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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Das Baiumvollprsblcm

Nach den: Bericht des Sekretärs der Baumwollbörse zu New Orleans ist
der Ertrag des am 31. August 1910 beendeten Erntejahres der kleinste, der
seit sechs Jahren erzielt wurde. Die Gesamternte des Berichtsjahres betrug
10 609 668 Ballen gegen 13 825 457 Ballen des Vorjahres, und da ferner
das Stückgewicht der Ballen diesmal etwas geringer gewesen ist -- 506,02 IKs
gegen 513.30 IKs so reduziert sich die Balleuzahl für das Jahr 1909/10
auf 10 471 594, d. h. der Ernteertrag ist nach den: wirklichen Gewicht im
letzten Jahre um 3 353 863 Ballen oder 24,3 Prozent, also fast um ein volles
Viertel zurückgegangen, hat aber nichtsdestoweniger den höchsten bisher ver¬
zeichneten Geldbetrag eingebracht; denn der Gesamtwert der Ernte 1909/10
wird auf 778 894 095 Dollar angegeben, während der Wert der vorjährigen
mit einer um 3^ Millionen Ballen höheren Menge sich nur auf rund
684 Millionen Dollar belief. Obgleich der Mengencrtrag der letztjährigen Ernte
gegenüber den: Vorjahr um 24,3 Prozent niedriger war, stand der Geldwert
um 95 Millionen Dollar oder 13.9 Prozent höher.

Auch die ägyptische Baumwollernte ist nach den nunmehr vorliegenden
amtlichen Mitteilungen im Jahre 1909/10 eine überaus ungünstige gewesen:
denn der Rückgang hat gegen das Vorjahr um mehr als ein Viertel
abgenommen, übertrifft mithin im Verhältnis noch denjenigen der amerikanischen
Ernte. Für den ungünstigen Ausfall der Ernte ägyptischer Baumwolle, welche
bisher als besonders hochwertig galt, werden sehr bedenkliche Gründe angeführt,
nämlich die Abnutzung des Bodens und die Verschlechterung der Saat.
Da in Deutschland im Jahre 1909 431,6 Tonnen Rohbaumwolle im Werte
von 73,4 Millionen Mark, also ein Siebentel der Ernte des Jahres 1903/09,
aus Ägypten eingeführt wurde, so hat es in erheblichem Umfange unter der
außerordentlichen Preissteigerung dieser Provenienz zu leiden: Während die
Baumwolle am 29. März 1909 für den Maltermin mit 14 Tallari (1 Tallari
^ 4,15 M.) notierte, lauteten die Notierungen am 21. August bereits auf
18 Tallari; der Preis stieg dann weiter im Laufe des Geschäftsjahres auf
22"/g Tallari und der Maikontrakt 1910, wenn auch mir vombergeheud, auf
31^ Tallari/')

Unter deir enormen Produktionsschwanknngen in dem Hauptrohstoffgebiet
der Welt hat die europäische Textilindustrie schwer zu leiden, und der mangel¬
hafte Ausfall der letzten Ernte hat in den Baumwollzentren, besonders in
Lancashire, geradezu kritische Zustände gezeitigt, zumal diese Spinnereien schon
seit längerer Zeit wegen der andauernden Knappheit von Rohmaterial mit
großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

Die Spannung zwischen Baumwollerzeugung und -verbrauch, die Aus¬
dehnung der Industrie in den Erzeugungsländern und die Abhängigkeit von
den spekulativen Preistreibereien haben neuerdings bewirkt, daß die Länder,
welche einer starken Bammvolleinfuhr bedürfen, mehr und mehr dazu über-



*) Warnack- "Die Bcmmwollnot" (Deutsche Kolonialzeitung 1910, Ur. 40 und 1911, Ur. 6).
Das Baiumvollprsblcm

Nach den: Bericht des Sekretärs der Baumwollbörse zu New Orleans ist
der Ertrag des am 31. August 1910 beendeten Erntejahres der kleinste, der
seit sechs Jahren erzielt wurde. Die Gesamternte des Berichtsjahres betrug
10 609 668 Ballen gegen 13 825 457 Ballen des Vorjahres, und da ferner
das Stückgewicht der Ballen diesmal etwas geringer gewesen ist — 506,02 IKs
gegen 513.30 IKs so reduziert sich die Balleuzahl für das Jahr 1909/10
auf 10 471 594, d. h. der Ernteertrag ist nach den: wirklichen Gewicht im
letzten Jahre um 3 353 863 Ballen oder 24,3 Prozent, also fast um ein volles
Viertel zurückgegangen, hat aber nichtsdestoweniger den höchsten bisher ver¬
zeichneten Geldbetrag eingebracht; denn der Gesamtwert der Ernte 1909/10
wird auf 778 894 095 Dollar angegeben, während der Wert der vorjährigen
mit einer um 3^ Millionen Ballen höheren Menge sich nur auf rund
684 Millionen Dollar belief. Obgleich der Mengencrtrag der letztjährigen Ernte
gegenüber den: Vorjahr um 24,3 Prozent niedriger war, stand der Geldwert
um 95 Millionen Dollar oder 13.9 Prozent höher.

