Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Beleidigung durch die Presse

Interesse berührt wird, während es doch darauf ankommt, daß der Beleidiger
ein öffentliches Interesse wahrzunehmen meinte.

3. Eine Prüfung der Tatsachen selbst braucht nicht verlangt zu werden.
Man muß sich im gegebenen Fall auch auf die Vertrauenswürdigkeit seines
Gewährsmannes oder ähnliche Momente berufen dürfen.

Darnach würde ich folgende Fassung vorschlagen:


"Äußerungen, die in der Absicht erfolgen, öffentliche Interessen wahr¬
zunehmen, sind straffrei, wenn der Täter bei sorgfältiger Prüfung hin¬
reichenden Grund hatte, sie für wahr zu halten."

Sehr berechtigt auch finde ich den Zusatz Stadthagens. Es ist in der Tat
unbillig, wegen übler Nachrede zu strafen, wenn der Wahrheitsbeweis durch
den Beleidigten selbst oder seine vorgesetzte Behörde vereitelt wird. Wer es
geht doch zu weit, wenn Stadthagen in solchem Falle nur eine wissentlich
unwahre Behauptung bestraft sehen will. Es ist wohl billig, daß sich hier die
Beweislast umkehrt. Aber wird die Unwahrheit bewiesen, so muß bestraft
werden, mag selbst der Täter in gutem Glauben gehandelt haben. Danach
würden die Worte "und wider besseres Wissen" zu streichen sein.

Die Revolverpresse aber wird meines Erachtens an dem vorgeschlagenen
Schutze nicht teilhaben. Ihrer kann man sich heute und wird sich künftig
genugsam erwehren können, wendet man § 192 des Strafgesetzbuchs auf sie so
an, wie sie es verdient. Denn bei ihr ist in der Tat das "Vorliegen", d.h.
die Absicht einer Beleidigung ohne weiteres meist schon aus dem "Umstände"
der Veröffentlichung in ihren nur dem Sensationsbedürfm'sse und nicht dem
"öffentlichen Interesse" dienenden Spalten zu entnehmen. Erscheint dies aber
ungenügend, so ziehe man folgenden Vorschlag in Erwägung: H 35 der Gewerbe¬
ordnung -- nach H 4 Abs. 2 des Preßgesetzes sind für den Betrieb des Pre߬
gewerbes die Bestimmungen der Gewerbeordnung maßgebend -- erhalte zwischen
Absatz 5 und 6 einen weiteren Absatz dahin:


"Der Verlag, die Herausgabe oder die Redaktion einer periodischen Druck¬
schrift kaun einer Person untersagt werden, die wiederholt (oder: mehr als
zweimal) wegen Behauptung oder Verbreitung einer ehrenrühriger Tat¬
sache (oder kurz: nach § 186 oder Z 187 Se. G. B.) bestraft ist. Diese
Bestimmung bleibt ausgeschlossen, wenn seit der letzten Verurteilung fünfJahre
verflossen sind. Eine Bestrafung bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und
der nächsten Verurteilung ein Zwischenraum von mehr als fünf Jahren liegt."

Diese Bestimmung hat eine Analogie in § 35 Abs. 4. wonach der Klein¬
handel mit Bier untersagt werden kann, wenn der Gewerbetreibende wiederholt
wegen verbotswidrigen Ausschanks bestraft ist. Gemäß H 35 Abs. 6 kann nach
Ablauf eines Jahres seit der Untersagung die Wiederaufnahme des Gewerbe¬
betriebs gestattet werden. Man braucht also allzu große Härten aus der vor-
ges chlagenen Bestimmung kaum zu besorgen.




Beleidigung durch die Presse

Interesse berührt wird, während es doch darauf ankommt, daß der Beleidiger
ein öffentliches Interesse wahrzunehmen meinte.

3. Eine Prüfung der Tatsachen selbst braucht nicht verlangt zu werden.
Man muß sich im gegebenen Fall auch auf die Vertrauenswürdigkeit seines
Gewährsmannes oder ähnliche Momente berufen dürfen.

Darnach würde ich folgende Fassung vorschlagen:


„Äußerungen, die in der Absicht erfolgen, öffentliche Interessen wahr¬
zunehmen, sind straffrei, wenn der Täter bei sorgfältiger Prüfung hin¬
reichenden Grund hatte, sie für wahr zu halten."

Sehr berechtigt auch finde ich den Zusatz Stadthagens. Es ist in der Tat
unbillig, wegen übler Nachrede zu strafen, wenn der Wahrheitsbeweis durch
den Beleidigten selbst oder seine vorgesetzte Behörde vereitelt wird. Wer es
geht doch zu weit, wenn Stadthagen in solchem Falle nur eine wissentlich
unwahre Behauptung bestraft sehen will. Es ist wohl billig, daß sich hier die
Beweislast umkehrt. Aber wird die Unwahrheit bewiesen, so muß bestraft
werden, mag selbst der Täter in gutem Glauben gehandelt haben. Danach
würden die Worte „und wider besseres Wissen" zu streichen sein.

