Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Geschichte Über die ersten beiden Bände von Gu,;li- den Staat entwickeln und EKvrtindnstrien Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Geschichte Über die ersten beiden Bände von Gu,;li- den Staat entwickeln und EKvrtindnstrien <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318659"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341893_318282/figures/grenzboten_341893_318282_318659_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <cb type="start"/> <div n="2"> <head> Geschichte</head> <p xml:id="ID_1652" next="#ID_1653"> Über die ersten beiden Bände von Gu,;li-<lb/> elmo Fcrreros „Größe und Nieder„a»n<lb/> Roms"(die deutscheUbersetznng von Ernst Kapff<lb/> erscheint bei Julius Hoffmnnn in Stuttgart)<lb/> ist im zweiten Bande des Jahrgangs 1908<lb/> der Grenzboten, S> 71 ff,, ausführlich berichtet<lb/> worden; den folgenden drei Bänden wurden<lb/> im erste» Bande des Jahrgangs 190!», S, 484,<lb/> und im merken Bande desselben Jahrgangs,<lb/> S. 479, kurze Notizen gewidmet. Dem Ver¬<lb/> hältnis des Volumens der ersten Bände zur<lb/> Länge der behandelten Zeit nach durfte man<lb/> herunten, der Verfasser würde uns in den<lb/> angekündigten sechs Bänden bis zum Unter¬<lb/> gänge des weströmischen Reiches führen, allein<lb/> der im vorigen Jahre erschienene sechste Band<lb/> schlicht mit dem Tode deS Augustus: die an<lb/> Gibbon erinnernde zweite Hälfte des Titels<lb/> erscheint also nicht gerechtfertigt. Wie Ferrero<lb/> als Geschichtsforscher von seinen Fnchgeiwsseu<lb/> eingeschätzt werden mag, weis; ich nicht, als<lb/> Geschichtsschreiber ist er ein Meister: die<lb/> leitenden Personen, das Volk und seine Zu-<lb/> stände läßt er in warmer Lebensfülle vor<lb/> unseren Augen erstehen, und jedes seiner<lb/> handlichen Bändchen ist eine angenehme<lb/> Nachtischlektüre, Sehr gründlich werden die<lb/> wirtschaftlichen Verhältnisse und Zustände<lb/> jedes Zeitabschnitts behandelt, was jn heute,<lb/> wo nicht bloß jeder Historiker, sondern jeder<lb/> Mensch mit ökonomischen Angen sehen gelernt<lb/> hat, viel leichter ist als in Mommseus oder<lb/> gnr in Gibbons Zeit; von den deutschen<lb/> Forschern hat in dieser Beziehung besonders<lb/> Ludwig Friedländer dem Italiener vorgear¬<lb/> beitet. Wir sehen im vorliegenden Bande<lb/> das rvmanisierte Gallien sich zu einem abend¬<lb/> ländischen Ägypten, zu einer Geldgnelle für</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_1653" prev="#ID_1652" next="#ID_1654"> den Staat entwickeln und EKvrtindnstrien<lb/> hervortreiben. Wir sehen in Italien einen<lb/> großenteils aus Veteranen und Leuten gallischer,<lb/> auch orientalischer Abkunft bestehenden neuen<lb/> Bauern- und Handwerkerstand gedeihen und<lb/> aus diesem eine Bourgeoisie der Empor¬<lb/> kömmlinge Heranswachsen, welcher der her¬<lb/> gebrachte Name „Ritterstand" verblieb. Wir<lb/> sehen auf diese Weise Italien nun endlich<lb/> wieder von seiner eigenen Arbeit leben, nicht<lb/> mehr vom Raube der Provinzen, der freilich<lb/> zur Begründung des neuen Mittelstandes<lb/> mitgeholfen hat. Als Augustus einen Vete¬<lb/> ranen, bei dem er zu Gaste war, nach der<lb/> Geschichte des Soldaten fragte, der für seinen<lb/> frevelhaften Angriff auf die Bildsäule der<lb/> Göttin Ann'i'dis mit Blindheit bestraft worden<lb/> sein soll, antwortete der Manu mit ver¬<lb/> schmitztem Lächeln: „Du verspeisest ein Stuck<lb/> von der Lende der Göttin," Er hatte den<lb/> Goldklumpen, den er, ohne zu erblinden, von<lb/> derStatue losgehauen, vortrefflich angewendet.<lb/> Wir werden über die Ursachen unterrichtet,<lb/> die in Oberitalien eine» tüchtigen Bauernstand<lb/> ermöglichte», Unteritalien in der ans Lati¬<lb/> fundien betriebenen Weidewirtschaft stecken<lb/> bleiben ließen, „Man gab sich damals Hin¬<lb/> sichtlich der wirtschaftlichen Möglichkeiten i»<lb/> Süditalien nicht den naiven Illusionen hin,<lb/> in denen sich die Jtnlieuer des zwanzigsten<lb/> Jahrhunderts ergehen," Und wir ^verstehen<lb/> ganz leicht, wie der neue Mittelstand „mit<lb/> seinem feisten Behagen", bei seiner geringen<lb/> Bildung dem Einfluß orientalischer Sklaven<lb/> »ud Freigelassener unterliegend, sehr bald<lb/> „das Gefühl für die politische Idee verlor,<lb/> die der unpersönlichen Hoheit des republi¬<lb/> kanischen Regiments mit dem Senat um der<lb/> Spitze zugrunde lag, und mehr und mehr in<lb/> den Bann der Person des Prinzips geriet",</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0376]
