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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Sieger für alle in seine Hände fallenden Kranken und Verwundeten ohne Unter¬
schied der Nationalität zu sorgen hat. Dabei steht es beiden kämpfenden Heeren
frei, nach einer Schlacht in Verhandlungen einzutreten über den Austausch der
Verwundeten, die Heimsendung der transportfähigen oder geheilten Kranken, die
die Gegner nicht als Kriegsgefangene zurückhalten wollen, und über die Abgabe kampf¬
unfähiger Krieger an einen neutralen Staat zur besseren Versorgung derselben.

Der neue Vertrag legt ferner dem die Wahlstatt behauptenden Heere die
Pflicht auf, Maßregeln zu treffen, um die Toten und Verwundeten des Kampf¬
platzes gegen Plünderung und Gewalttat zu schützen, und ferner vor der
Bestattung oder Verbrennung der Toten deren sorgfältige Besichtigung anzu¬
ordnen, um zu verhüten, daß Bewußtlose oder Erstarrte lebendig begraben
werden. Außerdem wurde festgesetzt, daß sich die Kriegführenden gegenseitig über
die Aufnahme Kranker oder Verletzter in die Spitäler, sowie über die Todesfälle
auf dem laufenden erhalten, damit ihren Angehörigen Nachricht gegeben werden
kann. Alle diese Bestimmungen sind als ein Ausfluß der unserer Zeit ent¬
sprechenden Menschenwürde des Kriegerstandes aufgefaßt worden.

Von großer Bedeutung und demselben Sinne entsprechend ist der neue
Paragraph, daß das Sanitätspersonal unter allen Umständen geschützt ist,
während es früher nur so lange als neutral galt, als es seine Tätigkeit ausübte
und als Leidende von ihm zu versorgen waren.

Eine ganz namhafte Verbesserung ist ferner die vom deutschen Roten Kreuz
erwirkte Ausdehnung des Schutzes der Neutralität auf die Mitglieder der offiziell
anerkannten freiwilligen Krankenpflege. Als Vorbedingung dabei gilt, daß sich
die letztere in allen Teilen der Oberleitung des militärischen Sanitätsdienstes
unterstellt. Über diese wichtige Bestimmung ist durch Artikel 10 des neuen
Vertrages angeordnet worden:

Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, sich gegenseitig die Namen der Vereine
und Körperschaften mitzuteilen, die sie im Kriege zur Unterstützung des militärischen
Sanitätsdienstes zu verwenden gedenken. Will eine anerkannte und legitimierte
Gesellschaft eines neutralen Staates einem kriegführenden Heere mit ihrem
Personal und ihrem Sanitätsmaterial Hilfe leisten, so muß sie vorher hierzu
sowohl von ihrer eigenen Regierung als von dem betreffenden kriegführenden
Staat offiziell ermächtigt werden.

Vergleicht man weiter die Abmachungen des Jahres 1906 mit denjenigen
des Jahres 1864, so können ferner als Vervollkommnungen der Neuzeit nach¬
stehende Punkte gelten:

1. Die Rückgabe des Privateigentums der gefallenen Offiziere und Soldaten,
2. die gegenseitige Achtung vor den Schutzwachen und Bedecknngsmannschaften
der Sanitätsanstalten beider Parteien,
3. die Zulassung der freiwilligen Helfer seitens einer neutralen Macht,
4. die Belassung der Waffen, Pferde, Ausrüstung des zugehörigen Sanitäts¬
personals,

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Sieger für alle in seine Hände fallenden Kranken und Verwundeten ohne Unter¬
schied der Nationalität zu sorgen hat. Dabei steht es beiden kämpfenden Heeren
frei, nach einer Schlacht in Verhandlungen einzutreten über den Austausch der
Verwundeten, die Heimsendung der transportfähigen oder geheilten Kranken, die
die Gegner nicht als Kriegsgefangene zurückhalten wollen, und über die Abgabe kampf¬
unfähiger Krieger an einen neutralen Staat zur besseren Versorgung derselben.

Der neue Vertrag legt ferner dem die Wahlstatt behauptenden Heere die
Pflicht auf, Maßregeln zu treffen, um die Toten und Verwundeten des Kampf¬
platzes gegen Plünderung und Gewalttat zu schützen, und ferner vor der
Bestattung oder Verbrennung der Toten deren sorgfältige Besichtigung anzu¬
ordnen, um zu verhüten, daß Bewußtlose oder Erstarrte lebendig begraben
werden. Außerdem wurde festgesetzt, daß sich die Kriegführenden gegenseitig über
die Aufnahme Kranker oder Verletzter in die Spitäler, sowie über die Todesfälle
auf dem laufenden erhalten, damit ihren Angehörigen Nachricht gegeben werden
kann. Alle diese Bestimmungen sind als ein Ausfluß der unserer Zeit ent¬
sprechenden Menschenwürde des Kriegerstandes aufgefaßt worden.

Von großer Bedeutung und demselben Sinne entsprechend ist der neue
Paragraph, daß das Sanitätspersonal unter allen Umständen geschützt ist,
während es früher nur so lange als neutral galt, als es seine Tätigkeit ausübte
und als Leidende von ihm zu versorgen waren.