Die Revolverpresse aber wird meines Erachtens an dem vorgeschlagenen
Schutze nicht teilhaben. Ihrer kann man sich heute und wird sich künftig
genugsam erwehren können, wendet man § 192 des Strafgesetzbuchs auf sie so
an, wie sie es verdient. Denn bei ihr ist in der Tat das „Vorliegen", d.h.
die Absicht einer Beleidigung ohne weiteres meist schon aus dem „Umstände"
der Veröffentlichung in ihren nur dem Sensationsbedürfm'sse und nicht dem
„öffentlichen Interesse" dienenden Spalten zu entnehmen. Erscheint dies aber
ungenügend, so ziehe man folgenden Vorschlag in Erwägung: H 35 der Gewerbe¬
ordnung — nach H 4 Abs. 2 des Preßgesetzes sind für den Betrieb des Pre߬
gewerbes die Bestimmungen der Gewerbeordnung maßgebend — erhalte zwischen
Absatz 5 und 6 einen weiteren Absatz dahin:


„Der Verlag, die Herausgabe oder die Redaktion einer periodischen Druck¬
schrift kaun einer Person untersagt werden, die wiederholt (oder: mehr als
zweimal) wegen Behauptung oder Verbreitung einer ehrenrühriger Tat¬
sache (oder kurz: nach § 186 oder Z 187 Se. G. B.) bestraft ist. Diese
Bestimmung bleibt ausgeschlossen, wenn seit der letzten Verurteilung fünfJahre
verflossen sind. Eine Bestrafung bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und
der nächsten Verurteilung ein Zwischenraum von mehr als fünf Jahren liegt."