Auch die ägyptische Baumwollernte ist nach den nunmehr vorliegenden
amtlichen Mitteilungen im Jahre 1909/10 eine überaus ungünstige gewesen:
denn der Rückgang hat gegen das Vorjahr um mehr als ein Viertel
abgenommen, übertrifft mithin im Verhältnis noch denjenigen der amerikanischen
Ernte. Für den ungünstigen Ausfall der Ernte ägyptischer Baumwolle, welche
bisher als besonders hochwertig galt, werden sehr bedenkliche Gründe angeführt,
nämlich die Abnutzung des Bodens und die Verschlechterung der Saat.
Da in Deutschland im Jahre 1909 431,6 Tonnen Rohbaumwolle im Werte
von 73,4 Millionen Mark, also ein Siebentel der Ernte des Jahres 1903/09,
aus Ägypten eingeführt wurde, so hat es in erheblichem Umfange unter der
außerordentlichen Preissteigerung dieser Provenienz zu leiden: Während die
Baumwolle am 29. März 1909 für den Maltermin mit 14 Tallari (1 Tallari
^ 4,15 M.) notierte, lauteten die Notierungen am 21. August bereits auf
18 Tallari; der Preis stieg dann weiter im Laufe des Geschäftsjahres auf
22"/g Tallari und der Maikontrakt 1910, wenn auch mir vombergeheud, auf
31^ Tallari/')

Unter deir enormen Produktionsschwanknngen in dem Hauptrohstoffgebiet
der Welt hat die europäische Textilindustrie schwer zu leiden, und der mangel¬
hafte Ausfall der letzten Ernte hat in den Baumwollzentren, besonders in
Lancashire, geradezu kritische Zustände gezeitigt, zumal diese Spinnereien schon
seit längerer Zeit wegen der andauernden Knappheit von Rohmaterial mit
großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

Die Spannung zwischen Baumwollerzeugung und -verbrauch, die Aus¬
dehnung der Industrie in den Erzeugungsländern und die Abhängigkeit von
den spekulativen Preistreibereien haben neuerdings bewirkt, daß die Länder,
welche einer starken Bammvolleinfuhr bedürfen, mehr und mehr dazu über-



*) Warnack- „Die Bcmmwollnot" (Deutsche Kolonialzeitung 1910, Ur. 40 und 1911, Ur. 6).
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[0390] Das Baiumvollprsblcm Nach den: Bericht des Sekretärs der Baumwollbörse zu New Orleans ist der Ertrag des am 31. August 1910 beendeten Erntejahres der kleinste, der seit sechs Jahren erzielt wurde. Die Gesamternte des Berichtsjahres betrug 10 609 668 Ballen gegen 13 825 457 Ballen des Vorjahres, und da ferner das Stückgewicht der Ballen diesmal etwas geringer gewesen ist — 506,02 IKs gegen 513.30 IKs so reduziert sich die Balleuzahl für das Jahr 1909/10 auf 10 471 594, d. h. der Ernteertrag ist nach den: wirklichen Gewicht im letzten Jahre um 3 353 863 Ballen oder 24,3 Prozent, also fast um ein volles Viertel zurückgegangen, hat aber nichtsdestoweniger den höchsten bisher ver¬ zeichneten Geldbetrag eingebracht; denn der Gesamtwert der Ernte 1909/10 wird auf 778 894 095 Dollar angegeben, während der Wert der vorjährigen mit einer um 3^ Millionen Ballen höheren Menge sich nur auf rund 684 Millionen Dollar belief. Obgleich der Mengencrtrag der letztjährigen Ernte gegenüber den: Vorjahr um 24,3 Prozent niedriger war, stand der Geldwert um 95 Millionen Dollar oder 13.9 Prozent höher. Auch die ägyptische Baumwollernte ist nach den nunmehr vorliegenden amtlichen Mitteilungen im Jahre 1909/10 eine überaus ungünstige gewesen: denn der Rückgang hat gegen das Vorjahr um mehr als ein Viertel abgenommen, übertrifft mithin im Verhältnis noch denjenigen der amerikanischen Ernte. Für den ungünstigen Ausfall der Ernte ägyptischer Baumwolle, welche bisher als besonders hochwertig galt, werden sehr bedenkliche Gründe angeführt, nämlich die Abnutzung des Bodens und die Verschlechterung der Saat. Da in Deutschland im Jahre 1909 431,6 Tonnen Rohbaumwolle im Werte von 73,4 Millionen Mark, also ein Siebentel der Ernte des Jahres 1903/09, aus Ägypten eingeführt wurde, so hat es in erheblichem Umfange unter der außerordentlichen Preissteigerung dieser Provenienz zu leiden: Während die Baumwolle am 29. März 1909 für den Maltermin mit 14 Tallari (1 Tallari ^ 4,15 M.) notierte, lauteten die Notierungen am 21. August bereits auf 18 Tallari; der Preis stieg dann weiter im Laufe des Geschäftsjahres auf 22"/g Tallari und der Maikontrakt 1910, wenn auch mir vombergeheud, auf 31^ Tallari/') Unter deir enormen Produktionsschwanknngen in dem Hauptrohstoffgebiet der Welt hat die europäische Textilindustrie schwer zu leiden, und der mangel¬ hafte Ausfall der letzten Ernte hat in den Baumwollzentren, besonders in Lancashire, geradezu kritische Zustände gezeitigt, zumal diese Spinnereien schon seit längerer Zeit wegen der andauernden Knappheit von Rohmaterial mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Die Spannung zwischen Baumwollerzeugung und -verbrauch, die Aus¬ dehnung der Industrie in den Erzeugungsländern und die Abhängigkeit von den spekulativen Preistreibereien haben neuerdings bewirkt, daß die Länder, welche einer starken Bammvolleinfuhr bedürfen, mehr und mehr dazu über- *) Warnack- „Die Bcmmwollnot" (Deutsche Kolonialzeitung 1910, Ur. 40 und 1911, Ur. 6).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/390>, abgerufen am 04.07.2024.