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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Geschäfte selbst machen will. Großafrikanische Ideen ans verkehrspolitischem
Gebiet sind unserer Ansicht nach verfrüht. Zunächst gilt es für die Kolonial¬
völker, ihre eigenen Kolonien richtig zu erschließen. Ist dies geschehen und sind die
Verkehrswege voll beschäftigt, so kommt der großafrikanische Verkehr von selbst.
Item: Uns sollte die Erschließung und Besiedelung unserer Kolonie zunächst
näher liegen als der imaginäre Kongoverkehr I

Die Spaltung im südwestafrikanischen Farmerbund, von der
neulich eine Kabelmeldung kurz berichtete, ist für denjenigen, der den Gang der
Dinge in Südwest auf Grund der drüben erscheinenden Zeitungen verfolgt hat,
nicht überraschend gekommen. Die MißHelligkeiten zwischen der Bundesleitung
und einer Anzahl angesehener Mitglieder hatte allmählich Formen angenommen,
daß eine Kraftprobe der beiden Parteien unvermeidlich war. Es liegt uns um
fern, daraus, daß die Partei des bisherigen Vorsitzenden Erdmann unterlegen
ist, ohne weiteres zu folgern, daß auf seiner Seite allein die Schuld an dem
offenen Krach liege. Erdmann gebührt zweifellos ein gut Teil des Verdienstes
für die Organisation der südwestafrikauischen Farmer. Aber es gibt doch zu
denken, daß auf dem Farmertaq sich von den dreizehn Delegierten der einzelnen
Farmervereine zehn von ihm abwandten und den Bund mit einem anderen
Vorsitzenden neu konstituierten, während nur drei Vereine bei ihm blieben.

Die Leitung des Bundes durch Herrn Erdmann hatte einen stark diktato¬
rischen Charakter, und da es uuter den Mitgliedern auch noch andere Persön¬
lichkeiten mit Erfahrung, Organisationstalent und -- harten Köpfen gibt, so
konnten Meinungsverschiedenheiten nicht ausbleiben. Doch das alles hätte sich
ausgleichen lassen, wenn sich nicht mit der steigenden Entwicklung der Kolonie
und der Organisation ihrer Berufsstäude Keime von Konflikten zwischen
der heimischen und kolonialen Wirtschaftspolitik gezeigt hätten. Das
Rückgrat von Südwest bildet die Farmwirtschaft, die mächtigste wirtschaftliche
Organisation der Kolonie ist der Farmerbund. Es lag durchaus nahe, wenn
dieser bei den heimischen Organisationen der Landwirtschaft, namentlich dem
Bund der Landwirte, Verständnis für seine Bedürfnisse voraussetzte und von
ihnen Unterstützung auf politischen: Gebiet erhoffte. Die Annäherung des Farmer¬
bundes an den Bund der Landwirte schien also ein erstrebenswertes Ziel und
wurde von dem Vorsitzenden des Farmerbundes, Erdmann, eifrig betrieben. Darin
lag eine Gedankenlosigkeit, wie die südwestafrikanischen Farmer bald merken sollten.
Im Bund der Landwirte hatte man für das wohl vorwiegend altruistische Gefühl,
das die Südwestafrikaner zu ihnen trieb, wenig Sinn und fragte sich nüchtern,
ob der heimischen Landwirtschaft aus der kolonialen nicht vielleicht eine Kon¬
kurrenz erwachsen könnte. Eines Tages -- es war im Januar 1910 -- wurde
dieser Besorgnis im Organ des Bundes der Landwirte, der Deutschen Tages¬
zeitung, unverblümt Ausdruck gegeben, als Dernburg von der Notwendigkeit
des Fleischexports für die füdwestafrikanischen Farmer gesprochen hatte. Von
diesem Zeitpunkte an datiert die erste Opposition im Farmerbund gegen die


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Geschäfte selbst machen will. Großafrikanische Ideen ans verkehrspolitischem
Gebiet sind unserer Ansicht nach verfrüht. Zunächst gilt es für die Kolonial¬
völker, ihre eigenen Kolonien richtig zu erschließen. Ist dies geschehen und sind die
Verkehrswege voll beschäftigt, so kommt der großafrikanische Verkehr von selbst.
Item: Uns sollte die Erschließung und Besiedelung unserer Kolonie zunächst
näher liegen als der imaginäre Kongoverkehr I

Die Spaltung im südwestafrikanischen Farmerbund, von der
neulich eine Kabelmeldung kurz berichtete, ist für denjenigen, der den Gang der
Dinge in Südwest auf Grund der drüben erscheinenden Zeitungen verfolgt hat,
nicht überraschend gekommen. Die MißHelligkeiten zwischen der Bundesleitung
und einer Anzahl angesehener Mitglieder hatte allmählich Formen angenommen,
daß eine Kraftprobe der beiden Parteien unvermeidlich war. Es liegt uns um
fern, daraus, daß die Partei des bisherigen Vorsitzenden Erdmann unterlegen
ist, ohne weiteres zu folgern, daß auf seiner Seite allein die Schuld an dem
offenen Krach liege. Erdmann gebührt zweifellos ein gut Teil des Verdienstes
für die Organisation der südwestafrikauischen Farmer. Aber es gibt doch zu
denken, daß auf dem Farmertaq sich von den dreizehn Delegierten der einzelnen
Farmervereine zehn von ihm abwandten und den Bund mit einem anderen
Vorsitzenden neu konstituierten, während nur drei Vereine bei ihm blieben.

