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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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durch Schaffung einer zentralen Notenbank, strenge Vorschriften über die Geld¬
anlage der Versicherungsgesellschaften, deren Bestände heute den Finanzmagnaten
nur allzu bereitwillig zur Verfügung stehen, und letzten Endes eine Abkehr von
dem extremen Schutzzollsystem, unter dessen Schutz allein sich die Monopolmacht
der Trusts zu solcher Höhe entwickeln konnte.

Die Verhandlungen des Kalisyndikats mit den amerikanischen
Verbrauchern, über welche wir jüngst berichtet haben, sind zu einem vorläufigen
Abschluß gediehen. Man hat sich über die Preisfrage und die den Amerikanern
zu gemährenden Rabatte geeinigt. Dabei ist bemerkenswert, daß die Amerikaner
Preise zugestanden haben, die für sie ungünstiger sind als die, welche sie bei
den früheren Verhandlungen in New Aork zurückgewiesen haben. Offenbar
hat also das Kalisyndikat in den Rabatten, über deren Höhe Ziffern einstweilen
nicht bekannt sind, erhebliche Opfer gebracht. Mit diesen Vereinbarungen ist
nun aber keineswegs der Kalikonflikt beseitigt. Man wird sich erinnern, daß
der Schwerpunkt in der Frage liegt, wie die langlaufenden Verträge der
amerikanischen Abnehmer mit den Kaliwerken Sollstedt und Aschersleben zu
behandeln und unter welchen Bedingungen sie vom Kalisyndikat zu übernehmen
seien. Von diesen Verträgen ist nun einstweilen nicht die Rede gewesen. Die
Absprachen betreffen Lieferungsbedingungen, welche ohne Rücksicht auf die
bestehenden Vertragsverpflichtungen festgesetzt worden sind. An den Verhand¬
lungen hat die International Agricultural Corporation, der sogenannte
Schmidtmcmn-Trust, welcher das Kaliwerk Sollstedt besitzt, überhaupt nicht
teilgenommen. Nun verlautet, die Amerikaner wollten die vielbesprochenen
Verträge anfechten, obwohl sie in der Zwischenzeit, also nach Erlaß des Kali¬
gesetzes, die Option auf die Lieferung für die Jahr 1911 bis 191K ausgeübt
haben. Die Kaliwerke Aschersleben wollen in gleicher Weise an den Richter
behufs Durchführung ihrer Ansprüche appellieren. Einstweilen steht also eine
Lösung der Schwierigkeiten noch in weiter Ferne. Der Jahresabschluß der
Kaliwerke Aschersleben, der in diesen Tagen veröffentlicht worden ist, läßt
deutlich die Größe dieser Schwierigkeiten erkennen. Denn es zeigt sich, daß
durch die außersyndikatlichen Verkäufe das Werk erhebliche Vorteile erzielt hat.
Der Ertrag des Kaligeschäftes hat sich um ^ Millionen gesteigert, der Rein¬
gewinn ist gegen das Vorjahr derart gewachsen, daß die Gesellschaft imstande
ist, nicht nur die Dividende um 1 Prozent zu erhöhen, sondern volle zwei
Millionen für Neuanlagen zurückzustellen und den Vortrag um 200000 Mark
zu erhöhen. Die Aktionäre können also an sich mit der Geschäftsführung der
Verwaltung voni Standpunkt der Gewinnerzielung nur zufrieden sein, und man
begreift, daß die Aufgabe so großer geschäftlicher Vorteile nur gegen Ent¬
schädigungen zugestanden werden kann, die für das Kalisyndikat große Opfer
bedeuten würden. Offenbar ist die Verwaltung von Aschersleben hinsichtlich
der Bradley-Verträge ihrer Sache sehr sicher, da sie die Dividendenerhöhung
ohne Rücksicht auf die Frage vorschlägt, ob sie nicht schließlich die Über-


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durch Schaffung einer zentralen Notenbank, strenge Vorschriften über die Geld¬
anlage der Versicherungsgesellschaften, deren Bestände heute den Finanzmagnaten
nur allzu bereitwillig zur Verfügung stehen, und letzten Endes eine Abkehr von
dem extremen Schutzzollsystem, unter dessen Schutz allein sich die Monopolmacht
der Trusts zu solcher Höhe entwickeln konnte.

