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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Line deutsche Industriebank

die neben der Politik, den wirtschaftlichen Beziehungen zum Auslande und den
Zollverhältnissen unserer Geldverfassung jeweils das Gepräge gibt. Welch ein
großes Kapitalbedürfnis bei der Industrie in Frage kommt, geht schon
daraus hervor, daß es die Schwankungen des Geldstandes, also auch gelegentlich
den teueren Geldstand selbst hervorrufen kann. Dieses Kapitalbedürfnis ist ein
doppeltes, weil die Industrie langfristigen Anlagekredit und kurzfristig sich
umsetzenden Betriebskredit nötig hat. Der erstere wirkt direkt auf den Kapitals¬
zinsfuß, indirekt auf den Diskont ein, der letztere direkt auf den Diskont. Der
Anlagekredit wird gedeckt hauptsächlich durch das Gesellschaftskapital, das im
übrigen hier nicht näher interessiert, und durch Obligationenausgabe, ergänzend
durch die Kreditbanken. Den Kreditbanken liegt daneben die Sorge um die
Befriedigung des kurzfristigen, schwankenden Vetriebskredits ob, eine Sorge, die
recht drückend werden kann, wenn die Geldansprüche zu Zeiten einer Hoch¬
konjunktur gar zu üppig ins Kraut schießen. Die Banken nehmen dann durch
Weiterdiskontierung ihres Wechselvorrates oder durch Verpfändung von Wert¬
papieren ihre Zuflucht zu deu Notenbanken. An diese direkt können sich die
Ansprüche der Industriellen nur teilweise richten; sie sind berufen, die Nach¬
frage nach Zahlmitteln im Nahmen der "Deckung" Wechsel- und Gold¬
bestand) durch Hergabe vou Noten zu befriedigen. Der Leihsatz für diese Noten
Diskontsatz für die Wechsel) wird in die Höhe getrieben, wenn die Nach¬
frage im Hinblick auf den Umfang der ebenerwähnten "Deckung" eine Ein¬
dämmung wünschenswert macht; der andere Grund, die Sorge um den Schutz
des Goldbestandes, d. h. die Verteidigung des Goldes gegenüber Ansprüchen
des Auslandes durch Diskonterhöhung, kann hier außer Betracht bleiben. Man
sieht, wenn allzu viele sich um die Zahlmittel drängen, dann entstehen für die
Banken Schwierigkeiten, das Bedürfnis zu befriedigen. normalerweise ist ja
immer noch Geld zu beschaffen, wenn der in die Höhe gehende Zinsfuß nicht
schreckt, indessen hat doch erst das Ende des Jahres 1907, als die Golddeckung
für die Verpflichtungen der Reichsbank bedenklich an die Mindestgrenze heran¬
rückte, bewiesen, daß zum eigenen inländischen Geldmittelbedarf nur noch aus¬
ländische Begehrlichkeiten auf unsere Geldbestände zu kommen brauchen, um die
Gefahr einer Zahlmittel- und Kreditnot heraufzubeschwören. In so angespannten
Zeiten bleibt den Banken nichts anderes übrig, als die von ihnen der Kund¬
schaft gewährten Kredite einzuschränken, bis die Flut abgeebbt ist. Solche Kredit¬
verteuerungen und Einschränkungen aber können einer stark beschäftigten, also
auf einen ungewöhnlich hohen Kredit angewiesenen Industrie ungelegen und
verlustbringend kommen. Das führt die Industrie zu dem Wunsche, sich wenigstens
denjenigen Kredit, den sie auch in ruhigeren Zeiten auf Jahre hinaus nötig zu
haben glaubt, durch Obligationenausgabe sicherzustellen, und zwar zu einem
festen Zinsfuß. Diese Sicherstellung des Kapitals und des Zinsfußes wird
dadurch erreicht, daß man die Obligationen seitens der Käufer unkündbar macht