Die Leitung des Bundes durch Herrn Erdmann hatte einen stark diktato¬
rischen Charakter, und da es uuter den Mitgliedern auch noch andere Persön¬
lichkeiten mit Erfahrung, Organisationstalent und — harten Köpfen gibt, so
konnten Meinungsverschiedenheiten nicht ausbleiben. Doch das alles hätte sich
ausgleichen lassen, wenn sich nicht mit der steigenden Entwicklung der Kolonie
und der Organisation ihrer Berufsstäude Keime von Konflikten zwischen
der heimischen und kolonialen Wirtschaftspolitik gezeigt hätten. Das
Rückgrat von Südwest bildet die Farmwirtschaft, die mächtigste wirtschaftliche
Organisation der Kolonie ist der Farmerbund. Es lag durchaus nahe, wenn
dieser bei den heimischen Organisationen der Landwirtschaft, namentlich dem
Bund der Landwirte, Verständnis für seine Bedürfnisse voraussetzte und von
ihnen Unterstützung auf politischen: Gebiet erhoffte. Die Annäherung des Farmer¬
bundes an den Bund der Landwirte schien also ein erstrebenswertes Ziel und
wurde von dem Vorsitzenden des Farmerbundes, Erdmann, eifrig betrieben. Darin
lag eine Gedankenlosigkeit, wie die südwestafrikanischen Farmer bald merken sollten.
Im Bund der Landwirte hatte man für das wohl vorwiegend altruistische Gefühl,
das die Südwestafrikaner zu ihnen trieb, wenig Sinn und fragte sich nüchtern,
ob der heimischen Landwirtschaft aus der kolonialen nicht vielleicht eine Kon¬
kurrenz erwachsen könnte. Eines Tages — es war im Januar 1910 — wurde
dieser Besorgnis im Organ des Bundes der Landwirte, der Deutschen Tages¬
zeitung, unverblümt Ausdruck gegeben, als Dernburg von der Notwendigkeit
des Fleischexports für die füdwestafrikanischen Farmer gesprochen hatte. Von
diesem Zeitpunkte an datiert die erste Opposition im Farmerbund gegen die


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[0390] Rcichsspiegcl Geschäfte selbst machen will. Großafrikanische Ideen ans verkehrspolitischem Gebiet sind unserer Ansicht nach verfrüht. Zunächst gilt es für die Kolonial¬ völker, ihre eigenen Kolonien richtig zu erschließen. Ist dies geschehen und sind die Verkehrswege voll beschäftigt, so kommt der großafrikanische Verkehr von selbst. Item: Uns sollte die Erschließung und Besiedelung unserer Kolonie zunächst näher liegen als der imaginäre Kongoverkehr I Die Spaltung im südwestafrikanischen Farmerbund, von der neulich eine Kabelmeldung kurz berichtete, ist für denjenigen, der den Gang der Dinge in Südwest auf Grund der drüben erscheinenden Zeitungen verfolgt hat, nicht überraschend gekommen. Die MißHelligkeiten zwischen der Bundesleitung und einer Anzahl angesehener Mitglieder hatte allmählich Formen angenommen, daß eine Kraftprobe der beiden Parteien unvermeidlich war. Es liegt uns um fern, daraus, daß die Partei des bisherigen Vorsitzenden Erdmann unterlegen ist, ohne weiteres zu folgern, daß auf seiner Seite allein die Schuld an dem offenen Krach liege. Erdmann gebührt zweifellos ein gut Teil des Verdienstes für die Organisation der südwestafrikauischen Farmer. Aber es gibt doch zu denken, daß auf dem Farmertaq sich von den dreizehn Delegierten der einzelnen Farmervereine zehn von ihm abwandten und den Bund mit einem anderen Vorsitzenden neu konstituierten, während nur drei Vereine bei ihm blieben. Die Leitung des Bundes durch Herrn Erdmann hatte einen stark diktato¬ rischen Charakter, und da es uuter den Mitgliedern auch noch andere Persön¬ lichkeiten mit Erfahrung, Organisationstalent und — harten Köpfen gibt, so konnten Meinungsverschiedenheiten nicht ausbleiben. Doch das alles hätte sich ausgleichen lassen, wenn sich nicht mit der steigenden Entwicklung der Kolonie und der Organisation ihrer Berufsstäude Keime von Konflikten zwischen der heimischen und kolonialen Wirtschaftspolitik gezeigt hätten. Das Rückgrat von Südwest bildet die Farmwirtschaft, die mächtigste wirtschaftliche Organisation der Kolonie ist der Farmerbund. Es lag durchaus nahe, wenn dieser bei den heimischen Organisationen der Landwirtschaft, namentlich dem Bund der Landwirte, Verständnis für seine Bedürfnisse voraussetzte und von ihnen Unterstützung auf politischen: Gebiet erhoffte. Die Annäherung des Farmer¬ bundes an den Bund der Landwirte schien also ein erstrebenswertes Ziel und wurde von dem Vorsitzenden des Farmerbundes, Erdmann, eifrig betrieben. Darin lag eine Gedankenlosigkeit, wie die südwestafrikanischen Farmer bald merken sollten. Im Bund der Landwirte hatte man für das wohl vorwiegend altruistische Gefühl, das die Südwestafrikaner zu ihnen trieb, wenig Sinn und fragte sich nüchtern, ob der heimischen Landwirtschaft aus der kolonialen nicht vielleicht eine Kon¬ kurrenz erwachsen könnte. Eines Tages — es war im Januar 1910 — wurde dieser Besorgnis im Organ des Bundes der Landwirte, der Deutschen Tages¬ zeitung, unverblümt Ausdruck gegeben, als Dernburg von der Notwendigkeit des Fleischexports für die füdwestafrikanischen Farmer gesprochen hatte. Von diesem Zeitpunkte an datiert die erste Opposition im Farmerbund gegen die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/390>, abgerufen am 23.07.2024.