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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Das Bcmmwollproblem

Baumwollindustrie eine Lebensfrage für unsere nationale Volkswirtschaft ge¬
worden ist.

Wenn anch der Absatz im Innern, wie schon erwähnt, stetig zunimmt, so
sind die Aussichten für die Industrie leider nicht als günstig zu bezeichnen, da
sich die für die Baumwollfabrikate so wichtigen Verhältnisse der Ausfuhr immer
schwieriger gestalten. Während einerseits unseren Fabrikaten durch hohe Zölle
mehr und mehr der Eingang versperrt wird, sind sie anderseits einem verstärkten
Wettbewerb ausgesetzt, da sich neuerdings in steigendem Maße die Neigung zeigt,
selbst Baumwollartikel herzustellen, um allmählich die übrigen Länder nicht mehr
mit den Rohstoffen, sondern mit Fabrikaten zu versorgen, und zwar läßt sich
diese Entwicklung deutlich aus der verschieden starken Zunahme der Spindelzahl
in den in folgender Tabelle aufgeführten Gebieten erkennen:

G euieteSpindeln in Millionen
1800 ^ I.März 1010Znnahnie
in Prozenten
Vereinigte Staaten . .14,628,001,8
Ostindien......3,46.170,4
Europäischer Kontinent ,26,040,25,4,6
<>!roh;britn"rien ....44,828,710,0

Während die beiden ersten Gebiete selbst Rohbaumwolle erzeugen, sind die
beiden letzten im Bezüge derselben vom Auslande abhängig. Wie die Tabelle
zeigt, hat sich die Spindelzahl der Vereinigten Staaten in den letzten zwanzig Jahren
beinahe verdoppelt, die des europäischen Kontinents hat sich nur um etwas über
die Hälfte und diejenige Großbritanniens um ein Fünftel vermehrt.

Hat die deutsche Baumwollindustrie auf der einen Seite unter Absatzschwierig¬
keiten zu leiden, so gestaltet sich auf der anderen Seite die Rohstoffversorgung
immer schwieriger, und es taucht die Frage auf, ob die Produktion der Roh¬
baumwolle mit dem immer stärker steigenden Verbrauch Schritt halten wird, so
daß unsere Industrie auch für die Zukunft auf eine ausreichende und preiswerte
Deckung ihres Rohbedarfs rechnen kann.

In der Erzeugung von Rohbaumwolle haben sich die Vereinigten Staaten
von Amerika eine geradezu weltbeherrschende Stellung erworben; denn von der
Baumwollernte der Welt, die im Jahre 1908/09 rund 22,5 Millionen Ballen
betrug, entfielen auf die Vereinigten Staaten 13,8, auf Ägypten 0,9 und auf
die sonstigen Produktionsgebiete 3,1 Millionen Ballen. Da ans diesem Grunde
die Produktion von Ägypten und den anderen Gebieten für unsere Versorgung
nur in geringerem Maße in Betracht kommt, so sind wir hinsichtlich der Einfuhr
von Baumwolle von den Vereinigten Staaten völlig abhängig, wie auch aus
folgender Tabelle hervorgeht:


Das Bcmmwollproblem

Baumwollindustrie eine Lebensfrage für unsere nationale Volkswirtschaft ge¬
worden ist.

Wenn anch der Absatz im Innern, wie schon erwähnt, stetig zunimmt, so
sind die Aussichten für die Industrie leider nicht als günstig zu bezeichnen, da
sich die für die Baumwollfabrikate so wichtigen Verhältnisse der Ausfuhr immer
schwieriger gestalten. Während einerseits unseren Fabrikaten durch hohe Zölle
mehr und mehr der Eingang versperrt wird, sind sie anderseits einem verstärkten
Wettbewerb ausgesetzt, da sich neuerdings in steigendem Maße die Neigung zeigt,
selbst Baumwollartikel herzustellen, um allmählich die übrigen Länder nicht mehr
mit den Rohstoffen, sondern mit Fabrikaten zu versorgen, und zwar läßt sich
diese Entwicklung deutlich aus der verschieden starken Zunahme der Spindelzahl
in den in folgender Tabelle aufgeführten Gebieten erkennen:

G euieteSpindeln in Millionen
1800 ^ I.März 1010Znnahnie
in Prozenten
Vereinigte Staaten . .14,628,001,8
Ostindien......3,46.170,4
Europäischer Kontinent ,26,040,25,4,6
<>!roh;britn»rien ....44,828,710,0

Während die beiden ersten Gebiete selbst Rohbaumwolle erzeugen, sind die
beiden letzten im Bezüge derselben vom Auslande abhängig. Wie die Tabelle
zeigt, hat sich die Spindelzahl der Vereinigten Staaten in den letzten zwanzig Jahren
beinahe verdoppelt, die des europäischen Kontinents hat sich nur um etwas über
die Hälfte und diejenige Großbritanniens um ein Fünftel vermehrt.

