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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Der Beamte als Staatsbürger

in Fleisch und Blut übergegangen. Daran wird der deutsche Beamte in allen
seinen Stufen niemals rütteln. Auf ein Streikrecht erhebt er keinen Anspruch,
und was Sabotage heißt, das wird in deutschen Landen alle Zeiten ein unbekannter
Begriff bleiben. Diese Zuversicht auszusprechen, dazu gibt uns doch wohl das
bisherige Verhalten der deutschen Beamtenschaft und auch das bisherige Auftreten
aller bestehenden Beamtenorganisationen ein nicht bestreitbares Recht. Ehrfurcht
und Achtung wird jeder Beamte seinen Vorgesetzten entgegenbringen. Denn es
ist andererseits mit dem Bewußtsein der Pflichten untrennlich verbunden, daß
der Vorgesetzte sich solche durch Gerechtigkeit und Unparteilichkeit, durch
Verständnis für die Lage des Untergebenen verdient. Die Verpflichtung,
durch sein persönliches Verhalten sich das Vertrauen zu bewahren, das
sein Beruf, seine amtliche Stellung erfordert, wird den Beamten die
Rücksicht vor seiner eigenen Würde lehren. Darum müssen wir verlangen,
daß ein jeder, der sich entschließt, Beamter zu werden, auch ernstlich
mit sich zu Rate gehe und prüfe, welche Verantwortlichkeit er auf sich
nimmt. Aus seiner eigenen Überzeugung heraus muß er sich Klarheit darüber
bilden, wie weit er gehen darf. Seine ganze Betätigung muß sich decken mit
seiner aus eigenem Erkennen geschöpften Welt- und Staatsauffassung. Und
wenn er dann zu Beginn seiner Laufbahn den Treueid dem Staate, seinem
Landesherrn und der Verfassung leistet, so muß er sich bewußt sein, daß er
auf monarchischen Boden steht, daß er sich nicht Bestrebungen und der Förde¬
rung von Zielen zuwenden darf, welche zu ihrem letzten Ende gegen den Bestand
des Staates gerichtet sind. Wer soviel Überwindung nicht glaubt üben zu
können, der schließt sich besser aus den Reihen der Beamten von vornherein aus.

Daraus darf aber nun nicht die Folgerung gezogen werden, als ob der
Beamte sich jeder eigenen politischen Meinung begeben müsse; er darf in seinen
staatsbürgerlichen Rechten nicht über den Umfang der Amtspflichten hinaus
beschränkt werden. Auf den Boden seines Staates zu treten, dazu kam er aus
eigener freier Entschließung. Im übrigen mag er einer Partei, die auf dem¬
selben Boden steht, angehören, sei es welche es sei; er mag einem Kandidaten
einer solchen Partei bei Wahlen die Stimme geben. Das ist Ausübung
seines vornehmsten Staatsbürgerrechts, das ihm so gut zusteht wie jedem
anderen. Und wenn er über sich gewinnt, selbst tütig in das politische Partei¬
leben einzugreifen, -- wer will es ihm verwehren, der die Auffassung teilt, daß
der Beamte schon vermöge seiner Stellung Gelegenheit hat, mit allen Teilen
des Volks in Berührung zu kommen, daß ihm am ehesten ruhige und sachliche
Aufklärung gegeben sei. Dabei den Takt und Anstand zu wahren, ist für ihn
eine selbstverständliche Pflicht. Aber muß ihn diese Rücksicht unter allen Um¬
ständen zum gouvernementalen Vertreter der jeweiligen Regierung machen? Ich
sehe hier ganz ab von den unmittelbaren, auch zur politischen Vertretung der
Regierung berufenen Beamten, für welche eine Ausnahme gelten mag. wenn¬
gleich wir keine parlamentarische Regierung und kein Regierungssystem haben.


Der Beamte als Staatsbürger

in Fleisch und Blut übergegangen. Daran wird der deutsche Beamte in allen
seinen Stufen niemals rütteln. Auf ein Streikrecht erhebt er keinen Anspruch,
und was Sabotage heißt, das wird in deutschen Landen alle Zeiten ein unbekannter
Begriff bleiben. Diese Zuversicht auszusprechen, dazu gibt uns doch wohl das
bisherige Verhalten der deutschen Beamtenschaft und auch das bisherige Auftreten
aller bestehenden Beamtenorganisationen ein nicht bestreitbares Recht. Ehrfurcht
und Achtung wird jeder Beamte seinen Vorgesetzten entgegenbringen. Denn es
ist andererseits mit dem Bewußtsein der Pflichten untrennlich verbunden, daß
der Vorgesetzte sich solche durch Gerechtigkeit und Unparteilichkeit, durch
Verständnis für die Lage des Untergebenen verdient. Die Verpflichtung,
durch sein persönliches Verhalten sich das Vertrauen zu bewahren, das
sein Beruf, seine amtliche Stellung erfordert, wird den Beamten die
Rücksicht vor seiner eigenen Würde lehren. Darum müssen wir verlangen,
daß ein jeder, der sich entschließt, Beamter zu werden, auch ernstlich
mit sich zu Rate gehe und prüfe, welche Verantwortlichkeit er auf sich
nimmt. Aus seiner eigenen Überzeugung heraus muß er sich Klarheit darüber
bilden, wie weit er gehen darf. Seine ganze Betätigung muß sich decken mit
seiner aus eigenem Erkennen geschöpften Welt- und Staatsauffassung. Und
wenn er dann zu Beginn seiner Laufbahn den Treueid dem Staate, seinem
Landesherrn und der Verfassung leistet, so muß er sich bewußt sein, daß er
auf monarchischen Boden steht, daß er sich nicht Bestrebungen und der Förde¬
rung von Zielen zuwenden darf, welche zu ihrem letzten Ende gegen den Bestand
des Staates gerichtet sind. Wer soviel Überwindung nicht glaubt üben zu
können, der schließt sich besser aus den Reihen der Beamten von vornherein aus.

