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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Entschluß an der rechten Stelle -- nämlich im Reichstag -- genügend begründet
und die Übertreibungen zurückgewiesen, die sich gegen ihre Haltung richteten.
Im Zusammenhang damit hat sie auch weiter wiederholt auf die tatsächlichen
Erfolge hingewiesen, die immerhin auch mit der wirklich durchgeführten Lösung
der Finanzreformfrage erreicht worden sind. Darüber hinaus sich für die Auf¬
fassungen der Partei, die im besonderen diese Lösung herbeigeführt hat, einzu¬
setzen, kann der Regierung füglich nicht zugemutet werden, da ein anderer Zweck,
als dieser Partei über Wahlverlegenheiten hinwegzuhelfen, nicht
zu erkennen ist."

Der Antrag wurde uach dieser Absage schleunigst zurückgezogen. Aber
der Eindruck ist geblieben, daß die konservative Partei sich in ihrer gegen¬
wärtigen Lage höchst unbehaglich fühlt. Dieser Eindruck wird verstärkt durch
den Verlauf der Tagung des Bundes der Landwirte. Die sonst so imposante
Versammlung war äußerlich zwar auch diesmal gar stattlich anzuschauen. Doch
die in ihr gehaltenen Reden kamen, wenn man von der des Bundespräsidenten,
des Herrn v. Wangenheim, absieht, nicht über den Tiefstand demagogischer
Wahlreden hinaus. So darf der diesjährigen Versammlung nicht die über¬
ragende Bedeutung zugewiesen werden, die die früheren gehabt haben. --
Nur ein Moment wollen wir hervorheben, das bisher im Bunde der Landwirte
keine Rolle gespielt hatte. Ein Redner bezeichnete das Wirken des Bundes
als eine Kulturbewegung, und die Deutsche Tageszeitung erklärt und unterstreicht
die betreffenden Ausführungen, indem sie in Ur. 104 schreibt: "Wahre Kultur
ist bodenständig; - und der Bund der Landwirte ist bemüht, das Volk
bodenständig zu halten und zu machen. Wahre Kultur ist völkisch; -- und
der Bund der Landwirte tritt begeistert und entschieden ein für deutsche Art.
Wahre Kultur ist fittigend; -- und der Bund der Landwirte kämpft nicht nur
für die äußere Festigung des Landes und seiner Bebauer, sondern auch für
ihre innere Sittigung, für die Reinhaltung der Volksseele. Wahre Kultur ist
christlich, unchristliche und widerchristliche Überkultur ist ein fratzenhaftes Zerr¬
bild und führt schließlich zur Unkultur; -- und der Bund der Landwirte steht
auf dem Boden des lebendigen Christentums." Wenn auch die bisherige
Tätigkeit des Bundes nur wenig Ähnlichkeit mit einer Kulturbewegung
hatte, so können wir uns der wiedergegebenen Worte doch nur von Herzen
freuen. Meinen es die Führer des Bundes ernst damit, dann werden sie
nicht dabei stehen bleiben, die Landwirte allein technisch aufzuklären, sondern
auch bezüglich ihrer staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. Dann werden sie
auch manchen zum Nachdenken bringen, der bisher, durch die Agitation des
Bundes in seinem Egoismus bestärkt, ausschließlich seinen persönlichen In¬
teressen lebte.

Im Anschluß an die Tagung des Landbuudes trat der Gesamtausschuß
des Hansabundes zu einer mehrtägigen Besprechung zusammen. Die Ver¬
anstaltung hatte dadurch einen pikanten Anstrich gewonnen, daß sie der feind-


Entschluß an der rechten Stelle — nämlich im Reichstag — genügend begründet
und die Übertreibungen zurückgewiesen, die sich gegen ihre Haltung richteten.
Im Zusammenhang damit hat sie auch weiter wiederholt auf die tatsächlichen
Erfolge hingewiesen, die immerhin auch mit der wirklich durchgeführten Lösung
der Finanzreformfrage erreicht worden sind. Darüber hinaus sich für die Auf¬
fassungen der Partei, die im besonderen diese Lösung herbeigeführt hat, einzu¬
setzen, kann der Regierung füglich nicht zugemutet werden, da ein anderer Zweck,
als dieser Partei über Wahlverlegenheiten hinwegzuhelfen, nicht
zu erkennen ist."