Hat die deutsche Baumwollindustrie auf der einen Seite unter Absatzschwierig¬
keiten zu leiden, so gestaltet sich auf der anderen Seite die Rohstoffversorgung
immer schwieriger, und es taucht die Frage auf, ob die Produktion der Roh¬
baumwolle mit dem immer stärker steigenden Verbrauch Schritt halten wird, so
daß unsere Industrie auch für die Zukunft auf eine ausreichende und preiswerte
Deckung ihres Rohbedarfs rechnen kann.

In der Erzeugung von Rohbaumwolle haben sich die Vereinigten Staaten
von Amerika eine geradezu weltbeherrschende Stellung erworben; denn von der
Baumwollernte der Welt, die im Jahre 1908/09 rund 22,5 Millionen Ballen
betrug, entfielen auf die Vereinigten Staaten 13,8, auf Ägypten 0,9 und auf
die sonstigen Produktionsgebiete 3,1 Millionen Ballen. Da ans diesem Grunde
die Produktion von Ägypten und den anderen Gebieten für unsere Versorgung
nur in geringerem Maße in Betracht kommt, so sind wir hinsichtlich der Einfuhr
von Baumwolle von den Vereinigten Staaten völlig abhängig, wie auch aus
folgender Tabelle hervorgeht:


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[0388] Das Bcmmwollproblem Baumwollindustrie eine Lebensfrage für unsere nationale Volkswirtschaft ge¬ worden ist. Wenn anch der Absatz im Innern, wie schon erwähnt, stetig zunimmt, so sind die Aussichten für die Industrie leider nicht als günstig zu bezeichnen, da sich die für die Baumwollfabrikate so wichtigen Verhältnisse der Ausfuhr immer schwieriger gestalten. Während einerseits unseren Fabrikaten durch hohe Zölle mehr und mehr der Eingang versperrt wird, sind sie anderseits einem verstärkten Wettbewerb ausgesetzt, da sich neuerdings in steigendem Maße die Neigung zeigt, selbst Baumwollartikel herzustellen, um allmählich die übrigen Länder nicht mehr mit den Rohstoffen, sondern mit Fabrikaten zu versorgen, und zwar läßt sich diese Entwicklung deutlich aus der verschieden starken Zunahme der Spindelzahl in den in folgender Tabelle aufgeführten Gebieten erkennen: G euieteSpindeln in Millionen 1800 ^ I.März 1010Znnahnie in Prozenten Vereinigte Staaten . .14,628,001,8 Ostindien......3,46.170,4 Europäischer Kontinent ,26,040,25,4,6 <>!roh;britn»rien ....44,828,710,0 Während die beiden ersten Gebiete selbst Rohbaumwolle erzeugen, sind die beiden letzten im Bezüge derselben vom Auslande abhängig. Wie die Tabelle zeigt, hat sich die Spindelzahl der Vereinigten Staaten in den letzten zwanzig Jahren beinahe verdoppelt, die des europäischen Kontinents hat sich nur um etwas über die Hälfte und diejenige Großbritanniens um ein Fünftel vermehrt. Hat die deutsche Baumwollindustrie auf der einen Seite unter Absatzschwierig¬ keiten zu leiden, so gestaltet sich auf der anderen Seite die Rohstoffversorgung immer schwieriger, und es taucht die Frage auf, ob die Produktion der Roh¬ baumwolle mit dem immer stärker steigenden Verbrauch Schritt halten wird, so daß unsere Industrie auch für die Zukunft auf eine ausreichende und preiswerte Deckung ihres Rohbedarfs rechnen kann. In der Erzeugung von Rohbaumwolle haben sich die Vereinigten Staaten von Amerika eine geradezu weltbeherrschende Stellung erworben; denn von der Baumwollernte der Welt, die im Jahre 1908/09 rund 22,5 Millionen Ballen betrug, entfielen auf die Vereinigten Staaten 13,8, auf Ägypten 0,9 und auf die sonstigen Produktionsgebiete 3,1 Millionen Ballen. Da ans diesem Grunde die Produktion von Ägypten und den anderen Gebieten für unsere Versorgung nur in geringerem Maße in Betracht kommt, so sind wir hinsichtlich der Einfuhr von Baumwolle von den Vereinigten Staaten völlig abhängig, wie auch aus folgender Tabelle hervorgeht:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/388>, abgerufen am 24.07.2024.