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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Die Aaiseridee
von o, ö. Prof. der Rechte Dr. jur, Hu brich--

Karl und Otto die Großen sind nach Rom hinübergegangen, um die
deutsche nationale Königskrone zu erhöhen und zu verwandeln und, nach meinem
Dafürhalten, zu tierderben, indem sie sich eine ausländische römische Weltkaiser¬
krone suchten und indem sie auf diese Weise dann zu einer unheilvollen Ver¬
quickung von Staat und Kirche, von politischen und religiösen Machtvorstellungen
gelangten; gerade an diesen Dingen ist unser Nationalstaat zugrunde gegangen.

Heinrich v, Sybel.

le Eigenart, welche in allerjüngster Zeit die Beziehungen zwischen
dem deutschen Kaisertum und dem Papsttum angenommen, hat in
der Presse auch zu mannigfachen Erörterungen über die Natur des
Kaisertums an sich geführt. Man ist zum Teil soweit gegangen,
das Papsttum als die eigentliche rechtliche Quelle des Kaisertums
hinzustellen. Daß aber eine solche Anschauungsweise zum Verderben des deutschen
Volks bei Erneuerung eines deutschen Kaisertums die herrschende werden könne,
war die Ursache der Besorgnis, welche Heinrich von Suhel das an die Spitze
gesetzte Wort im verfassungsberatenden Reichstag von 1867 eingab. Es erscheint
daher nicht unzeitgemäß, an diesem Orte in eine kurze prinzipielle Erörterung
über die Kaiseridee im allgemeinen einzutreten.

Das Kaisertum als solches läßt sich als ein fester Rechtsbegriff mit einem
ein für allemal bestimmt ausgeprägten Gehalt nicht auffassen. Es ist in
diesem Sinne durchaus Laband zuzustimmen, der im Hinblick aus die ver¬
schiedenen Fälle des Gebrauchs des Kaisertitels in der Geschichte sagt: "Das Kaiser¬
tum kann auf autokratischer Gewalt oder auf aristokratischer oder auf demokratischer
Grundlage beruhen; es kann bis zum Despotismus gesteigert oder bis zur
Machtlosigkeit beschränkt werden; es kann im Zusammenhange mit der Kirche
stehen oder von ihr völlig gelöst sein; es kann erblich oder ein Wahlkaisertum
sein" (Laband, Das deutsche Kaisertum, 1896. Vgl. dazu auch Held, Das
Kaisertum als Rechtsbegriff, 1879). Nichtsdestoweniger geht Laband zu weit,
wenn er es sodann für ein vergebliches und zweckloses Bemühen erklärt, einen
für alle Anwendungsfälle passenden Begriff des Kaisertums aufzustellen. Im
Gegenteil läßt sich wirklich die Kaiseridee an und für sich in eine allgemein




Die Aaiseridee
von o, ö. Prof. der Rechte Dr. jur, Hu brich--

Karl und Otto die Großen sind nach Rom hinübergegangen, um die
deutsche nationale Königskrone zu erhöhen und zu verwandeln und, nach meinem
Dafürhalten, zu tierderben, indem sie sich eine ausländische römische Weltkaiser¬
krone suchten und indem sie auf diese Weise dann zu einer unheilvollen Ver¬
quickung von Staat und Kirche, von politischen und religiösen Machtvorstellungen
gelangten; gerade an diesen Dingen ist unser Nationalstaat zugrunde gegangen.

Heinrich v, Sybel.

le Eigenart, welche in allerjüngster Zeit die Beziehungen zwischen
dem deutschen Kaisertum und dem Papsttum angenommen, hat in
der Presse auch zu mannigfachen Erörterungen über die Natur des
Kaisertums an sich geführt. Man ist zum Teil soweit gegangen,
das Papsttum als die eigentliche rechtliche Quelle des Kaisertums
hinzustellen. Daß aber eine solche Anschauungsweise zum Verderben des deutschen
Volks bei Erneuerung eines deutschen Kaisertums die herrschende werden könne,
war die Ursache der Besorgnis, welche Heinrich von Suhel das an die Spitze
gesetzte Wort im verfassungsberatenden Reichstag von 1867 eingab. Es erscheint
daher nicht unzeitgemäß, an diesem Orte in eine kurze prinzipielle Erörterung
über die Kaiseridee im allgemeinen einzutreten.

