Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.Theodor v. Schön und seine Beziehungen zu Lichendorff feurige Idealist, der ritterliche Romantiker, war ohne philosophische und poetische Daß Schön mit einem so nackensteifen und selbstlosen Wahrheitsfreund wie Schön kam am 20. Januar 1773 mit einer sogenannten Glückshaube zur Welt. Die vermöglichen Verhältnisse der Eltern waren der Erziehung Theodors nur Im gleichen Jahr wie Fichte, 1793, wurde Schön Freimaurer. Das Assessor¬ Theodor v. Schön und seine Beziehungen zu Lichendorff feurige Idealist, der ritterliche Romantiker, war ohne philosophische und poetische Daß Schön mit einem so nackensteifen und selbstlosen Wahrheitsfreund wie Schön kam am 20. Januar 1773 mit einer sogenannten Glückshaube zur Welt. Die vermöglichen Verhältnisse der Eltern waren der Erziehung Theodors nur Im gleichen Jahr wie Fichte, 1793, wurde Schön Freimaurer. Das Assessor¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0185" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318468"/> <fw type="header" place="top"> Theodor v. Schön und seine Beziehungen zu Lichendorff</fw><lb/> <p xml:id="ID_880" prev="#ID_879"> feurige Idealist, der ritterliche Romantiker, war ohne philosophische und poetische<lb/> Bildung, Schön dagegen mehr Verstandesmensch, eine durchaus moderne Natur,<lb/> Schüler Kants, Freund Fichtes, voll Wirklichkeitsfreude, Feind aller Phantome,<lb/> aller Rückständigkeit. Steins Ideale sind in der Tat andere gewesen als die<lb/> Schöns, andere als die, um deren Durchsetzung noch bis zum Schluß des neun¬<lb/> zehnten Jahrhunderts gekämpft wurde. Während Schön seinem Zeitgenossen Stein<lb/> eher gerecht wurde, verkannte er die volle Bedeutung Scharnhorsts, der zwar „durch<lb/> und durch edel im Charakter sei, mit einem hellen Verstände und mit gesundem<lb/> Urteil beschenkt, ein Vorbild unscheinbarer Pflichtmäßigkeit und Größe", aber<lb/> durchaus Liniensoldat, nicht vom Milizgedanken so beseelt wie Graf Dohna. Nun<lb/> hat jedoch die neuere militärische Entwicklung Scharnhorst recht gegeben, der die<lb/> allgemeine Volksbewaffnung im engsten Anschluß an das stehende Heer erstrebte,<lb/> ohne dieses durch ein selbständiges Volksheer zu ersetzen. Schön eben hatte' von<lb/> der Landwehr einen anderen Begriff als Scharnhorst. Doch die Tatsachen selbst<lb/> gab er stets richtig wieder. Seine Wahrheitsliebe ist über jeden Zweifel erhaben.</p><lb/> <p xml:id="ID_881"> Daß Schön mit einem so nackensteifen und selbstlosen Wahrheitsfreund wie<lb/> Eichendorff befreundet blieb bis ans Ende, daß sich beide über alles hochschätzten<lb/> und zu Hütern von Geheimnissen machten trotz des großen Rangunterschiedes, des<lb/> entschiedenen konfessionellen Gegensatzes, der stammheitlichen Verschiedenheiten, ist<lb/> nur ein neuer Beweis für die geschichtliche Glaubwürdigkeit desjenigen, der in<lb/> Wort und Schrift und Tat immer wieder auf seinen Grundsatz zurückkam: „Ein<lb/> Gouvernement, welches sich zu Fortschritten nur durch Ereignisse drängen läßt,<lb/> erhält sich selbst positiv immer in Gefahr und kann selbst niemals volles Vertrauen<lb/> beim Volke haben. Dagegen steht jedes Gouvernement unüberwindlich in voller<lb/> Glorie da, wenn es durch Einrichtungen und Anordnungen Ideen beim Volke<lb/> weckt und, soweit das Volk hierfür empfänglich ist, sie ins Leben setzt."</p><lb/> <p xml:id="ID_882"> Schön kam am 20. Januar 1773 mit einer sogenannten Glückshaube zur Welt.<lb/> Sein Vater Johann Theodor, Amtsrat und Domänenpächter zu Schreitlaugken in<lb/> Litauen, war ein gebildeter Mann, mit dem kein Geringerer als Kant in Verkehr<lb/> stand. Seine Mutter Johanna Dorothea, geborene Dallmer, nicht minder sorg¬<lb/> fältig erzogen, hinterließ ihren Kindern ein Testament, in dem die bezeichnenden<lb/> Worte stehen: „Gottes Segen wird in der Fülle über dem walten, der genügsam<lb/> ist; wie sehr entfernt war euer Vater und ich von Interesse, das könnt ihr alle<lb/> bezeigen, dahero sucht euren Ruhm in Gottesfurcht, Genügsamkeit, Zufriedenheit,<lb/> Fleiß, Rechtschaffenheit und Wohltun und nicht in Reichtum, und nicht durch<lb/> Schätze, die durch Habsucht erworben werden."