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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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maßgebliches und Unmaßgebliches

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Landwirtschaftsrates vom Februar 19og vor
übertriebenen Hoffnungen gewarnt; ich bin
sogar damals von einigen Zuhörern dahin
mißverstanden worden, als ob ich speziell bor
ilberlandzeutralen mit Wasserkraft gewarnt
hätte, während ich tatsächlich nur erklärt habe,
man dürfe an die Ausführung einer der¬
artigen Anlage nur herantreten, wenn alle
Bedingungen der Erzeugung und des Ver¬
brauches von erfahrenen Fachmännern ans
das genaueste durchgerechnet seien. Körper¬
schaften, welche die erforderliche Übersicht be¬
sitzen, haben dann auch in der letzten Zeit
Werlandzentralen angelegt, die alle Aussicht
auf gutes Gedeihen bieten, und das, ohne
von den Elektrizitätssirmen in Bewegung gesetzt
zu sein. Einige Beispiele, die nur gerade zur
Hand sind, werden genügen, um das darzu-
tun: Die Zentrale Auricher Wiesmoor ist von
der Regierung gegründet. Die rührige Land-
wirtschciftskammer Halle entwirft Werland-
zentrnlen, bildet Genossenschaften und hat die
Firmen erst aufgefordert, Akouisition in den
einzelnen Ortschaften zu treiben, nachdem diese
allgemeinen Schritte erledigt waren, so z. B.
in den Kreisen Saalkreis-Bitterfeld; ähnlich
Liebenwerda im Königreich Sachsen. Die
Provinz Pommern hat zur Planmäßigen Ver¬
sorgung der Provinz 4 Millionen bewilligt,
hat einen erfahrenen Mann als Oberingenieur
der Provinz angestellt, hat die Überland-
zentrale Belgnrd A.G. bereits gegründet, geht
an die Errichtung einer zweiten Werland-
zeutrale in Stettin und will noch zwei weitere
Merlan dzentralcn folgen lassen. Die Land¬
wirtschaftskammer Hannover schickt sich an,
ihrem Beispiel zu folgen, und die Probinzen
Ost- und Westpreußen Planen ähnliches. In
all diesen Fällen werden die Elektrizitäts¬
firmen erst nachträglich zur Mitwirkung ein¬
geladen. Es mag richtig sein, daß der einzelne
Alquisitionsingenieur hier und da auch auf
Gründungen lossteuert, deren Ausführung sich
nicht empfiehlt, aber über ihm steht die Zentral¬
verwaltung seiner Firma, und diese berichtigt
ihren Vertreter, wenn er schlechte oder zweifel¬
hafte Gründungspläne vorlegt. In der ersten
Periode des Jentralenaufschwunges, in den
neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts,
sind wohl tatsächlich Mißgriffe vorgekommen,
aber die Erfahrungen, welche damals gemacht

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wurden, haben ihre Frucht getragen. Die
Anstellung elektrotechnischer Berater bei Pro¬
vinzen und Staatsregierungen hat in der
letzten Zeit stark zugenommen.

Herr Lesser hält die Annahmen, auf Grund
deren das Leitungsnetz einer Zentrale geplant
wird, für völlig Phantastisch und meint, wenn
jemand eine unverbindliche Angabe über seinen
voraussichtlichen Stromverbrauch macht, so sei
damit wenig erreicht, "denn eine bindende
Zusage, nun fünf oder gar zehn Jahre lang
jährlich soundso viel Kilowattstunden ab¬
nehmen oder bezahlen zu wollen, ist doch nicht
zu erreichen". Daß die meisten Leute sich
von vornherein nicht gern binden, ist richtig,
aber die Erfahrung hat gezeigt, daß die Ver¬
brauchsschätzungen auf Grund von unverbind¬
licher Zusagen hinreichend genau, nicht selten
sogar überraschend genau siud. Von hundert
Klienten, die bei der vorläufigen Befragung
unverbindlich die Stromabnahme in Aussicht
stellen, springen, wenn der verbindliche Be¬
stellschein an sie gelangt, etwa dreißig bis
vierzig ab, dafür treten aber neue Klienten
in ungefähr gleicher Anzahl zu, so daß die
ursprünglich geschätzte Abnehmerzahl meist nahe
erreicht, in vielen Fällen um ein geringes
überschritten wird.

Herr Lesser beklagt, daß die Zentralen viel¬
fach zu groß angelegt werden. Die Hoeltjesche
Statistik über siebenundzwanzig Zentralen,
deren er sich bedient, ist an sich für die Be¬
urteilung von Werlandverhältnissen wenig
geeignet. Sie ist angelegt mit dem speziellen
Zweck, den Wärmeverbrauch verschiedener Ma¬
schinen für die Kilowattstunde festzustellen.
Herr Hoeltje hat deswegen einerseits auch
Hotelzentrnlen und ähnliche in seine Statistik
aufgenommen und anderseits eine Reihe von
sehr kleinen Zentralen berücksichtigt, die mit
großen Werlandzentralen gar nicht verglichen
werden können. Auch muß man wissen, wie
derartige kleine Zentralen manchmal zustande
kommen und wie wenig sie als Maßstab für
die heutige Entwicklung des elektrischen Unter¬
nehmungswesens dienen können. Ich kenne
eine Hochspannungszentrale, bei welcher der
Mann die Maschine und seine Ehefrau das
Schaltbrett bedient.

