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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Die Autorität der Türkei im (vstjordan-Lande

Oktober das Glück, ein ernstes Gefecht zu erzwingen, wobei er Schehba,
angeblich eine Festung und angeblich die beste Zuflucht der Drüsen im Norden
ihres Gebirges, nahm. Es kamen schon die Nachrichten nach dem Goldenen
Horn, daß es nur noch der Pcizifizierung des Hauran durch die Entwaffnung
der Drusen und der Aufhebung des Maßes von Selbständigkeit bedürfe, das
ihnen zu belassen doch alle früheren Sultane selbst nach blutigen Kämpfen für
nötig gehalten hatten. -- Es war sehr auffallend, daß am 1. Dezember aber¬
mals eine Siegesbotschaft die Hauptstadt erfreute. Neue Kämpfe bei Kerak
Hütten zu einer abermaligen Niederlage der Drusen geführt. Diese hätten
500 Tote und Verwundete zurückgelassen, während die Verluste der Türken sich
nur auf 50 beliefen.

Und jetzt verlautet, daß die Aufständischen Sympathie bei ihren alten
Gegnern, den nuiseimanischen Beduinen, gefunden haben, ja daß eine türken¬
feindliche Bewegung im ganzen Ostjordanlande hervortrete und die Hedschasbahn
mehr als zuvor bedrohe. In diesen weiten Gebieten gibt es nur wenig feste
Ansiedlungen. Im allgemeinen sind sie die Stätte des Nomadentums wie zu
Mosis Zeiten. Die uralte Feindschaft zwischen den streifenden Hirten und den
festen Ansiedlern in den besser bewässerten Landesteilen, namentlich in Palästina,
beherrscht dort noch heute die Dinge und erschwert den Türken eine ordentliche
Herrschaft; denn sie kann natürlich nicht dulden, daß die schweifenden Söhne
der Wüste fechtend und raubend die Städte und Dörfer heimsuchen. Das aber
sehen die Beduinen als ihr altes ererbtes, unzerstörbares Recht an. Die
türkische Negierung hatte null den großen Vorteil der Eisenbahnverbindung.
Sie suchte auch den Widerstand der Küstenbewohner dadurch zu brechen, daß
sie den Handel mit Kriegsgewchren und sogar den Besitz solcher verbot. Aber
wie kann man hindern, daß solche Waffen über die weiten Grenzen herein¬
dringen! Obendrein war es wenig dem Geschmack des Volkes entsprechend, daß
sie Steuern zahlen und Militärdienste tun sollten. So mehrten sich denn nur
die Angriffe auf die Hedschasbahn. Man zerschnitt die Telegraphendrähte.
zerstörte die Stationsgebäude und tötete die Bahnbeamten. Es kam sogar zu
einem Angriff auf die Stadt Derat, der freilich schnell unterdrückt wurde.

Die Herstellung und Sicherung des Verkehrs auf der Hedschasbahn ist
eine dringende Aufgabe der türkischen Regierung. Es hatte ihr Ansehen bedeutend
gehoben, als es ihr gelang, die Bahn nach den heiligen Stätten, wo Mohammed
gelebt hatte und gestorben war, beinahe fertig zu stellen. Das war nicht mit
Hilfe fremder Darlehen, sondern lediglich frommer Spenden der Gläubigen
geschehen. Wenn nun aber die Bahn nicht in Betrieb gehalten werden kann,
weil das kleine Raubgesindel der Wüste sich widersetzt, so wird das einen nieder¬
drückenden Eindruck machen. Im Vergleich damit bedeutet die Unbotmäßigkeit
der Drusen sehr wenig.




Grenzboten I 1S11nil
Die Autorität der Türkei im (vstjordan-Lande

Oktober das Glück, ein ernstes Gefecht zu erzwingen, wobei er Schehba,
angeblich eine Festung und angeblich die beste Zuflucht der Drüsen im Norden
ihres Gebirges, nahm. Es kamen schon die Nachrichten nach dem Goldenen
Horn, daß es nur noch der Pcizifizierung des Hauran durch die Entwaffnung
der Drusen und der Aufhebung des Maßes von Selbständigkeit bedürfe, das
ihnen zu belassen doch alle früheren Sultane selbst nach blutigen Kämpfen für
nötig gehalten hatten. — Es war sehr auffallend, daß am 1. Dezember aber¬
mals eine Siegesbotschaft die Hauptstadt erfreute. Neue Kämpfe bei Kerak
Hütten zu einer abermaligen Niederlage der Drusen geführt. Diese hätten
500 Tote und Verwundete zurückgelassen, während die Verluste der Türken sich
nur auf 50 beliefen.