Der Antrag wurde uach dieser Absage schleunigst zurückgezogen. Aber
der Eindruck ist geblieben, daß die konservative Partei sich in ihrer gegen¬
wärtigen Lage höchst unbehaglich fühlt. Dieser Eindruck wird verstärkt durch
den Verlauf der Tagung des Bundes der Landwirte. Die sonst so imposante
Versammlung war äußerlich zwar auch diesmal gar stattlich anzuschauen. Doch
die in ihr gehaltenen Reden kamen, wenn man von der des Bundespräsidenten,
des Herrn v. Wangenheim, absieht, nicht über den Tiefstand demagogischer
Wahlreden hinaus. So darf der diesjährigen Versammlung nicht die über¬
ragende Bedeutung zugewiesen werden, die die früheren gehabt haben. —
Nur ein Moment wollen wir hervorheben, das bisher im Bunde der Landwirte
keine Rolle gespielt hatte. Ein Redner bezeichnete das Wirken des Bundes
als eine Kulturbewegung, und die Deutsche Tageszeitung erklärt und unterstreicht
die betreffenden Ausführungen, indem sie in Ur. 104 schreibt: „Wahre Kultur
ist bodenständig; - und der Bund der Landwirte ist bemüht, das Volk
bodenständig zu halten und zu machen. Wahre Kultur ist völkisch; — und
der Bund der Landwirte tritt begeistert und entschieden ein für deutsche Art.
Wahre Kultur ist fittigend; — und der Bund der Landwirte kämpft nicht nur
für die äußere Festigung des Landes und seiner Bebauer, sondern auch für
ihre innere Sittigung, für die Reinhaltung der Volksseele. Wahre Kultur ist
christlich, unchristliche und widerchristliche Überkultur ist ein fratzenhaftes Zerr¬
bild und führt schließlich zur Unkultur; — und der Bund der Landwirte steht
auf dem Boden des lebendigen Christentums." Wenn auch die bisherige
Tätigkeit des Bundes nur wenig Ähnlichkeit mit einer Kulturbewegung
hatte, so können wir uns der wiedergegebenen Worte doch nur von Herzen
freuen. Meinen es die Führer des Bundes ernst damit, dann werden sie
nicht dabei stehen bleiben, die Landwirte allein technisch aufzuklären, sondern
auch bezüglich ihrer staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. Dann werden sie
auch manchen zum Nachdenken bringen, der bisher, durch die Agitation des
Bundes in seinem Egoismus bestärkt, ausschließlich seinen persönlichen In¬
teressen lebte.

Im Anschluß an die Tagung des Landbuudes trat der Gesamtausschuß
des Hansabundes zu einer mehrtägigen Besprechung zusammen. Die Ver¬
anstaltung hatte dadurch einen pikanten Anstrich gewonnen, daß sie der feind-


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[0464] Entschluß an der rechten Stelle — nämlich im Reichstag — genügend begründet und die Übertreibungen zurückgewiesen, die sich gegen ihre Haltung richteten. Im Zusammenhang damit hat sie auch weiter wiederholt auf die tatsächlichen Erfolge hingewiesen, die immerhin auch mit der wirklich durchgeführten Lösung der Finanzreformfrage erreicht worden sind. Darüber hinaus sich für die Auf¬ fassungen der Partei, die im besonderen diese Lösung herbeigeführt hat, einzu¬ setzen, kann der Regierung füglich nicht zugemutet werden, da ein anderer Zweck, als dieser Partei über Wahlverlegenheiten hinwegzuhelfen, nicht zu erkennen ist." Der Antrag wurde uach dieser Absage schleunigst zurückgezogen. Aber der Eindruck ist geblieben, daß die konservative Partei sich in ihrer gegen¬ wärtigen Lage höchst unbehaglich fühlt. Dieser Eindruck wird verstärkt durch den Verlauf der Tagung des Bundes der Landwirte. Die sonst so imposante Versammlung war äußerlich zwar auch diesmal gar stattlich anzuschauen. Doch die in ihr gehaltenen Reden kamen, wenn man von der des Bundespräsidenten, des Herrn v. Wangenheim, absieht, nicht über den Tiefstand demagogischer Wahlreden hinaus. So darf der diesjährigen Versammlung nicht die über¬ ragende Bedeutung zugewiesen werden, die die früheren gehabt haben. — Nur ein Moment wollen wir hervorheben, das bisher im Bunde der Landwirte keine Rolle gespielt hatte. Ein Redner bezeichnete das Wirken des Bundes als eine Kulturbewegung, und die Deutsche Tageszeitung erklärt und unterstreicht die betreffenden Ausführungen, indem sie in Ur. 104 schreibt: „Wahre Kultur ist bodenständig; - und der Bund der Landwirte ist bemüht, das Volk bodenständig zu halten und zu machen. Wahre Kultur ist völkisch; — und der Bund der Landwirte tritt begeistert und entschieden ein für deutsche Art. Wahre Kultur ist fittigend; — und der Bund der Landwirte kämpft nicht nur für die äußere Festigung des Landes und seiner Bebauer, sondern auch für ihre innere Sittigung, für die Reinhaltung der Volksseele. Wahre Kultur ist christlich, unchristliche und widerchristliche Überkultur ist ein fratzenhaftes Zerr¬ bild und führt schließlich zur Unkultur; — und der Bund der Landwirte steht auf dem Boden des lebendigen Christentums." Wenn auch die bisherige Tätigkeit des Bundes nur wenig Ähnlichkeit mit einer Kulturbewegung hatte, so können wir uns der wiedergegebenen Worte doch nur von Herzen freuen. Meinen es die Führer des Bundes ernst damit, dann werden sie nicht dabei stehen bleiben, die Landwirte allein technisch aufzuklären, sondern auch bezüglich ihrer staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. Dann werden sie auch manchen zum Nachdenken bringen, der bisher, durch die Agitation des Bundes in seinem Egoismus bestärkt, ausschließlich seinen persönlichen In¬ teressen lebte. Im Anschluß an die Tagung des Landbuudes trat der Gesamtausschuß des Hansabundes zu einer mehrtägigen Besprechung zusammen. Die Ver¬ anstaltung hatte dadurch einen pikanten Anstrich gewonnen, daß sie der feind-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/464>, abgerufen am 24.07.2024.