Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Ser Beamte als Staatsbürger

jeden Schein eines Gegensatzes zu verhüten, um das vorhandene
Gefühl der Zusammengehörigkeit des Beamtenkörpers innerhalb
einer Verwaltung zu hüten und zu pflegen. Wo einen einzelnen ein
Schmerz drückt, soll er selbst und darf er an zuständiger Stelle vorstellig werden.
Aber warum will man es ihm verwehren, sich nun nach einen: Beistand um¬
zusehen, eine Unterstützung sich zu suchen? Freilich muß der Beistand die
Grenzen kennen und einhalten, und ein etwa angegangener Abgeordneter wird
Kenntnis der bestehenden Vorschriften und Takt genug besitzen, um zu wissen,
daß sein Eintreten nicht auf eine unzulässige Einwirkung auf die sachliche Ent¬
scheidung, sondern nur auf ein gerechtes, in Formen und Pflichten durch Gesetz
festgelegtes Verfahren gerichtet sein darf. Wo aber die Interessen einer ganzen
Beamtenklasse, einer ganzen Betriebsabteilung in Frage stehen, da sollte es erlaubt
und für zweckmäßig erachtet werden, auch einmal mit den Vertretern eines diese
Klasse von Beamten umschließenden Vereins in das Benehmen zu treten,
Fühlung zu nehmen. Man darf doch auch die zunächst Betroffenen um ihre
Meinung befragen, hören, ohne damit der eigenen Würde etwas zu vergeben
und sich der eigenen freien Entschließung zu berauben. Diese Aussprache kann
nur aufklärend wirken, sie kann Verständnis für die Gründe der seitens der
Verwaltung ergehenden Entschließung verbreiten, sie unterstützt damit deren
Durchführung. Daß man die Beamtenvereinigung nicht übergeht und geflissentlich
übersieht, wird in dem Beamten nur das Staatsgefühl stärken und ihm die Un¬
zulässigkeit und Ungehörigkeit eines jeden Druckes und einer jeden Drohung unter
Bezug auf die von ihm vertretene Masse begreiflich machen. Es wird die
weitere Wirkung zeitigen, daß man innerhalb der Organisation den Wert guter
Beziehung zu der Verwaltung schätzen lernt. Man wird vermeiden, als Ver¬
treter der Organisation Personen zu bestimmen, deren Veranlagung eine
Störung dieser guten Beziehung herbeiführen könnte, die aber anderseits
genügend Sachkenntnis, Erfahrung und selbständige Meinung besitzen, so daß
eine Verwaltung in der Lage sein wird, die in der Masse treibenden wertvollen
Kräfte sich nutzbar zu machen und durch deren Vertrauen das Vertrauen der
Masse zu gewinnen.

Ein Teil dieser Erwägungen trifft auch für die vou den Beamtenvereini¬
gungen aufgestellte Forderung der Bildung von Beamtenausschüssen
zu. Ich bin kein prinzipieller Gegner. Wenn ich mich bisher nicht ohne
Einschränkung dafür ausgesprochen habe, so waren Bedenken die Ursache,
welche auch heute nicht zerstreut sind. Der Begriff scheint mir noch nicht
genügend geklärt zu sein. Der Umriß der ihnen zuzuweisenden Aufgabe scheint
mir noch allzu undeutlich. Es ist zweifelhaft, bei welchen Stellen sie gebildet
werden sollen. Schon Provinzialstellen und noch mehr Bezirksstellen werden
oft nicht die genügende Zahl von Beamten aufweisen, um einen ausreichenden
Wahlkörper abzugeben. Die Frage, ob alle Beamten einer Stelle den Wahl¬
körper bilden sollen oder ob die Wahl aus einzelnen Gruppen vollzogen wird.


