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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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gesorgt, das; die Jahresberichte in Buchform im Buchhandel*) erscheinen. Der
Politiker und Publizist kann zufrieden sein: die Weißbücher waren ziemlich
unhandlich und versperrten viel Platz, während die Jahresberichte in der neuen
Form ein bequemes Nachschlagewerk bilden. Allerdings muß gesagt werden,
daß der vorliegende erste Band noch nicht ganz auf der Höhe steht. Das erklärt
sich aber daraus, daß die einzelnen Gouverneure bei Abfassung des Jahres¬
berichts von der neuen Ordnung der Dinge vorher keine Kenntnis hatten, und
daher ihre Berichte im früheren Umfang und in der bisher geübten mechanischen
Aufzählung aller im Berichtsjahre zuverzeichnenden Veränderungen und Neuerungen
eingereicht hatten. Es fragt sich übrigens, ob es nicht dabei bleiben muß und
die organische Verarbeitung des eingereichten Materials im Reichskolonialamt
zu bewerkstelligen ist, denn die Berichte für amtliche Zwecke und die für die
Öffentlichkeit herausgearbeitete Darstellung sind zwei Dinge, die nichts mit¬
einander zu tun haben. Wenn die Kolonialverwaltung die Berichte durch den
Buchhandel vertreiben will, so wird sie u. E. von der bisherigen mechanischen
Aufzählung abgehen und sich etwa das Nautilus-Jahrbuch zum Muster nehmen
müssen. Die Art, wie im neuen Jahresbericht der statistische Teil gekürzt ist,
scheint uns überdies nicht den praktischen Bedürfnissen zu entsprechen. Die
Übersicht über den Außenhandel der Kolonien nach Herkunfts- und Bestimmungs¬
ländern nimmt einen breiten Raum ein, der nach Lage der Sache durch große
weiße Flächen -- Naumverschwendung -- sein Gepräge erhält. Da in stei¬
gendem Maße an dem Handel der Kolonien das Mutterland beteiligt ist, durch¬
schnittlich mit 58 Prozent, in den afrikanischen Kolonien bis zu 80 Prozent, so
könnte diese Übersicht, die viele Seiten des Buches beansprucht, in Zukunft auf
die Angabe des Anteils der Hauptkonkurrenten und der wichtigsten Ein- und
Ausfuhrartikel im Textteil beschränkt werden, denn es ist für die Beurteilung der
Handelsverhältnisse doch ganz unerheblich, daß z. B. nach Togo aus Amerika
6 Kilogramm Kleidungsstücke für 200 Mark eingeführt oder aus Kamerun für
100 Mark Kuriositäten ausgeführt worden sind. Im Textteil ist es dieselbe
Sache. Es scheint uns doch für die Öffentlichkeit gleichgültig zu sein, daß
irgendwo auf einer Station ein paar Mutterschweine angeschafft oder ein
Assistentenhaus gebaut worden ist.

Dagegen vermißt man schmerzlich die in den Weißbüchern enthalten gewesene
Übersicht über die Ein- und Ausfuhr, nach Hafenplätzen gegliedert. Denn es
ist für die Beurteilung der Entwicklung und des Wertes eines bestimmten
Bezirks oder Produktionszweigs, oder der Bedeutung und Wirkung eines
geplanten oder vorhandenen Verkehrswegs sehr wichtig, zu erfahren, wie sich
die Ein- und Ausfuhr des in Frage kommenden Hafenplatzes gestaltet hat.
Um ein paar naheliegende Beispiele zu nennen, wäre es interessant, wenn man



") Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und der Südsee 1909/10. Unk¬
unde Jahresberichte, herausgegeben hoir Reichs - Kvlmiinlanit. Berlin 19t 1. Verlag bon
E, S, Mittler u, Sohn.
Reichsspiegcl

gesorgt, das; die Jahresberichte in Buchform im Buchhandel*) erscheinen. Der
Politiker und Publizist kann zufrieden sein: die Weißbücher waren ziemlich
unhandlich und versperrten viel Platz, während die Jahresberichte in der neuen
Form ein bequemes Nachschlagewerk bilden. Allerdings muß gesagt werden,
daß der vorliegende erste Band noch nicht ganz auf der Höhe steht. Das erklärt
sich aber daraus, daß die einzelnen Gouverneure bei Abfassung des Jahres¬
berichts von der neuen Ordnung der Dinge vorher keine Kenntnis hatten, und
daher ihre Berichte im früheren Umfang und in der bisher geübten mechanischen
Aufzählung aller im Berichtsjahre zuverzeichnenden Veränderungen und Neuerungen
eingereicht hatten. Es fragt sich übrigens, ob es nicht dabei bleiben muß und
die organische Verarbeitung des eingereichten Materials im Reichskolonialamt
zu bewerkstelligen ist, denn die Berichte für amtliche Zwecke und die für die
Öffentlichkeit herausgearbeitete Darstellung sind zwei Dinge, die nichts mit¬
einander zu tun haben. Wenn die Kolonialverwaltung die Berichte durch den
Buchhandel vertreiben will, so wird sie u. E. von der bisherigen mechanischen
Aufzählung abgehen und sich etwa das Nautilus-Jahrbuch zum Muster nehmen
müssen. Die Art, wie im neuen Jahresbericht der statistische Teil gekürzt ist,
scheint uns überdies nicht den praktischen Bedürfnissen zu entsprechen. Die
Übersicht über den Außenhandel der Kolonien nach Herkunfts- und Bestimmungs¬
ländern nimmt einen breiten Raum ein, der nach Lage der Sache durch große
weiße Flächen — Naumverschwendung — sein Gepräge erhält. Da in stei¬
gendem Maße an dem Handel der Kolonien das Mutterland beteiligt ist, durch¬
schnittlich mit 58 Prozent, in den afrikanischen Kolonien bis zu 80 Prozent, so
könnte diese Übersicht, die viele Seiten des Buches beansprucht, in Zukunft auf
die Angabe des Anteils der Hauptkonkurrenten und der wichtigsten Ein- und
Ausfuhrartikel im Textteil beschränkt werden, denn es ist für die Beurteilung der
Handelsverhältnisse doch ganz unerheblich, daß z. B. nach Togo aus Amerika
6 Kilogramm Kleidungsstücke für 200 Mark eingeführt oder aus Kamerun für
100 Mark Kuriositäten ausgeführt worden sind. Im Textteil ist es dieselbe
Sache. Es scheint uns doch für die Öffentlichkeit gleichgültig zu sein, daß
irgendwo auf einer Station ein paar Mutterschweine angeschafft oder ein
Assistentenhaus gebaut worden ist.