(ich will den Ausdruck "Inhaber" aus später zu erörternden Gründen ver-


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die neben der Politik, den wirtschaftlichen Beziehungen zum Auslande und den
Zollverhältnissen unserer Geldverfassung jeweils das Gepräge gibt. Welch ein
großes Kapitalbedürfnis bei der Industrie in Frage kommt, geht schon
daraus hervor, daß es die Schwankungen des Geldstandes, also auch gelegentlich
den teueren Geldstand selbst hervorrufen kann. Dieses Kapitalbedürfnis ist ein
doppeltes, weil die Industrie langfristigen Anlagekredit und kurzfristig sich
umsetzenden Betriebskredit nötig hat. Der erstere wirkt direkt auf den Kapitals¬
zinsfuß, indirekt auf den Diskont ein, der letztere direkt auf den Diskont. Der
Anlagekredit wird gedeckt hauptsächlich durch das Gesellschaftskapital, das im
übrigen hier nicht näher interessiert, und durch Obligationenausgabe, ergänzend
durch die Kreditbanken. Den Kreditbanken liegt daneben die Sorge um die
Befriedigung des kurzfristigen, schwankenden Vetriebskredits ob, eine Sorge, die
recht drückend werden kann, wenn die Geldansprüche zu Zeiten einer Hoch¬
konjunktur gar zu üppig ins Kraut schießen. Die Banken nehmen dann durch
Weiterdiskontierung ihres Wechselvorrates oder durch Verpfändung von Wert¬
papieren ihre Zuflucht zu deu Notenbanken. An diese direkt können sich die
Ansprüche der Industriellen nur teilweise richten; sie sind berufen, die Nach¬
frage nach Zahlmitteln im Nahmen der „Deckung" Wechsel- und Gold¬
bestand) durch Hergabe vou Noten zu befriedigen. Der Leihsatz für diese Noten
Diskontsatz für die Wechsel) wird in die Höhe getrieben, wenn die Nach¬
frage im Hinblick auf den Umfang der ebenerwähnten „Deckung" eine Ein¬
dämmung wünschenswert macht; der andere Grund, die Sorge um den Schutz
des Goldbestandes, d. h. die Verteidigung des Goldes gegenüber Ansprüchen
des Auslandes durch Diskonterhöhung, kann hier außer Betracht bleiben. Man
sieht, wenn allzu viele sich um die Zahlmittel drängen, dann entstehen für die
Banken Schwierigkeiten, das Bedürfnis zu befriedigen. normalerweise ist ja
immer noch Geld zu beschaffen, wenn der in die Höhe gehende Zinsfuß nicht
schreckt, indessen hat doch erst das Ende des Jahres 1907, als die Golddeckung
für die Verpflichtungen der Reichsbank bedenklich an die Mindestgrenze heran¬
rückte, bewiesen, daß zum eigenen inländischen Geldmittelbedarf nur noch aus¬
ländische Begehrlichkeiten auf unsere Geldbestände zu kommen brauchen, um die
Gefahr einer Zahlmittel- und Kreditnot heraufzubeschwören. In so angespannten
Zeiten bleibt den Banken nichts anderes übrig, als die von ihnen der Kund¬
schaft gewährten Kredite einzuschränken, bis die Flut abgeebbt ist. Solche Kredit¬
verteuerungen und Einschränkungen aber können einer stark beschäftigten, also
auf einen ungewöhnlich hohen Kredit angewiesenen Industrie ungelegen und
verlustbringend kommen. Das führt die Industrie zu dem Wunsche, sich wenigstens
denjenigen Kredit, den sie auch in ruhigeren Zeiten auf Jahre hinaus nötig zu
haben glaubt, durch Obligationenausgabe sicherzustellen, und zwar zu einem
festen Zinsfuß. Diese Sicherstellung des Kapitals und des Zinsfußes wird