Ser Beamte als Staatsbürger

jeden Schein eines Gegensatzes zu verhüten, um das vorhandene
Gefühl der Zusammengehörigkeit des Beamtenkörpers innerhalb
einer Verwaltung zu hüten und zu pflegen. Wo einen einzelnen ein
Schmerz drückt, soll er selbst und darf er an zuständiger Stelle vorstellig werden.
Aber warum will man es ihm verwehren, sich nun nach einen: Beistand um¬
zusehen, eine Unterstützung sich zu suchen? Freilich muß der Beistand die
Grenzen kennen und einhalten, und ein etwa angegangener Abgeordneter wird
Kenntnis der bestehenden Vorschriften und Takt genug besitzen, um zu wissen,
daß sein Eintreten nicht auf eine unzulässige Einwirkung auf die sachliche Ent¬
scheidung, sondern nur auf ein gerechtes, in Formen und Pflichten durch Gesetz
festgelegtes Verfahren gerichtet sein darf. Wo aber die Interessen einer ganzen
Beamtenklasse, einer ganzen Betriebsabteilung in Frage stehen, da sollte es erlaubt
und für zweckmäßig erachtet werden, auch einmal mit den Vertretern eines diese
Klasse von Beamten umschließenden Vereins in das Benehmen zu treten,
Fühlung zu nehmen. Man darf doch auch die zunächst Betroffenen um ihre
Meinung befragen, hören, ohne damit der eigenen Würde etwas zu vergeben
und sich der eigenen freien Entschließung zu berauben. Diese Aussprache kann
nur aufklärend wirken, sie kann Verständnis für die Gründe der seitens der
Verwaltung ergehenden Entschließung verbreiten, sie unterstützt damit deren
Durchführung. Daß man die Beamtenvereinigung nicht übergeht und geflissentlich
übersieht, wird in dem Beamten nur das Staatsgefühl stärken und ihm die Un¬
zulässigkeit und Ungehörigkeit eines jeden Druckes und einer jeden Drohung unter
Bezug auf die von ihm vertretene Masse begreiflich machen. Es wird die
weitere Wirkung zeitigen, daß man innerhalb der Organisation den Wert guter
Beziehung zu der Verwaltung schätzen lernt. Man wird vermeiden, als Ver¬
treter der Organisation Personen zu bestimmen, deren Veranlagung eine
Störung dieser guten Beziehung herbeiführen könnte, die aber anderseits
genügend Sachkenntnis, Erfahrung und selbständige Meinung besitzen, so daß
eine Verwaltung in der Lage sein wird, die in der Masse treibenden wertvollen
Kräfte sich nutzbar zu machen und durch deren Vertrauen das Vertrauen der
Masse zu gewinnen.

Ein Teil dieser Erwägungen trifft auch für die vou den Beamtenvereini¬
gungen aufgestellte Forderung der Bildung von Beamtenausschüssen
zu. Ich bin kein prinzipieller Gegner. Wenn ich mich bisher nicht ohne
Einschränkung dafür ausgesprochen habe, so waren Bedenken die Ursache,
welche auch heute nicht zerstreut sind. Der Begriff scheint mir noch nicht
genügend geklärt zu sein. Der Umriß der ihnen zuzuweisenden Aufgabe scheint
mir noch allzu undeutlich. Es ist zweifelhaft, bei welchen Stellen sie gebildet
werden sollen. Schon Provinzialstellen und noch mehr Bezirksstellen werden
oft nicht die genügende Zahl von Beamten aufweisen, um einen ausreichenden
Wahlkörper abzugeben. Die Frage, ob alle Beamten einer Stelle den Wahl¬
körper bilden sollen oder ob die Wahl aus einzelnen Gruppen vollzogen wird.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0278" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/317891"/>
          <fw type="header" place="top"> Ser Beamte als Staatsbürger</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1325" prev="#ID_1324"> jeden Schein eines Gegensatzes zu verhüten, um das vorhandene<lb/>