Bei Zentralen, die auf großen Umfang
berechnet sind, besteht in der Tat die Neigung,

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maßgebliches und Unmaßgebliches

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Landwirtschaftsrates vom Februar 19og vor
übertriebenen Hoffnungen gewarnt; ich bin
sogar damals von einigen Zuhörern dahin
mißverstanden worden, als ob ich speziell bor
ilberlandzeutralen mit Wasserkraft gewarnt
hätte, während ich tatsächlich nur erklärt habe,
man dürfe an die Ausführung einer der¬
artigen Anlage nur herantreten, wenn alle
Bedingungen der Erzeugung und des Ver¬
brauches von erfahrenen Fachmännern ans
das genaueste durchgerechnet seien. Körper¬
schaften, welche die erforderliche Übersicht be¬
sitzen, haben dann auch in der letzten Zeit
Werlandzentralen angelegt, die alle Aussicht
auf gutes Gedeihen bieten, und das, ohne
von den Elektrizitätssirmen in Bewegung gesetzt
zu sein. Einige Beispiele, die nur gerade zur
Hand sind, werden genügen, um das darzu-
tun: Die Zentrale Auricher Wiesmoor ist von
der Regierung gegründet. Die rührige Land-
wirtschciftskammer Halle entwirft Werland-
zentrnlen, bildet Genossenschaften und hat die
Firmen erst aufgefordert, Akouisition in den
einzelnen Ortschaften zu treiben, nachdem diese
allgemeinen Schritte erledigt waren, so z. B.
in den Kreisen Saalkreis-Bitterfeld; ähnlich
Liebenwerda im Königreich Sachsen. Die
Provinz Pommern hat zur Planmäßigen Ver¬
sorgung der Provinz 4 Millionen bewilligt,
hat einen erfahrenen Mann als Oberingenieur
der Provinz angestellt, hat die Überland-
zentrale Belgnrd A.G. bereits gegründet, geht
an die Errichtung einer zweiten Werland-
zeutrale in Stettin und will noch zwei weitere
Merlan dzentralcn folgen lassen. Die Land¬
wirtschaftskammer Hannover schickt sich an,
ihrem Beispiel zu folgen, und die Probinzen
Ost- und Westpreußen Planen ähnliches. In
all diesen Fällen werden die Elektrizitäts¬
firmen erst nachträglich zur Mitwirkung ein¬
geladen. Es mag richtig sein, daß der einzelne
Alquisitionsingenieur hier und da auch auf
Gründungen lossteuert, deren Ausführung sich
nicht empfiehlt, aber über ihm steht die Zentral¬
verwaltung seiner Firma, und diese berichtigt
ihren Vertreter, wenn er schlechte oder zweifel¬
hafte Gründungspläne vorlegt. In der ersten
Periode des Jentralenaufschwunges, in den
neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts,
sind wohl tatsächlich Mißgriffe vorgekommen,
aber die Erfahrungen, welche damals gemacht

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wurden, haben ihre Frucht getragen. Die
Anstellung elektrotechnischer Berater bei Pro¬
vinzen und Staatsregierungen hat in der
letzten Zeit stark zugenommen.

Herr Lesser hält die Annahmen, auf Grund
deren das Leitungsnetz einer Zentrale geplant
wird, für völlig Phantastisch und meint, wenn
jemand eine unverbindliche Angabe über seinen
voraussichtlichen Stromverbrauch macht, so sei
damit wenig erreicht, „denn eine bindende
Zusage, nun fünf oder gar zehn Jahre lang
jährlich soundso viel Kilowattstunden ab¬
nehmen oder bezahlen zu wollen, ist doch nicht
zu erreichen". Daß die meisten Leute sich
von vornherein nicht gern binden, ist richtig,
aber die Erfahrung hat gezeigt, daß die Ver¬
brauchsschätzungen auf Grund von unverbind¬
licher Zusagen hinreichend genau, nicht selten
sogar überraschend genau siud. Von hundert
Klienten, die bei der vorläufigen Befragung
unverbindlich die Stromabnahme in Aussicht
stellen, springen, wenn der verbindliche Be¬
stellschein an sie gelangt, etwa dreißig bis
vierzig ab, dafür treten aber neue Klienten
in ungefähr gleicher Anzahl zu, so daß die
ursprünglich geschätzte Abnehmerzahl meist nahe
erreicht, in vielen Fällen um ein geringes
überschritten wird.

Herr Lesser beklagt, daß die Zentralen viel¬
fach zu groß angelegt werden. Die Hoeltjesche
Statistik über siebenundzwanzig Zentralen,
deren er sich bedient, ist an sich für die Be¬
urteilung von Werlandverhältnissen wenig
geeignet. Sie ist angelegt mit dem speziellen
Zweck, den Wärmeverbrauch verschiedener Ma¬
schinen für die Kilowattstunde festzustellen.
Herr Hoeltje hat deswegen einerseits auch
Hotelzentrnlen und ähnliche in seine Statistik
aufgenommen und anderseits eine Reihe von
sehr kleinen Zentralen berücksichtigt, die mit
großen Werlandzentralen gar nicht verglichen
werden können. Auch muß man wissen, wie
derartige kleine Zentralen manchmal zustande
kommen und wie wenig sie als Maßstab für
die heutige Entwicklung des elektrischen Unter¬
nehmungswesens dienen können. Ich kenne
eine Hochspannungszentrale, bei welcher der
Mann die Maschine und seine Ehefrau das
Schaltbrett bedient.

Bei Zentralen, die auf großen Umfang
berechnet sind, besteht in der Tat die Neigung,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/382>, abgerufen am 22.07.2024.