[Abbildung]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Geschichte Über die ersten beiden Bände von Gu,;li-
elmo Fcrreros „Größe und Nieder„a»n
Roms"(die deutscheUbersetznng von Ernst Kapff
erscheint bei Julius Hoffmnnn in Stuttgart)
ist im zweiten Bande des Jahrgangs 1908
der Grenzboten, S> 71 ff,, ausführlich berichtet
worden; den folgenden drei Bänden wurden
im erste» Bande des Jahrgangs 190!», S, 484,
und im merken Bande desselben Jahrgangs,
S. 479, kurze Notizen gewidmet. Dem Ver¬
hältnis des Volumens der ersten Bände zur
Länge der behandelten Zeit nach durfte man
herunten, der Verfasser würde uns in den
angekündigten sechs Bänden bis zum Unter¬
gänge des weströmischen Reiches führen, allein
der im vorigen Jahre erschienene sechste Band
schlicht mit dem Tode deS Augustus: die an
Gibbon erinnernde zweite Hälfte des Titels
erscheint also nicht gerechtfertigt. Wie Ferrero
als Geschichtsforscher von seinen Fnchgeiwsseu
eingeschätzt werden mag, weis; ich nicht, als
Geschichtsschreiber ist er ein Meister: die
leitenden Personen, das Volk und seine Zu-
stände läßt er in warmer Lebensfülle vor
unseren Augen erstehen, und jedes seiner
handlichen Bändchen ist eine angenehme
Nachtischlektüre, Sehr gründlich werden die
wirtschaftlichen Verhältnisse und Zustände
jedes Zeitabschnitts behandelt, was jn heute,
wo nicht bloß jeder Historiker, sondern jeder
Mensch mit ökonomischen Angen sehen gelernt
hat, viel leichter ist als in Mommseus oder
gnr in Gibbons Zeit; von den deutschen
Forschern hat in dieser Beziehung besonders
Ludwig Friedländer dem Italiener vorgear¬
beitet. Wir sehen im vorliegenden Bande
das rvmanisierte Gallien sich zu einem abend¬
ländischen Ägypten, zu einer Geldgnelle für
den Staat entwickeln und EKvrtindnstrien
hervortreiben. Wir sehen in Italien einen
großenteils aus Veteranen und Leuten gallischer,
auch orientalischer Abkunft bestehenden neuen
Bauern- und Handwerkerstand gedeihen und
aus diesem eine Bourgeoisie der Empor¬
kömmlinge Heranswachsen, welcher der her¬
gebrachte Name „Ritterstand" verblieb. Wir
sehen auf diese Weise Italien nun endlich
wieder von seiner eigenen Arbeit leben, nicht
mehr vom Raube der Provinzen, der freilich
zur Begründung des neuen Mittelstandes
mitgeholfen hat. Als Augustus einen Vete¬
ranen, bei dem er zu Gaste war, nach der
Geschichte des Soldaten fragte, der für seinen
frevelhaften Angriff auf die Bildsäule der
Göttin Ann'i'dis mit Blindheit bestraft worden
sein soll, antwortete der Manu mit ver¬
schmitztem Lächeln: „Du verspeisest ein Stuck
von der Lende der Göttin," Er hatte den
Goldklumpen, den er, ohne zu erblinden, von
derStatue losgehauen, vortrefflich angewendet.
Wir werden über die Ursachen unterrichtet,
die in Oberitalien eine» tüchtigen Bauernstand
ermöglichte», Unteritalien in der ans Lati¬
fundien betriebenen Weidewirtschaft stecken
bleiben ließen, „Man gab sich damals Hin¬
sichtlich der wirtschaftlichen Möglichkeiten i»
Süditalien nicht den naiven Illusionen hin,
in denen sich die Jtnlieuer des zwanzigsten
Jahrhunderts ergehen," Und wir ^verstehen
ganz leicht, wie der neue Mittelstand „mit
seinem feisten Behagen", bei seiner geringen
Bildung dem Einfluß orientalischer Sklaven
»ud Freigelassener unterliegend, sehr bald
„das Gefühl für die politische Idee verlor,
die der unpersönlichen Hoheit des republi¬
kanischen Regiments mit dem Senat um der
Spitze zugrunde lag, und mehr und mehr in
den Bann der Person des Prinzips geriet",
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