Gefühl der Zusammengehörigkeit des Beamtenkörpers innerhalb<lb/>
einer Verwaltung zu hüten und zu pflegen. Wo einen einzelnen ein<lb/>
Schmerz drückt, soll er selbst und darf er an zuständiger Stelle vorstellig werden.<lb/>
Aber warum will man es ihm verwehren, sich nun nach einen: Beistand um¬<lb/>
zusehen, eine Unterstützung sich zu suchen? Freilich muß der Beistand die<lb/>
Grenzen kennen und einhalten, und ein etwa angegangener Abgeordneter wird<lb/>
Kenntnis der bestehenden Vorschriften und Takt genug besitzen, um zu wissen,<lb/>
daß sein Eintreten nicht auf eine unzulässige Einwirkung auf die sachliche Ent¬<lb/>
scheidung, sondern nur auf ein gerechtes, in Formen und Pflichten durch Gesetz<lb/>
festgelegtes Verfahren gerichtet sein darf. Wo aber die Interessen einer ganzen<lb/>
Beamtenklasse, einer ganzen Betriebsabteilung in Frage stehen, da sollte es erlaubt<lb/>
und für zweckmäßig erachtet werden, auch einmal mit den Vertretern eines diese<lb/>
Klasse von Beamten umschließenden Vereins in das Benehmen zu treten,<lb/>
Fühlung zu nehmen. Man darf doch auch die zunächst Betroffenen um ihre<lb/>
Meinung befragen, hören, ohne damit der eigenen Würde etwas zu vergeben<lb/>
und sich der eigenen freien Entschließung zu berauben. Diese Aussprache kann<lb/>
nur aufklärend wirken, sie kann Verständnis für die Gründe der seitens der<lb/>
Verwaltung ergehenden Entschließung verbreiten, sie unterstützt damit deren<lb/>
Durchführung. Daß man die Beamtenvereinigung nicht übergeht und geflissentlich<lb/>
übersieht, wird in dem Beamten nur das Staatsgefühl stärken und ihm die Un¬<lb/>
zulässigkeit und Ungehörigkeit eines jeden Druckes und einer jeden Drohung unter<lb/>
Bezug auf die von ihm vertretene Masse begreiflich machen. Es wird die<lb/>
weitere Wirkung zeitigen, daß man innerhalb der Organisation den Wert guter<lb/>
Beziehung zu der Verwaltung schätzen lernt. Man wird vermeiden, als Ver¬<lb/>
treter der Organisation Personen zu bestimmen, deren Veranlagung eine<lb/>
Störung dieser guten Beziehung herbeiführen könnte, die aber anderseits<lb/>
genügend Sachkenntnis, Erfahrung und selbständige Meinung besitzen, so daß<lb/>
eine Verwaltung in der Lage sein wird, die in der Masse treibenden wertvollen<lb/>
Kräfte sich nutzbar zu machen und durch deren Vertrauen das Vertrauen der<lb/>
Masse zu gewinnen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1326" next="#ID_1327"> Ein Teil dieser Erwägungen trifft auch für die vou den Beamtenvereini¬<lb/>
gungen aufgestellte Forderung der Bildung von Beamtenausschüssen<lb/>
zu. Ich bin kein prinzipieller Gegner. Wenn ich mich bisher nicht ohne<lb/>
Einschränkung dafür ausgesprochen habe, so waren Bedenken die Ursache,<lb/>
welche auch heute nicht zerstreut sind. Der Begriff scheint mir noch nicht<lb/>
genügend geklärt zu sein. Der Umriß der ihnen zuzuweisenden Aufgabe scheint<lb/>
mir noch allzu undeutlich. Es ist zweifelhaft, bei welchen Stellen sie gebildet<lb/>
werden sollen. Schon Provinzialstellen und noch mehr Bezirksstellen werden<lb/>
oft nicht die genügende Zahl von Beamten aufweisen, um einen ausreichenden<lb/>
Wahlkörper abzugeben. Die Frage, ob alle Beamten einer Stelle den Wahl¬<lb/>
