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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Gegensatz zu den Objekten der Hypothekenbanken in bedenklichem Maße fehlt.
Denn damit, daß ein Fabrikanwesen unter Brüdern den taxierten Wert hat und
jeder bestätigen kann, daß der Wert darin steckt, ist für die beleihende Bank
ein schwacher Trost geschaffen, wenn die Kaufliebhaber ausbleiben. Man kann
sich einigermaßen eine alljährliche Herabminderung des Risikos sichern, indem
man die Tilgungsquoten für die ersten Jahre höher greift. Aber gerade junge
Unternehmen darf man nicht höher belasten, als sie ohne allzu starke Blut¬
entziehung ertragen können. Im übrigen ersieht man aus dieser Sachlage
deutlich, wie sehr dieser Jndustriekredit in das Gebiet des Personalkredits
hinübergreife. Ja, auch die Lebensfähigkeit der im beliehenen Objekt betriebenen
Industrie und die finanzielle Verfassung des Einzelunternehmens wollen in jedem
Falle berücksichtigt sein. Daß die Sicherheit der realen Unterlage aber von
entscheidender Bedeutung ist, wird sofort klar, wenn man z. B. die Folgen des
Wegsterbens eines Firmenchefs erwägt. Alles in allem ist es also eine recht
eigenartige Mischform von Kredit, um die es sich hier handelt. Jedenfalls
erweist sich auch hier der Vergleich mit den Hypothekenbanken, wie schon erwähnt,
als unzulässig.

Mit den: Einfordern der Bilanzen, womit allerdings keine Spesen ver¬
bunden sind, ist für die Feststellung der Bonnae noch nichts getan, denn die
Prüfung toter Zahlen am grünen Tisch, abseits vom lebendigen Betrieb, ist ein
Ding der Unmöglichkeit. Dafür, wie auch für die Besichtigung an Ort und
Stelle, wird immer reichliches Oberpersonal -- also hoher Personaletat! --
vorhanden sein müsse", zumal die Verantwortlichkeit in der Hauptsache gerade
aus diesem einen Dezernenten ruht. Beratungen in Kommissionen, womit die
Verantwortlichkeit gemildert werden kann, haben hier im Gegensatz zu der
gemeinsamen Bearbeitung von Hypothekenbankobjekten mit ausreichendem und
erweislichem Tatsachenmaterial weniger Wert. Um so höher muß die Sach¬
kenntnis und die Verlässigkeit der einzelnen Inspekteure stehen. Hierin liegt
übrigens auch der Grund dafür, daß die Aufficht eine höchst schwierige und für
eine staatliche Stelle ganz unmögliche wäre, ähnlich wie bei Kreditbanken (anders
als bei Hypothekenbanken, wo mehr objektives Material als subjektive Erwägungen
die Grundlage für die Beleihung bilden). In vielen Fällen wird es sich nicht
umgehen lassen, die kostspielige Mithilfe von Spezialfachmännern zuzuziehen.
Auf die vielen kleinen Einzelheiten, wie Dispositionsschwierigkeiten, das Zinsen
verzehrende Vorrätighalten von Mitteln für die Auszahlung, überhaupt die recht
drückenden Opfer für die Liquidität, fehlerhaftes Vorausversilbern von Obligationen,
feste Ausleihofferten in Zeiten anziehenden Geldstandes usw. (alles Einzelheiten,
die im täglichen Leben eines solchen Institutes eine Rolle spielen), hier ein¬
zugehen, verbietet sich, weil sonst die großen Umrisse und Zusammenhänge allzu¬
sehr verwischt werden würden.

Einer Verquickung des hier behandelten Jndustrialkredits mit den ureigent¬
lichen Aufgaben unserer Hypothekenbanken wäre zu widerraten -- auch für den


Grenzboteii I 1911 40,
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Gegensatz zu den Objekten der Hypothekenbanken in bedenklichem Maße fehlt.
Denn damit, daß ein Fabrikanwesen unter Brüdern den taxierten Wert hat und
jeder bestätigen kann, daß der Wert darin steckt, ist für die beleihende Bank
ein schwacher Trost geschaffen, wenn die Kaufliebhaber ausbleiben. Man kann
sich einigermaßen eine alljährliche Herabminderung des Risikos sichern, indem
man die Tilgungsquoten für die ersten Jahre höher greift. Aber gerade junge
Unternehmen darf man nicht höher belasten, als sie ohne allzu starke Blut¬
entziehung ertragen können. Im übrigen ersieht man aus dieser Sachlage
deutlich, wie sehr dieser Jndustriekredit in das Gebiet des Personalkredits
hinübergreife. Ja, auch die Lebensfähigkeit der im beliehenen Objekt betriebenen
Industrie und die finanzielle Verfassung des Einzelunternehmens wollen in jedem
Falle berücksichtigt sein. Daß die Sicherheit der realen Unterlage aber von
entscheidender Bedeutung ist, wird sofort klar, wenn man z. B. die Folgen des
Wegsterbens eines Firmenchefs erwägt. Alles in allem ist es also eine recht
eigenartige Mischform von Kredit, um die es sich hier handelt. Jedenfalls
erweist sich auch hier der Vergleich mit den Hypothekenbanken, wie schon erwähnt,
als unzulässig.