Dagegen vermißt man schmerzlich die in den Weißbüchern enthalten gewesene
Übersicht über die Ein- und Ausfuhr, nach Hafenplätzen gegliedert. Denn es
ist für die Beurteilung der Entwicklung und des Wertes eines bestimmten
Bezirks oder Produktionszweigs, oder der Bedeutung und Wirkung eines
geplanten oder vorhandenen Verkehrswegs sehr wichtig, zu erfahren, wie sich
die Ein- und Ausfuhr des in Frage kommenden Hafenplatzes gestaltet hat.
Um ein paar naheliegende Beispiele zu nennen, wäre es interessant, wenn man



") Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und der Südsee 1909/10. Unk¬
unde Jahresberichte, herausgegeben hoir Reichs - Kvlmiinlanit. Berlin 19t 1. Verlag bon
E, S, Mittler u, Sohn.
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[0466] Reichsspiegcl gesorgt, das; die Jahresberichte in Buchform im Buchhandel*) erscheinen. Der Politiker und Publizist kann zufrieden sein: die Weißbücher waren ziemlich unhandlich und versperrten viel Platz, während die Jahresberichte in der neuen Form ein bequemes Nachschlagewerk bilden. Allerdings muß gesagt werden, daß der vorliegende erste Band noch nicht ganz auf der Höhe steht. Das erklärt sich aber daraus, daß die einzelnen Gouverneure bei Abfassung des Jahres¬ berichts von der neuen Ordnung der Dinge vorher keine Kenntnis hatten, und daher ihre Berichte im früheren Umfang und in der bisher geübten mechanischen Aufzählung aller im Berichtsjahre zuverzeichnenden Veränderungen und Neuerungen eingereicht hatten. Es fragt sich übrigens, ob es nicht dabei bleiben muß und die organische Verarbeitung des eingereichten Materials im Reichskolonialamt zu bewerkstelligen ist, denn die Berichte für amtliche Zwecke und die für die Öffentlichkeit herausgearbeitete Darstellung sind zwei Dinge, die nichts mit¬ einander zu tun haben. Wenn die Kolonialverwaltung die Berichte durch den Buchhandel vertreiben will, so wird sie u. E. von der bisherigen mechanischen Aufzählung abgehen und sich etwa das Nautilus-Jahrbuch zum Muster nehmen müssen. Die Art, wie im neuen Jahresbericht der statistische Teil gekürzt ist, scheint uns überdies nicht den praktischen Bedürfnissen zu entsprechen. Die Übersicht über den Außenhandel der Kolonien nach Herkunfts- und Bestimmungs¬ ländern nimmt einen breiten Raum ein, der nach Lage der Sache durch große weiße Flächen — Naumverschwendung — sein Gepräge erhält. Da in stei¬ gendem Maße an dem Handel der Kolonien das Mutterland beteiligt ist, durch¬ schnittlich mit 58 Prozent, in den afrikanischen Kolonien bis zu 80 Prozent, so könnte diese Übersicht, die viele Seiten des Buches beansprucht, in Zukunft auf die Angabe des Anteils der Hauptkonkurrenten und der wichtigsten Ein- und Ausfuhrartikel im Textteil beschränkt werden, denn es ist für die Beurteilung der Handelsverhältnisse doch ganz unerheblich, daß z. B. nach Togo aus Amerika 6 Kilogramm Kleidungsstücke für 200 Mark eingeführt oder aus Kamerun für 100 Mark Kuriositäten ausgeführt worden sind. Im Textteil ist es dieselbe Sache. Es scheint uns doch für die Öffentlichkeit gleichgültig zu sein, daß irgendwo auf einer Station ein paar Mutterschweine angeschafft oder ein Assistentenhaus gebaut worden ist. Dagegen vermißt man schmerzlich die in den Weißbüchern enthalten gewesene Übersicht über die Ein- und Ausfuhr, nach Hafenplätzen gegliedert. Denn es ist für die Beurteilung der Entwicklung und des Wertes eines bestimmten Bezirks oder Produktionszweigs, oder der Bedeutung und Wirkung eines geplanten oder vorhandenen Verkehrswegs sehr wichtig, zu erfahren, wie sich die Ein- und Ausfuhr des in Frage kommenden Hafenplatzes gestaltet hat. Um ein paar naheliegende Beispiele zu nennen, wäre es interessant, wenn man ") Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und der Südsee 1909/10. Unk¬ unde Jahresberichte, herausgegeben hoir Reichs - Kvlmiinlanit. Berlin 19t 1. Verlag bon E, S, Mittler u, Sohn.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/466>, abgerufen am 24.07.2024.