körper bilden sollen oder ob die Wahl aus einzelnen Gruppen vollzogen wird.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0278] Ser Beamte als Staatsbürger jeden Schein eines Gegensatzes zu verhüten, um das vorhandene Gefühl der Zusammengehörigkeit des Beamtenkörpers innerhalb einer Verwaltung zu hüten und zu pflegen. Wo einen einzelnen ein Schmerz drückt, soll er selbst und darf er an zuständiger Stelle vorstellig werden. Aber warum will man es ihm verwehren, sich nun nach einen: Beistand um¬ zusehen, eine Unterstützung sich zu suchen? Freilich muß der Beistand die Grenzen kennen und einhalten, und ein etwa angegangener Abgeordneter wird Kenntnis der bestehenden Vorschriften und Takt genug besitzen, um zu wissen, daß sein Eintreten nicht auf eine unzulässige Einwirkung auf die sachliche Ent¬ scheidung, sondern nur auf ein gerechtes, in Formen und Pflichten durch Gesetz festgelegtes Verfahren gerichtet sein darf. Wo aber die Interessen einer ganzen Beamtenklasse, einer ganzen Betriebsabteilung in Frage stehen, da sollte es erlaubt und für zweckmäßig erachtet werden, auch einmal mit den Vertretern eines diese Klasse von Beamten umschließenden Vereins in das Benehmen zu treten, Fühlung zu nehmen. Man darf doch auch die zunächst Betroffenen um ihre Meinung befragen, hören, ohne damit der eigenen Würde etwas zu vergeben und sich der eigenen freien Entschließung zu berauben. Diese Aussprache kann nur aufklärend wirken, sie kann Verständnis für die Gründe der seitens der Verwaltung ergehenden Entschließung verbreiten, sie unterstützt damit deren Durchführung. Daß man die Beamtenvereinigung nicht übergeht und geflissentlich übersieht, wird in dem Beamten nur das Staatsgefühl stärken und ihm die Un¬ zulässigkeit und Ungehörigkeit eines jeden Druckes und einer jeden Drohung unter Bezug auf die von ihm vertretene Masse begreiflich machen. Es wird die weitere Wirkung zeitigen, daß man innerhalb der Organisation den Wert guter Beziehung zu der Verwaltung schätzen lernt. Man wird vermeiden, als Ver¬ treter der Organisation Personen zu bestimmen, deren Veranlagung eine Störung dieser guten Beziehung herbeiführen könnte, die aber anderseits genügend Sachkenntnis, Erfahrung und selbständige Meinung besitzen, so daß eine Verwaltung in der Lage sein wird, die in der Masse treibenden wertvollen Kräfte sich nutzbar zu machen und durch deren Vertrauen das Vertrauen der Masse zu gewinnen. Ein Teil dieser Erwägungen trifft auch für die vou den Beamtenvereini¬ gungen aufgestellte Forderung der Bildung von Beamtenausschüssen zu. Ich bin kein prinzipieller Gegner. Wenn ich mich bisher nicht ohne Einschränkung dafür ausgesprochen habe, so waren Bedenken die Ursache, welche auch heute nicht zerstreut sind. Der Begriff scheint mir noch nicht genügend geklärt zu sein. Der Umriß der ihnen zuzuweisenden Aufgabe scheint mir noch allzu undeutlich. Es ist zweifelhaft, bei welchen Stellen sie gebildet werden sollen. Schon Provinzialstellen und noch mehr Bezirksstellen werden oft nicht die genügende Zahl von Beamten aufweisen, um einen ausreichenden Wahlkörper abzugeben. Die Frage, ob alle Beamten einer Stelle den Wahl¬ körper bilden sollen oder ob die Wahl aus einzelnen Gruppen vollzogen wird.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/278
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/278>, abgerufen am 24.07.2024.