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[0320] Line deutsche Industriebank die neben der Politik, den wirtschaftlichen Beziehungen zum Auslande und den Zollverhältnissen unserer Geldverfassung jeweils das Gepräge gibt. Welch ein großes Kapitalbedürfnis bei der Industrie in Frage kommt, geht schon daraus hervor, daß es die Schwankungen des Geldstandes, also auch gelegentlich den teueren Geldstand selbst hervorrufen kann. Dieses Kapitalbedürfnis ist ein doppeltes, weil die Industrie langfristigen Anlagekredit und kurzfristig sich umsetzenden Betriebskredit nötig hat. Der erstere wirkt direkt auf den Kapitals¬ zinsfuß, indirekt auf den Diskont ein, der letztere direkt auf den Diskont. Der Anlagekredit wird gedeckt hauptsächlich durch das Gesellschaftskapital, das im übrigen hier nicht näher interessiert, und durch Obligationenausgabe, ergänzend durch die Kreditbanken. Den Kreditbanken liegt daneben die Sorge um die Befriedigung des kurzfristigen, schwankenden Vetriebskredits ob, eine Sorge, die recht drückend werden kann, wenn die Geldansprüche zu Zeiten einer Hoch¬ konjunktur gar zu üppig ins Kraut schießen. Die Banken nehmen dann durch Weiterdiskontierung ihres Wechselvorrates oder durch Verpfändung von Wert¬ papieren ihre Zuflucht zu deu Notenbanken. An diese direkt können sich die Ansprüche der Industriellen nur teilweise richten; sie sind berufen, die Nach¬ frage nach Zahlmitteln im Nahmen der „Deckung" Wechsel- und Gold¬ bestand) durch Hergabe vou Noten zu befriedigen. Der Leihsatz für diese Noten Diskontsatz für die Wechsel) wird in die Höhe getrieben, wenn die Nach¬ frage im Hinblick auf den Umfang der ebenerwähnten „Deckung" eine Ein¬ dämmung wünschenswert macht; der andere Grund, die Sorge um den Schutz des Goldbestandes, d. h. die Verteidigung des Goldes gegenüber Ansprüchen des Auslandes durch Diskonterhöhung, kann hier außer Betracht bleiben. Man sieht, wenn allzu viele sich um die Zahlmittel drängen, dann entstehen für die Banken Schwierigkeiten, das Bedürfnis zu befriedigen. normalerweise ist ja immer noch Geld zu beschaffen, wenn der in die Höhe gehende Zinsfuß nicht schreckt, indessen hat doch erst das Ende des Jahres 1907, als die Golddeckung für die Verpflichtungen der Reichsbank bedenklich an die Mindestgrenze heran¬ rückte, bewiesen, daß zum eigenen inländischen Geldmittelbedarf nur noch aus¬ ländische Begehrlichkeiten auf unsere Geldbestände zu kommen brauchen, um die Gefahr einer Zahlmittel- und Kreditnot heraufzubeschwören. In so angespannten Zeiten bleibt den Banken nichts anderes übrig, als die von ihnen der Kund¬ schaft gewährten Kredite einzuschränken, bis die Flut abgeebbt ist. Solche Kredit¬ verteuerungen und Einschränkungen aber können einer stark beschäftigten, also auf einen ungewöhnlich hohen Kredit angewiesenen Industrie ungelegen und verlustbringend kommen. Das führt die Industrie zu dem Wunsche, sich wenigstens denjenigen Kredit, den sie auch in ruhigeren Zeiten auf Jahre hinaus nötig zu haben glaubt, durch Obligationenausgabe sicherzustellen, und zwar zu einem festen Zinsfuß. Diese Sicherstellung des Kapitals und des Zinsfußes wird dadurch erreicht, daß man die Obligationen seitens der Käufer unkündbar macht (ich will den Ausdruck „Inhaber" aus später zu erörternden Gründen ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/320>, abgerufen am 24.07.2024.