fürsten Egon zu Fürstenberg, dem Fürsten Christian Kraft zu Hohenlohe-
Oehringen und Grafen Fürstenberg-Herdringen, von denen der erstere schon früher
Beziehungen zu Karl Neuburger unterhalten hatte. Diese Handelsvereinigung
hatte alsbald nach ihrer kaum drei Jahre zurückliegenden Gründung große Unter¬
nehmungslust und einen angesichts der beteiligten Persönlichkeiten ungewöhnlichen
geschäftlichen Wagemut an den Tag gelegt. Sie erwarb die Levantelinie, setzte
sich in der Palästinabank, deren Kapital sie übernahm, ein besonderes Finanzierungs¬
institut zur Seite und war bald in einer ganzen Anzahl mehr oder weniger
aussichtsreicher Unternehmungen verwickelt. Da kam die Transaktion mit der
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