Eine ganz namhafte Verbesserung ist ferner die vom deutschen Roten Kreuz
erwirkte Ausdehnung des Schutzes der Neutralität auf die Mitglieder der offiziell
anerkannten freiwilligen Krankenpflege. Als Vorbedingung dabei gilt, daß sich
die letztere in allen Teilen der Oberleitung des militärischen Sanitätsdienstes
unterstellt. Über diese wichtige Bestimmung ist durch Artikel 10 des neuen
Vertrages angeordnet worden:

Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, sich gegenseitig die Namen der Vereine
und Körperschaften mitzuteilen, die sie im Kriege zur Unterstützung des militärischen
Sanitätsdienstes zu verwenden gedenken. Will eine anerkannte und legitimierte
Gesellschaft eines neutralen Staates einem kriegführenden Heere mit ihrem
Personal und ihrem Sanitätsmaterial Hilfe leisten, so muß sie vorher hierzu
sowohl von ihrer eigenen Regierung als von dem betreffenden kriegführenden
Staat offiziell ermächtigt werden.

Vergleicht man weiter die Abmachungen des Jahres 1906 mit denjenigen
des Jahres 1864, so können ferner als Vervollkommnungen der Neuzeit nach¬
stehende Punkte gelten:

1. Die Rückgabe des Privateigentums der gefallenen Offiziere und Soldaten,
2. die gegenseitige Achtung vor den Schutzwachen und Bedecknngsmannschaften
der Sanitätsanstalten beider Parteien,
3. die Zulassung der freiwilligen Helfer seitens einer neutralen Macht,
4. die Belassung der Waffen, Pferde, Ausrüstung des zugehörigen Sanitäts¬
personals,

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[0418] Das rote llrcuz Sieger für alle in seine Hände fallenden Kranken und Verwundeten ohne Unter¬ schied der Nationalität zu sorgen hat. Dabei steht es beiden kämpfenden Heeren frei, nach einer Schlacht in Verhandlungen einzutreten über den Austausch der Verwundeten, die Heimsendung der transportfähigen oder geheilten Kranken, die die Gegner nicht als Kriegsgefangene zurückhalten wollen, und über die Abgabe kampf¬ unfähiger Krieger an einen neutralen Staat zur besseren Versorgung derselben. Der neue Vertrag legt ferner dem die Wahlstatt behauptenden Heere die Pflicht auf, Maßregeln zu treffen, um die Toten und Verwundeten des Kampf¬ platzes gegen Plünderung und Gewalttat zu schützen, und ferner vor der Bestattung oder Verbrennung der Toten deren sorgfältige Besichtigung anzu¬ ordnen, um zu verhüten, daß Bewußtlose oder Erstarrte lebendig begraben werden. Außerdem wurde festgesetzt, daß sich die Kriegführenden gegenseitig über die Aufnahme Kranker oder Verletzter in die Spitäler, sowie über die Todesfälle auf dem laufenden erhalten, damit ihren Angehörigen Nachricht gegeben werden kann. Alle diese Bestimmungen sind als ein Ausfluß der unserer Zeit ent¬ sprechenden Menschenwürde des Kriegerstandes aufgefaßt worden. Von großer Bedeutung und demselben Sinne entsprechend ist der neue Paragraph, daß das Sanitätspersonal unter allen Umständen geschützt ist, während es früher nur so lange als neutral galt, als es seine Tätigkeit ausübte und als Leidende von ihm zu versorgen waren. Eine ganz namhafte Verbesserung ist ferner die vom deutschen Roten Kreuz erwirkte Ausdehnung des Schutzes der Neutralität auf die Mitglieder der offiziell anerkannten freiwilligen Krankenpflege. Als Vorbedingung dabei gilt, daß sich die letztere in allen Teilen der Oberleitung des militärischen Sanitätsdienstes unterstellt. Über diese wichtige Bestimmung ist durch Artikel 10 des neuen Vertrages angeordnet worden: Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, sich gegenseitig die Namen der Vereine und Körperschaften mitzuteilen, die sie im Kriege zur Unterstützung des militärischen Sanitätsdienstes zu verwenden gedenken. Will eine anerkannte und legitimierte Gesellschaft eines neutralen Staates einem kriegführenden Heere mit ihrem Personal und ihrem Sanitätsmaterial Hilfe leisten, so muß sie vorher hierzu sowohl von ihrer eigenen Regierung als von dem betreffenden kriegführenden Staat offiziell ermächtigt werden. Vergleicht man weiter die Abmachungen des Jahres 1906 mit denjenigen des Jahres 1864, so können ferner als Vervollkommnungen der Neuzeit nach¬ stehende Punkte gelten: 1. Die Rückgabe des Privateigentums der gefallenen Offiziere und Soldaten, 2. die gegenseitige Achtung vor den Schutzwachen und Bedecknngsmannschaften der Sanitätsanstalten beider Parteien, 3. die Zulassung der freiwilligen Helfer seitens einer neutralen Macht, 4. die Belassung der Waffen, Pferde, Ausrüstung des zugehörigen Sanitäts¬ personals,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/418>, abgerufen am 22.07.2024.