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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Höhere Schule und kommunale Selbstverwaltung

dienstalter über das staatliche Prinzip hinaus sind nicht im Gründungsakt ein¬
geschlossen, sie bedürfen also der Genehmigung durch die Stadtverordneten,
also einer neuen Gründung. Ebenso stellt die Änderung des Lehrgangs der
Anstalt, z. B. ihre Umwandlung, einen neuen Willensakt der Gründerin dar,
welcher von dem ersten verschieden ist. Sie kann also nicht von: Kuratorium
allein beschlossen werden.

Eine Beschränkung des Verfügungsrechtes der Stadt über ihr Eigentum
erwies sich auch darin als nötig, daß eine Benutzung des Schulgebäudes zu
anderen als Unterrichtszwecken nur durch die staatliche Behörde, also durch
Direktor und Proviuzial-Schulkollegium, erlaubt werden kann. In einen: Ver¬
fügungsrecht der Stadt mußte der Staat die Möglichkeit und Gefahr erblicken,
daß der Unterricht gestört werden könnte, für dessen ordnungsmäßige Durch¬
führung er verantwortlich .ist.

Doch diese Verantwortung und die Aufsichtspflicht drängten noch weiter.
Sind die von der Gemeinde bestellten Kuratorien eine Gemeindebehörde? Sie
können das nicht in vollen: Maße sein, da die Schulen selbst von der Kommune
getrennte, selbständige Institutionen sind. Daher sind die Verwaltungsorgane
dieser Institutionen auch in gewissem Sinne selbständig. Da aber die Institution
dem Staate dient, so steht auch das Verwaltungsorgan in Verbindung mit dem
Staate. Sie handelt naturgemäß im Auftrag dessen, der Veranstalter dieser
Institution ist. Dieser Veranstalter ist aber der Staat; also handelt das
Kuratorium "im Auftrage des Staates" und die staatliche Schulaufstchtsbehördc
ist auch "die vorgesetzte Behörde der Austaltskuratorien". Daher muß der
Staat auch die Wahl der einzelnen Kuratoren bestätigen und ist berechtigt,
sogar Ordnungsstrafen zu verhängen (Verfügung vom 20. August 1896 Deier
S. 12^ und Verfügung des Ministers des Innern und des Kultusministers vom
:;0. Dezember 1874 ^Beier S. 13^). So kommt auch in dieser Beziehung in
der Einrichtung der Kuratorien nur das Bestreben zur Geltung, das Aufsichts¬
recht des Staates, wie es die Verfügung fordert, zu sichern und wirksam zu
machen; die besonderen Verhältnisse der Kommune forderten diese Gestaltung.

Aus vorstehendem ergibt sich auch der Unterschied der Kuratorien von den
Schuldeputationen. Sie scheinen sich zwar rechtlich auch auf das Statut der
letzteren vom 26. Juni 1811 zu gründen, wie auch die ministerielle Verfügung
vom 11. Dezember 1867 nahe legt. Gerade die Verfügung begründet aber
den Unterschied der beiden Institutionen. Die Schuldeputationen verwalten in
erster Linie die Volksschulen. Die Schulen, deren Zweck über die gewöhnliche
Elementarbildung hinausgeht, sind freiwillige Gründungen der Gemeinde. Sie
ist nicht zur Gründung verpflichtet und kann daher ans diesen: "Geschenk" keine
Ansprüche auf Rechte ableiten. Für die höheren Schulen gelten also in ihrer
ganzen Reinheit die oben dargelegten Prinzipien des Allgemeinen Landrechts,
und die Ministerialverfügung vom 11. Dezember 1867 weist ausdrücklich jeden
Anspruch der Stadt auf Teilnahme an der Aufsicht zurück. Sie bestimmt die


Höhere Schule und kommunale Selbstverwaltung

dienstalter über das staatliche Prinzip hinaus sind nicht im Gründungsakt ein¬
geschlossen, sie bedürfen also der Genehmigung durch die Stadtverordneten,
also einer neuen Gründung. Ebenso stellt die Änderung des Lehrgangs der
Anstalt, z. B. ihre Umwandlung, einen neuen Willensakt der Gründerin dar,
welcher von dem ersten verschieden ist. Sie kann also nicht von: Kuratorium
allein beschlossen werden.

Eine Beschränkung des Verfügungsrechtes der Stadt über ihr Eigentum
erwies sich auch darin als nötig, daß eine Benutzung des Schulgebäudes zu
anderen als Unterrichtszwecken nur durch die staatliche Behörde, also durch
Direktor und Proviuzial-Schulkollegium, erlaubt werden kann. In einen: Ver¬
fügungsrecht der Stadt mußte der Staat die Möglichkeit und Gefahr erblicken,
daß der Unterricht gestört werden könnte, für dessen ordnungsmäßige Durch¬
führung er verantwortlich .ist.

Doch diese Verantwortung und die Aufsichtspflicht drängten noch weiter.
Sind die von der Gemeinde bestellten Kuratorien eine Gemeindebehörde? Sie
können das nicht in vollen: Maße sein, da die Schulen selbst von der Kommune
getrennte, selbständige Institutionen sind. Daher sind die Verwaltungsorgane
dieser Institutionen auch in gewissem Sinne selbständig. Da aber die Institution
dem Staate dient, so steht auch das Verwaltungsorgan in Verbindung mit dem
Staate. Sie handelt naturgemäß im Auftrag dessen, der Veranstalter dieser
Institution ist. Dieser Veranstalter ist aber der Staat; also handelt das
Kuratorium „im Auftrage des Staates" und die staatliche Schulaufstchtsbehördc
ist auch „die vorgesetzte Behörde der Austaltskuratorien". Daher muß der
Staat auch die Wahl der einzelnen Kuratoren bestätigen und ist berechtigt,
sogar Ordnungsstrafen zu verhängen (Verfügung vom 20. August 1896 Deier
S. 12^ und Verfügung des Ministers des Innern und des Kultusministers vom
:;0. Dezember 1874 ^Beier S. 13^). So kommt auch in dieser Beziehung in
der Einrichtung der Kuratorien nur das Bestreben zur Geltung, das Aufsichts¬
recht des Staates, wie es die Verfügung fordert, zu sichern und wirksam zu
machen; die besonderen Verhältnisse der Kommune forderten diese Gestaltung.

Aus vorstehendem ergibt sich auch der Unterschied der Kuratorien von den
Schuldeputationen. Sie scheinen sich zwar rechtlich auch auf das Statut der
letzteren vom 26. Juni 1811 zu gründen, wie auch die ministerielle Verfügung
vom 11. Dezember 1867 nahe legt. Gerade die Verfügung begründet aber
den Unterschied der beiden Institutionen. Die Schuldeputationen verwalten in
erster Linie die Volksschulen. Die Schulen, deren Zweck über die gewöhnliche
Elementarbildung hinausgeht, sind freiwillige Gründungen der Gemeinde. Sie
ist nicht zur Gründung verpflichtet und kann daher ans diesen: „Geschenk" keine
Ansprüche auf Rechte ableiten. Für die höheren Schulen gelten also in ihrer
ganzen Reinheit die oben dargelegten Prinzipien des Allgemeinen Landrechts,
und die Ministerialverfügung vom 11. Dezember 1867 weist ausdrücklich jeden
Anspruch der Stadt auf Teilnahme an der Aufsicht zurück. Sie bestimmt die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/90>, abgerufen am 24.07.2024.