Die Verhandlungen des Kalisyndikats mit den amerikanischen
Verbrauchern, über welche wir jüngst berichtet haben, sind zu einem vorläufigen
Abschluß gediehen. Man hat sich über die Preisfrage und die den Amerikanern
zu gemährenden Rabatte geeinigt. Dabei ist bemerkenswert, daß die Amerikaner
Preise zugestanden haben, die für sie ungünstiger sind als die, welche sie bei
den früheren Verhandlungen in New Aork zurückgewiesen haben. Offenbar
hat also das Kalisyndikat in den Rabatten, über deren Höhe Ziffern einstweilen
nicht bekannt sind, erhebliche Opfer gebracht. Mit diesen Vereinbarungen ist
nun aber keineswegs der Kalikonflikt beseitigt. Man wird sich erinnern, daß
der Schwerpunkt in der Frage liegt, wie die langlaufenden Verträge der
amerikanischen Abnehmer mit den Kaliwerken Sollstedt und Aschersleben zu
behandeln und unter welchen Bedingungen sie vom Kalisyndikat zu übernehmen
seien. Von diesen Verträgen ist nun einstweilen nicht die Rede gewesen. Die
Absprachen betreffen Lieferungsbedingungen, welche ohne Rücksicht auf die
bestehenden Vertragsverpflichtungen festgesetzt worden sind. An den Verhand¬
lungen hat die International Agricultural Corporation, der sogenannte
Schmidtmcmn-Trust, welcher das Kaliwerk Sollstedt besitzt, überhaupt nicht
teilgenommen. Nun verlautet, die Amerikaner wollten die vielbesprochenen
Verträge anfechten, obwohl sie in der Zwischenzeit, also nach Erlaß des Kali¬
gesetzes, die Option auf die Lieferung für die Jahr 1911 bis 191K ausgeübt
haben. Die Kaliwerke Aschersleben wollen in gleicher Weise an den Richter
behufs Durchführung ihrer Ansprüche appellieren. Einstweilen steht also eine
Lösung der Schwierigkeiten noch in weiter Ferne. Der Jahresabschluß der
Kaliwerke Aschersleben, der in diesen Tagen veröffentlicht worden ist, läßt
deutlich die Größe dieser Schwierigkeiten erkennen. Denn es zeigt sich, daß
durch die außersyndikatlichen Verkäufe das Werk erhebliche Vorteile erzielt hat.
Der Ertrag des Kaligeschäftes hat sich um ^ Millionen gesteigert, der Rein¬
gewinn ist gegen das Vorjahr derart gewachsen, daß die Gesellschaft imstande
ist, nicht nur die Dividende um 1 Prozent zu erhöhen, sondern volle zwei
Millionen für Neuanlagen zurückzustellen und den Vortrag um 200000 Mark
zu erhöhen. Die Aktionäre können also an sich mit der Geschäftsführung der
Verwaltung voni Standpunkt der Gewinnerzielung nur zufrieden sein, und man
begreift, daß die Aufgabe so großer geschäftlicher Vorteile nur gegen Ent¬
schädigungen zugestanden werden kann, die für das Kalisyndikat große Opfer
bedeuten würden. Offenbar ist die Verwaltung von Aschersleben hinsichtlich
der Bradley-Verträge ihrer Sache sehr sicher, da sie die Dividendenerhöhung
ohne Rücksicht auf die Frage vorschlägt, ob sie nicht schließlich die Über-


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[0394] Rcichsspiegel durch Schaffung einer zentralen Notenbank, strenge Vorschriften über die Geld¬ anlage der Versicherungsgesellschaften, deren Bestände heute den Finanzmagnaten nur allzu bereitwillig zur Verfügung stehen, und letzten Endes eine Abkehr von dem extremen Schutzzollsystem, unter dessen Schutz allein sich die Monopolmacht der Trusts zu solcher Höhe entwickeln konnte. Die Verhandlungen des Kalisyndikats mit den amerikanischen Verbrauchern, über welche wir jüngst berichtet haben, sind zu einem vorläufigen Abschluß gediehen. Man hat sich über die Preisfrage und die den Amerikanern zu gemährenden Rabatte geeinigt. Dabei ist bemerkenswert, daß die Amerikaner Preise zugestanden haben, die für sie ungünstiger sind als die, welche sie bei den früheren Verhandlungen in New Aork zurückgewiesen haben. Offenbar hat also das Kalisyndikat in den Rabatten, über deren Höhe Ziffern einstweilen nicht bekannt sind, erhebliche Opfer gebracht. Mit diesen Vereinbarungen ist nun aber keineswegs der Kalikonflikt beseitigt. Man wird sich erinnern, daß der Schwerpunkt in der Frage liegt, wie die langlaufenden Verträge der amerikanischen Abnehmer mit den Kaliwerken Sollstedt und Aschersleben zu behandeln und unter welchen Bedingungen sie vom Kalisyndikat zu übernehmen seien. Von diesen Verträgen ist nun einstweilen nicht die Rede gewesen. Die Absprachen betreffen Lieferungsbedingungen, welche ohne Rücksicht auf die bestehenden Vertragsverpflichtungen festgesetzt worden sind. An den Verhand¬ lungen hat die International Agricultural Corporation, der sogenannte Schmidtmcmn-Trust, welcher das Kaliwerk Sollstedt besitzt, überhaupt nicht teilgenommen. Nun verlautet, die Amerikaner wollten die vielbesprochenen Verträge anfechten, obwohl sie in der Zwischenzeit, also nach Erlaß des Kali¬ gesetzes, die Option auf die Lieferung für die Jahr 1911 bis 191K ausgeübt haben. Die Kaliwerke Aschersleben wollen in gleicher Weise an den Richter behufs Durchführung ihrer Ansprüche appellieren. Einstweilen steht also eine Lösung der Schwierigkeiten noch in weiter Ferne. Der Jahresabschluß der Kaliwerke Aschersleben, der in diesen Tagen veröffentlicht worden ist, läßt deutlich die Größe dieser Schwierigkeiten erkennen. Denn es zeigt sich, daß durch die außersyndikatlichen Verkäufe das Werk erhebliche Vorteile erzielt hat. Der Ertrag des Kaligeschäftes hat sich um ^ Millionen gesteigert, der Rein¬ gewinn ist gegen das Vorjahr derart gewachsen, daß die Gesellschaft imstande ist, nicht nur die Dividende um 1 Prozent zu erhöhen, sondern volle zwei Millionen für Neuanlagen zurückzustellen und den Vortrag um 200000 Mark zu erhöhen. Die Aktionäre können also an sich mit der Geschäftsführung der Verwaltung voni Standpunkt der Gewinnerzielung nur zufrieden sein, und man begreift, daß die Aufgabe so großer geschäftlicher Vorteile nur gegen Ent¬ schädigungen zugestanden werden kann, die für das Kalisyndikat große Opfer bedeuten würden. Offenbar ist die Verwaltung von Aschersleben hinsichtlich der Bradley-Verträge ihrer Sache sehr sicher, da sie die Dividendenerhöhung ohne Rücksicht auf die Frage vorschlägt, ob sie nicht schließlich die Über-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/394>, abgerufen am 22.07.2024.