Das Kaisertum als solches läßt sich als ein fester Rechtsbegriff mit einem
ein für allemal bestimmt ausgeprägten Gehalt nicht auffassen. Es ist in
diesem Sinne durchaus Laband zuzustimmen, der im Hinblick aus die ver¬
schiedenen Fälle des Gebrauchs des Kaisertitels in der Geschichte sagt: „Das Kaiser¬
tum kann auf autokratischer Gewalt oder auf aristokratischer oder auf demokratischer
Grundlage beruhen; es kann bis zum Despotismus gesteigert oder bis zur
Machtlosigkeit beschränkt werden; es kann im Zusammenhange mit der Kirche
stehen oder von ihr völlig gelöst sein; es kann erblich oder ein Wahlkaisertum
sein" (Laband, Das deutsche Kaisertum, 1896. Vgl. dazu auch Held, Das
Kaisertum als Rechtsbegriff, 1879). Nichtsdestoweniger geht Laband zu weit,
wenn er es sodann für ein vergebliches und zweckloses Bemühen erklärt, einen
für alle Anwendungsfälle passenden Begriff des Kaisertums aufzustellen. Im
Gegenteil läßt sich wirklich die Kaiseridee an und für sich in eine allgemein


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[0459] [Abbildung] Die Aaiseridee von o, ö. Prof. der Rechte Dr. jur, Hu brich-- Karl und Otto die Großen sind nach Rom hinübergegangen, um die deutsche nationale Königskrone zu erhöhen und zu verwandeln und, nach meinem Dafürhalten, zu tierderben, indem sie sich eine ausländische römische Weltkaiser¬ krone suchten und indem sie auf diese Weise dann zu einer unheilvollen Ver¬ quickung von Staat und Kirche, von politischen und religiösen Machtvorstellungen gelangten; gerade an diesen Dingen ist unser Nationalstaat zugrunde gegangen. Heinrich v, Sybel. le Eigenart, welche in allerjüngster Zeit die Beziehungen zwischen dem deutschen Kaisertum und dem Papsttum angenommen, hat in der Presse auch zu mannigfachen Erörterungen über die Natur des Kaisertums an sich geführt. Man ist zum Teil soweit gegangen, das Papsttum als die eigentliche rechtliche Quelle des Kaisertums hinzustellen. Daß aber eine solche Anschauungsweise zum Verderben des deutschen Volks bei Erneuerung eines deutschen Kaisertums die herrschende werden könne, war die Ursache der Besorgnis, welche Heinrich von Suhel das an die Spitze gesetzte Wort im verfassungsberatenden Reichstag von 1867 eingab. Es erscheint daher nicht unzeitgemäß, an diesem Orte in eine kurze prinzipielle Erörterung über die Kaiseridee im allgemeinen einzutreten. Das Kaisertum als solches läßt sich als ein fester Rechtsbegriff mit einem ein für allemal bestimmt ausgeprägten Gehalt nicht auffassen. Es ist in diesem Sinne durchaus Laband zuzustimmen, der im Hinblick aus die ver¬ schiedenen Fälle des Gebrauchs des Kaisertitels in der Geschichte sagt: „Das Kaiser¬ tum kann auf autokratischer Gewalt oder auf aristokratischer oder auf demokratischer Grundlage beruhen; es kann bis zum Despotismus gesteigert oder bis zur Machtlosigkeit beschränkt werden; es kann im Zusammenhange mit der Kirche stehen oder von ihr völlig gelöst sein; es kann erblich oder ein Wahlkaisertum sein" (Laband, Das deutsche Kaisertum, 1896. Vgl. dazu auch Held, Das Kaisertum als Rechtsbegriff, 1879). Nichtsdestoweniger geht Laband zu weit, wenn er es sodann für ein vergebliches und zweckloses Bemühen erklärt, einen für alle Anwendungsfälle passenden Begriff des Kaisertums aufzustellen. Im Gegenteil läßt sich wirklich die Kaiseridee an und für sich in eine allgemein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/459>, abgerufen am 23.07.2024.