Diese Bestimmung hat eine Analogie in § 35 Abs. 4. wonach der Klein¬
handel mit Bier untersagt werden kann, wenn der Gewerbetreibende wiederholt
wegen verbotswidrigen Ausschanks bestraft ist. Gemäß H 35 Abs. 6 kann nach
Ablauf eines Jahres seit der Untersagung die Wiederaufnahme des Gewerbe¬
betriebs gestattet werden. Man braucht also allzu große Härten aus der vor-
ges chlagenen Bestimmung kaum zu besorgen.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0324" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318607"/>
          <fw type="header" place="top"> Beleidigung durch die Presse</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1490" prev="#ID_1489"> Interesse berührt wird, während es doch darauf ankommt, daß der Beleidiger<lb/>
ein öffentliches Interesse wahrzunehmen meinte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1491"> 3. Eine Prüfung der Tatsachen selbst braucht nicht verlangt zu werden.<lb/>
Man muß sich im gegebenen Fall auch auf die Vertrauenswürdigkeit seines<lb/>
Gewährsmannes oder ähnliche Momente berufen dürfen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1492"> Darnach würde ich folgende Fassung vorschlagen:</p><lb/>
          <quote> &#x201E;Äußerungen, die in der Absicht erfolgen, öffentliche Interessen wahr¬<lb/>
zunehmen, sind straffrei, wenn der Täter bei sorgfältiger Prüfung hin¬<lb/>
reichenden Grund hatte, sie für wahr zu halten."</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_1493"> Sehr berechtigt auch finde ich den Zusatz Stadthagens.  Es ist in der Tat<lb/>
unbillig, wegen übler Nachrede zu strafen, wenn der Wahrheitsbeweis durch<lb/>
den Beleidigten selbst oder seine vorgesetzte Behörde vereitelt wird.  Wer es<lb/>
geht doch zu weit, wenn Stadthagen in solchem Falle nur eine wissentlich<lb/>
unwahre Behauptung bestraft sehen will.  Es ist wohl billig, daß sich hier die<lb/>
Beweislast umkehrt. Aber wird die Unwahrheit bewiesen, so muß bestraft<lb/>
werden, mag selbst der Täter in gutem Glauben gehandelt haben. Danach<lb/>
würden die Worte &#x201E;und wider besseres Wissen" zu streichen sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1494"> Die Revolverpresse aber wird meines Erachtens an dem vorgeschlagenen<lb/>
Schutze nicht teilhaben. Ihrer kann man sich heute und wird sich künftig<lb/>
genugsam erwehren können, wendet man § 192 des Strafgesetzbuchs auf sie so<lb/>
an, wie sie es verdient. Denn bei ihr ist in der Tat das &#x201E;Vorliegen", d.h.<lb/>
die Absicht einer Beleidigung ohne weiteres meist schon aus dem &#x201E;Umstände"<lb/>
der Veröffentlichung in ihren nur dem Sensationsbedürfm'sse und nicht dem<lb/>
&#x201E;öffentlichen Interesse" dienenden Spalten zu entnehmen. Erscheint dies aber<lb/>
ungenügend, so ziehe man folgenden Vorschlag in Erwägung: H 35 der Gewerbe¬<lb/>
ordnung &#x2014; nach H 4 Abs. 2 des Preßgesetzes sind für den Betrieb des Pre߬<lb/>
gewerbes die Bestimmungen der Gewerbeordnung maßgebend &#x2014; erhalte zwischen<lb/>
Absatz 5 und 6 einen weiteren Absatz dahin:</p><lb/>
          <quote> &#x201E;Der Verlag, die Herausgabe oder die Redaktion einer periodischen Druck¬<lb/>
schrift kaun einer Person untersagt werden, die wiederholt (oder: mehr als<lb/>
zweimal) wegen Behauptung oder Verbreitung einer ehrenrühriger Tat¬<lb/>
sache (oder kurz: nach § 186 oder Z 187 Se. G. B.) bestraft ist. Diese<lb/>
Bestimmung bleibt ausgeschlossen, wenn seit der letzten Verurteilung fünfJahre<lb/>
verflossen sind. Eine Bestrafung bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und<lb/>
der nächsten Verurteilung ein Zwischenraum von mehr als fünf Jahren liegt."</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_1495"> Diese Bestimmung hat eine Analogie in § 35 Abs. 4. wonach der Klein¬<lb/>
handel mit Bier untersagt werden kann, wenn der Gewerbetreibende wiederholt<lb/>
wegen verbotswidrigen Ausschanks bestraft ist.  Gemäß H 35 Abs. 6 kann nach<lb/>
Ablauf eines Jahres seit der Untersagung die Wiederaufnahme des Gewerbe¬<lb/>
betriebs gestattet werden.  Man braucht also allzu große Härten aus der vor-<lb/>
ges chlagenen Bestimmung kaum zu besorgen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0324] Beleidigung durch die Presse Interesse berührt wird, während es doch darauf ankommt, daß der Beleidiger ein öffentliches Interesse wahrzunehmen meinte. 3. Eine Prüfung der Tatsachen selbst braucht nicht verlangt zu werden. Man muß sich im gegebenen Fall auch auf die Vertrauenswürdigkeit seines Gewährsmannes oder ähnliche Momente berufen dürfen. Darnach würde ich folgende Fassung vorschlagen: „Äußerungen, die in der Absicht erfolgen, öffentliche Interessen wahr¬ zunehmen, sind straffrei, wenn der Täter bei sorgfältiger Prüfung hin¬ reichenden Grund hatte, sie für wahr zu halten." Sehr berechtigt auch finde ich den Zusatz Stadthagens. Es ist in der Tat unbillig, wegen übler Nachrede zu strafen, wenn der Wahrheitsbeweis durch den Beleidigten selbst oder seine vorgesetzte Behörde vereitelt wird. Wer es geht doch zu weit, wenn Stadthagen in solchem Falle nur eine wissentlich unwahre Behauptung bestraft sehen will. Es ist wohl billig, daß sich hier die Beweislast umkehrt. Aber wird die Unwahrheit bewiesen, so muß bestraft werden, mag selbst der Täter in gutem Glauben gehandelt haben. Danach würden die Worte „und wider besseres Wissen" zu streichen sein. Die Revolverpresse aber wird meines Erachtens an dem vorgeschlagenen Schutze nicht teilhaben. Ihrer kann man sich heute und wird sich künftig genugsam erwehren können, wendet man § 192 des Strafgesetzbuchs auf sie so an, wie sie es verdient. Denn bei ihr ist in der Tat das „Vorliegen", d.h. die Absicht einer Beleidigung ohne weiteres meist schon aus dem „Umstände" der Veröffentlichung in ihren nur dem Sensationsbedürfm'sse und nicht dem „öffentlichen Interesse" dienenden Spalten zu entnehmen. Erscheint dies aber ungenügend, so ziehe man folgenden Vorschlag in Erwägung: H 35 der Gewerbe¬ ordnung — nach H 4 Abs. 2 des Preßgesetzes sind für den Betrieb des Pre߬ gewerbes die Bestimmungen der Gewerbeordnung maßgebend — erhalte zwischen Absatz 5 und 6 einen weiteren Absatz dahin: „Der Verlag, die Herausgabe oder die Redaktion einer periodischen Druck¬ schrift kaun einer Person untersagt werden, die wiederholt (oder: mehr als zweimal) wegen Behauptung oder Verbreitung einer ehrenrühriger Tat¬ sache (oder kurz: nach § 186 oder Z 187 Se. G. B.) bestraft ist. Diese Bestimmung bleibt ausgeschlossen, wenn seit der letzten Verurteilung fünfJahre verflossen sind. Eine Bestrafung bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der nächsten Verurteilung ein Zwischenraum von mehr als fünf Jahren liegt." Diese Bestimmung hat eine Analogie in § 35 Abs. 4. wonach der Klein¬ handel mit Bier untersagt werden kann, wenn der Gewerbetreibende wiederholt wegen verbotswidrigen Ausschanks bestraft ist. Gemäß H 35 Abs. 6 kann nach Ablauf eines Jahres seit der Untersagung die Wiederaufnahme des Gewerbe¬ betriebs gestattet werden. Man braucht also allzu große Härten aus der vor- ges chlagenen Bestimmung kaum zu besorgen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/324
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/324>, abgerufen am 26.08.2024.