</p><lb/> <p xml:id="ID_883"> Die vermöglichen Verhältnisse der Eltern waren der Erziehung Theodors nur<lb/> förderlich. An der Universität Königsberg seit 1789 entwickelte sich seine unbedingt<lb/> kantische Gesinnung. „Du mußt, weil du sollst" prägte sich mit Flammenschrift<lb/> in seinen Charakter ein. Ciceros „l)e okkiciis" weckte seine Lebensklugheit.</p><lb/> <p xml:id="ID_884"> Im gleichen Jahr wie Fichte, 1793, wurde Schön Freimaurer. Das Assessor¬<lb/> examen bestand er in Berlin. Eine große Reise durch Deutschland legte den Grund<lb/> zum angehenden Staatsmann. Er lernte das bloße Nationalitätsprinzip frühzeitig<lb/> verwerfen. Noch 1848 glaubte Schön zur Behauptung berechtigt zu sein, der<lb/> Rassenkrieg unserer Tage scheine seinen, Wesen nach ein Kampf der Nationalitäten<lb/> gegen die Staaten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0185]
Theodor v. Schön und seine Beziehungen zu Lichendorff
feurige Idealist, der ritterliche Romantiker, war ohne philosophische und poetische
Bildung, Schön dagegen mehr Verstandesmensch, eine durchaus moderne Natur,
Schüler Kants, Freund Fichtes, voll Wirklichkeitsfreude, Feind aller Phantome,
aller Rückständigkeit. Steins Ideale sind in der Tat andere gewesen als die
Schöns, andere als die, um deren Durchsetzung noch bis zum Schluß des neun¬
zehnten Jahrhunderts gekämpft wurde. Während Schön seinem Zeitgenossen Stein
eher gerecht wurde, verkannte er die volle Bedeutung Scharnhorsts, der zwar „durch
und durch edel im Charakter sei, mit einem hellen Verstände und mit gesundem
Urteil beschenkt, ein Vorbild unscheinbarer Pflichtmäßigkeit und Größe", aber
durchaus Liniensoldat, nicht vom Milizgedanken so beseelt wie Graf Dohna. Nun
hat jedoch die neuere militärische Entwicklung Scharnhorst recht gegeben, der die
allgemeine Volksbewaffnung im engsten Anschluß an das stehende Heer erstrebte,
ohne dieses durch ein selbständiges Volksheer zu ersetzen. Schön eben hatte' von
der Landwehr einen anderen Begriff als Scharnhorst. Doch die Tatsachen selbst
gab er stets richtig wieder. Seine Wahrheitsliebe ist über jeden Zweifel erhaben.
Daß Schön mit einem so nackensteifen und selbstlosen Wahrheitsfreund wie
Eichendorff befreundet blieb bis ans Ende, daß sich beide über alles hochschätzten
und zu Hütern von Geheimnissen machten trotz des großen Rangunterschiedes, des
entschiedenen konfessionellen Gegensatzes, der stammheitlichen Verschiedenheiten, ist
nur ein neuer Beweis für die geschichtliche Glaubwürdigkeit desjenigen, der in
Wort und Schrift und Tat immer wieder auf seinen Grundsatz zurückkam: „Ein
Gouvernement, welches sich zu Fortschritten nur durch Ereignisse drängen läßt,
erhält sich selbst positiv immer in Gefahr und kann selbst niemals volles Vertrauen
beim Volke haben. Dagegen steht jedes Gouvernement unüberwindlich in voller
Glorie da, wenn es durch Einrichtungen und Anordnungen Ideen beim Volke
weckt und, soweit das Volk hierfür empfänglich ist, sie ins Leben setzt."
Schön kam am 20. Januar 1773 mit einer sogenannten Glückshaube zur Welt.
Sein Vater Johann Theodor, Amtsrat und Domänenpächter zu Schreitlaugken in
Litauen, war ein gebildeter Mann, mit dem kein Geringerer als Kant in Verkehr
stand. Seine Mutter Johanna Dorothea, geborene Dallmer, nicht minder sorg¬
fältig erzogen, hinterließ ihren Kindern ein Testament, in dem die bezeichnenden
Worte stehen: „Gottes Segen wird in der Fülle über dem walten, der genügsam
ist; wie sehr entfernt war euer Vater und ich von Interesse, das könnt ihr alle
bezeigen, dahero sucht euren Ruhm in Gottesfurcht, Genügsamkeit, Zufriedenheit,
Fleiß, Rechtschaffenheit und Wohltun und nicht in Reichtum, und nicht durch
Schätze, die durch Habsucht erworben werden."
Die vermöglichen Verhältnisse der Eltern waren der Erziehung Theodors nur
förderlich. An der Universität Königsberg seit 1789 entwickelte sich seine unbedingt
kantische Gesinnung. „Du mußt, weil du sollst" prägte sich mit Flammenschrift
in seinen Charakter ein. Ciceros „l)e okkiciis" weckte seine Lebensklugheit.
Im gleichen Jahr wie Fichte, 1793, wurde Schön Freimaurer. Das Assessor¬
examen bestand er in Berlin. Eine große Reise durch Deutschland legte den Grund
zum angehenden Staatsmann. Er lernte das bloße Nationalitätsprinzip frühzeitig
verwerfen. Noch 1848 glaubte Schön zur Behauptung berechtigt zu sein, der
Rassenkrieg unserer Tage scheine seinen, Wesen nach ein Kampf der Nationalitäten
gegen die Staaten.
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