Und jetzt verlautet, daß die Aufständischen Sympathie bei ihren alten
Gegnern, den nuiseimanischen Beduinen, gefunden haben, ja daß eine türken¬
feindliche Bewegung im ganzen Ostjordanlande hervortrete und die Hedschasbahn
mehr als zuvor bedrohe. In diesen weiten Gebieten gibt es nur wenig feste
Ansiedlungen. Im allgemeinen sind sie die Stätte des Nomadentums wie zu
Mosis Zeiten. Die uralte Feindschaft zwischen den streifenden Hirten und den
festen Ansiedlern in den besser bewässerten Landesteilen, namentlich in Palästina,
beherrscht dort noch heute die Dinge und erschwert den Türken eine ordentliche
Herrschaft; denn sie kann natürlich nicht dulden, daß die schweifenden Söhne
der Wüste fechtend und raubend die Städte und Dörfer heimsuchen. Das aber
sehen die Beduinen als ihr altes ererbtes, unzerstörbares Recht an. Die
türkische Negierung hatte null den großen Vorteil der Eisenbahnverbindung.
Sie suchte auch den Widerstand der Küstenbewohner dadurch zu brechen, daß
sie den Handel mit Kriegsgewchren und sogar den Besitz solcher verbot. Aber
wie kann man hindern, daß solche Waffen über die weiten Grenzen herein¬
dringen! Obendrein war es wenig dem Geschmack des Volkes entsprechend, daß
sie Steuern zahlen und Militärdienste tun sollten. So mehrten sich denn nur
die Angriffe auf die Hedschasbahn. Man zerschnitt die Telegraphendrähte.
zerstörte die Stationsgebäude und tötete die Bahnbeamten. Es kam sogar zu
einem Angriff auf die Stadt Derat, der freilich schnell unterdrückt wurde.

Die Herstellung und Sicherung des Verkehrs auf der Hedschasbahn ist
eine dringende Aufgabe der türkischen Regierung. Es hatte ihr Ansehen bedeutend
gehoben, als es ihr gelang, die Bahn nach den heiligen Stätten, wo Mohammed
gelebt hatte und gestorben war, beinahe fertig zu stellen. Das war nicht mit
Hilfe fremder Darlehen, sondern lediglich frommer Spenden der Gläubigen
geschehen. Wenn nun aber die Bahn nicht in Betrieb gehalten werden kann,
weil das kleine Raubgesindel der Wüste sich widersetzt, so wird das einen nieder¬
drückenden Eindruck machen. Im Vergleich damit bedeutet die Unbotmäßigkeit
der Drusen sehr wenig.




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[0295] Die Autorität der Türkei im (vstjordan-Lande Oktober das Glück, ein ernstes Gefecht zu erzwingen, wobei er Schehba, angeblich eine Festung und angeblich die beste Zuflucht der Drüsen im Norden ihres Gebirges, nahm. Es kamen schon die Nachrichten nach dem Goldenen Horn, daß es nur noch der Pcizifizierung des Hauran durch die Entwaffnung der Drusen und der Aufhebung des Maßes von Selbständigkeit bedürfe, das ihnen zu belassen doch alle früheren Sultane selbst nach blutigen Kämpfen für nötig gehalten hatten. — Es war sehr auffallend, daß am 1. Dezember aber¬ mals eine Siegesbotschaft die Hauptstadt erfreute. Neue Kämpfe bei Kerak Hütten zu einer abermaligen Niederlage der Drusen geführt. Diese hätten 500 Tote und Verwundete zurückgelassen, während die Verluste der Türken sich nur auf 50 beliefen. Und jetzt verlautet, daß die Aufständischen Sympathie bei ihren alten Gegnern, den nuiseimanischen Beduinen, gefunden haben, ja daß eine türken¬ feindliche Bewegung im ganzen Ostjordanlande hervortrete und die Hedschasbahn mehr als zuvor bedrohe. In diesen weiten Gebieten gibt es nur wenig feste Ansiedlungen. Im allgemeinen sind sie die Stätte des Nomadentums wie zu Mosis Zeiten. Die uralte Feindschaft zwischen den streifenden Hirten und den festen Ansiedlern in den besser bewässerten Landesteilen, namentlich in Palästina, beherrscht dort noch heute die Dinge und erschwert den Türken eine ordentliche Herrschaft; denn sie kann natürlich nicht dulden, daß die schweifenden Söhne der Wüste fechtend und raubend die Städte und Dörfer heimsuchen. Das aber sehen die Beduinen als ihr altes ererbtes, unzerstörbares Recht an. Die türkische Negierung hatte null den großen Vorteil der Eisenbahnverbindung. Sie suchte auch den Widerstand der Küstenbewohner dadurch zu brechen, daß sie den Handel mit Kriegsgewchren und sogar den Besitz solcher verbot. Aber wie kann man hindern, daß solche Waffen über die weiten Grenzen herein¬ dringen! Obendrein war es wenig dem Geschmack des Volkes entsprechend, daß sie Steuern zahlen und Militärdienste tun sollten. So mehrten sich denn nur die Angriffe auf die Hedschasbahn. Man zerschnitt die Telegraphendrähte. zerstörte die Stationsgebäude und tötete die Bahnbeamten. Es kam sogar zu einem Angriff auf die Stadt Derat, der freilich schnell unterdrückt wurde. Die Herstellung und Sicherung des Verkehrs auf der Hedschasbahn ist eine dringende Aufgabe der türkischen Regierung. Es hatte ihr Ansehen bedeutend gehoben, als es ihr gelang, die Bahn nach den heiligen Stätten, wo Mohammed gelebt hatte und gestorben war, beinahe fertig zu stellen. Das war nicht mit Hilfe fremder Darlehen, sondern lediglich frommer Spenden der Gläubigen geschehen. Wenn nun aber die Bahn nicht in Betrieb gehalten werden kann, weil das kleine Raubgesindel der Wüste sich widersetzt, so wird das einen nieder¬ drückenden Eindruck machen. Im Vergleich damit bedeutet die Unbotmäßigkeit der Drusen sehr wenig. Grenzboten I 1S11nil

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/295>, abgerufen am 24.07.2024.