Mit den: Einfordern der Bilanzen, womit allerdings keine Spesen ver¬
bunden sind, ist für die Feststellung der Bonnae noch nichts getan, denn die
Prüfung toter Zahlen am grünen Tisch, abseits vom lebendigen Betrieb, ist ein
Ding der Unmöglichkeit. Dafür, wie auch für die Besichtigung an Ort und
Stelle, wird immer reichliches Oberpersonal — also hoher Personaletat! —
vorhanden sein müsse«, zumal die Verantwortlichkeit in der Hauptsache gerade
aus diesem einen Dezernenten ruht. Beratungen in Kommissionen, womit die
Verantwortlichkeit gemildert werden kann, haben hier im Gegensatz zu der
gemeinsamen Bearbeitung von Hypothekenbankobjekten mit ausreichendem und
erweislichem Tatsachenmaterial weniger Wert. Um so höher muß die Sach¬
kenntnis und die Verlässigkeit der einzelnen Inspekteure stehen. Hierin liegt
übrigens auch der Grund dafür, daß die Aufficht eine höchst schwierige und für
eine staatliche Stelle ganz unmögliche wäre, ähnlich wie bei Kreditbanken (anders
als bei Hypothekenbanken, wo mehr objektives Material als subjektive Erwägungen
die Grundlage für die Beleihung bilden). In vielen Fällen wird es sich nicht
umgehen lassen, die kostspielige Mithilfe von Spezialfachmännern zuzuziehen.
Auf die vielen kleinen Einzelheiten, wie Dispositionsschwierigkeiten, das Zinsen
verzehrende Vorrätighalten von Mitteln für die Auszahlung, überhaupt die recht
drückenden Opfer für die Liquidität, fehlerhaftes Vorausversilbern von Obligationen,
feste Ausleihofferten in Zeiten anziehenden Geldstandes usw. (alles Einzelheiten,
die im täglichen Leben eines solchen Institutes eine Rolle spielen), hier ein¬
zugehen, verbietet sich, weil sonst die großen Umrisse und Zusammenhänge allzu¬
sehr verwischt werden würden.

Einer Verquickung des hier behandelten Jndustrialkredits mit den ureigent¬
lichen Aufgaben unserer Hypothekenbanken wäre zu widerraten — auch für den


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[0327] Line deutsche Industriebcmk Gegensatz zu den Objekten der Hypothekenbanken in bedenklichem Maße fehlt. Denn damit, daß ein Fabrikanwesen unter Brüdern den taxierten Wert hat und jeder bestätigen kann, daß der Wert darin steckt, ist für die beleihende Bank ein schwacher Trost geschaffen, wenn die Kaufliebhaber ausbleiben. Man kann sich einigermaßen eine alljährliche Herabminderung des Risikos sichern, indem man die Tilgungsquoten für die ersten Jahre höher greift. Aber gerade junge Unternehmen darf man nicht höher belasten, als sie ohne allzu starke Blut¬ entziehung ertragen können. Im übrigen ersieht man aus dieser Sachlage deutlich, wie sehr dieser Jndustriekredit in das Gebiet des Personalkredits hinübergreife. Ja, auch die Lebensfähigkeit der im beliehenen Objekt betriebenen Industrie und die finanzielle Verfassung des Einzelunternehmens wollen in jedem Falle berücksichtigt sein. Daß die Sicherheit der realen Unterlage aber von entscheidender Bedeutung ist, wird sofort klar, wenn man z. B. die Folgen des Wegsterbens eines Firmenchefs erwägt. Alles in allem ist es also eine recht eigenartige Mischform von Kredit, um die es sich hier handelt. Jedenfalls erweist sich auch hier der Vergleich mit den Hypothekenbanken, wie schon erwähnt, als unzulässig. Mit den: Einfordern der Bilanzen, womit allerdings keine Spesen ver¬ bunden sind, ist für die Feststellung der Bonnae noch nichts getan, denn die Prüfung toter Zahlen am grünen Tisch, abseits vom lebendigen Betrieb, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Dafür, wie auch für die Besichtigung an Ort und Stelle, wird immer reichliches Oberpersonal — also hoher Personaletat! — vorhanden sein müsse«, zumal die Verantwortlichkeit in der Hauptsache gerade aus diesem einen Dezernenten ruht. Beratungen in Kommissionen, womit die Verantwortlichkeit gemildert werden kann, haben hier im Gegensatz zu der gemeinsamen Bearbeitung von Hypothekenbankobjekten mit ausreichendem und erweislichem Tatsachenmaterial weniger Wert. Um so höher muß die Sach¬ kenntnis und die Verlässigkeit der einzelnen Inspekteure stehen. Hierin liegt übrigens auch der Grund dafür, daß die Aufficht eine höchst schwierige und für eine staatliche Stelle ganz unmögliche wäre, ähnlich wie bei Kreditbanken (anders als bei Hypothekenbanken, wo mehr objektives Material als subjektive Erwägungen die Grundlage für die Beleihung bilden). In vielen Fällen wird es sich nicht umgehen lassen, die kostspielige Mithilfe von Spezialfachmännern zuzuziehen. Auf die vielen kleinen Einzelheiten, wie Dispositionsschwierigkeiten, das Zinsen verzehrende Vorrätighalten von Mitteln für die Auszahlung, überhaupt die recht drückenden Opfer für die Liquidität, fehlerhaftes Vorausversilbern von Obligationen, feste Ausleihofferten in Zeiten anziehenden Geldstandes usw. (alles Einzelheiten, die im täglichen Leben eines solchen Institutes eine Rolle spielen), hier ein¬ zugehen, verbietet sich, weil sonst die großen Umrisse und Zusammenhänge allzu¬ sehr verwischt werden würden. Einer Verquickung des hier behandelten Jndustrialkredits mit den ureigent¬ lichen Aufgaben unserer Hypothekenbanken wäre zu widerraten — auch für den Grenzboteii I 1911 40,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/327>, abgerufen am 24.07.2024.