Daraus darf aber nun nicht die Folgerung gezogen werden, als ob der
Beamte sich jeder eigenen politischen Meinung begeben müsse; er darf in seinen
staatsbürgerlichen Rechten nicht über den Umfang der Amtspflichten hinaus
beschränkt werden. Auf den Boden seines Staates zu treten, dazu kam er aus
eigener freier Entschließung. Im übrigen mag er einer Partei, die auf dem¬
selben Boden steht, angehören, sei es welche es sei; er mag einem Kandidaten
einer solchen Partei bei Wahlen die Stimme geben. Das ist Ausübung
seines vornehmsten Staatsbürgerrechts, das ihm so gut zusteht wie jedem
anderen. Und wenn er über sich gewinnt, selbst tütig in das politische Partei¬
leben einzugreifen, — wer will es ihm verwehren, der die Auffassung teilt, daß
der Beamte schon vermöge seiner Stellung Gelegenheit hat, mit allen Teilen
des Volks in Berührung zu kommen, daß ihm am ehesten ruhige und sachliche
Aufklärung gegeben sei. Dabei den Takt und Anstand zu wahren, ist für ihn
eine selbstverständliche Pflicht. Aber muß ihn diese Rücksicht unter allen Um¬
ständen zum gouvernementalen Vertreter der jeweiligen Regierung machen? Ich
sehe hier ganz ab von den unmittelbaren, auch zur politischen Vertretung der
Regierung berufenen Beamten, für welche eine Ausnahme gelten mag. wenn¬
gleich wir keine parlamentarische Regierung und kein Regierungssystem haben.


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[0275] Der Beamte als Staatsbürger in Fleisch und Blut übergegangen. Daran wird der deutsche Beamte in allen seinen Stufen niemals rütteln. Auf ein Streikrecht erhebt er keinen Anspruch, und was Sabotage heißt, das wird in deutschen Landen alle Zeiten ein unbekannter Begriff bleiben. Diese Zuversicht auszusprechen, dazu gibt uns doch wohl das bisherige Verhalten der deutschen Beamtenschaft und auch das bisherige Auftreten aller bestehenden Beamtenorganisationen ein nicht bestreitbares Recht. Ehrfurcht und Achtung wird jeder Beamte seinen Vorgesetzten entgegenbringen. Denn es ist andererseits mit dem Bewußtsein der Pflichten untrennlich verbunden, daß der Vorgesetzte sich solche durch Gerechtigkeit und Unparteilichkeit, durch Verständnis für die Lage des Untergebenen verdient. Die Verpflichtung, durch sein persönliches Verhalten sich das Vertrauen zu bewahren, das sein Beruf, seine amtliche Stellung erfordert, wird den Beamten die Rücksicht vor seiner eigenen Würde lehren. Darum müssen wir verlangen, daß ein jeder, der sich entschließt, Beamter zu werden, auch ernstlich mit sich zu Rate gehe und prüfe, welche Verantwortlichkeit er auf sich nimmt. Aus seiner eigenen Überzeugung heraus muß er sich Klarheit darüber bilden, wie weit er gehen darf. Seine ganze Betätigung muß sich decken mit seiner aus eigenem Erkennen geschöpften Welt- und Staatsauffassung. Und wenn er dann zu Beginn seiner Laufbahn den Treueid dem Staate, seinem Landesherrn und der Verfassung leistet, so muß er sich bewußt sein, daß er auf monarchischen Boden steht, daß er sich nicht Bestrebungen und der Förde¬ rung von Zielen zuwenden darf, welche zu ihrem letzten Ende gegen den Bestand des Staates gerichtet sind. Wer soviel Überwindung nicht glaubt üben zu können, der schließt sich besser aus den Reihen der Beamten von vornherein aus. Daraus darf aber nun nicht die Folgerung gezogen werden, als ob der Beamte sich jeder eigenen politischen Meinung begeben müsse; er darf in seinen staatsbürgerlichen Rechten nicht über den Umfang der Amtspflichten hinaus beschränkt werden. Auf den Boden seines Staates zu treten, dazu kam er aus eigener freier Entschließung. Im übrigen mag er einer Partei, die auf dem¬ selben Boden steht, angehören, sei es welche es sei; er mag einem Kandidaten einer solchen Partei bei Wahlen die Stimme geben. Das ist Ausübung seines vornehmsten Staatsbürgerrechts, das ihm so gut zusteht wie jedem anderen. Und wenn er über sich gewinnt, selbst tütig in das politische Partei¬ leben einzugreifen, — wer will es ihm verwehren, der die Auffassung teilt, daß der Beamte schon vermöge seiner Stellung Gelegenheit hat, mit allen Teilen des Volks in Berührung zu kommen, daß ihm am ehesten ruhige und sachliche Aufklärung gegeben sei. Dabei den Takt und Anstand zu wahren, ist für ihn eine selbstverständliche Pflicht. Aber muß ihn diese Rücksicht unter allen Um¬ ständen zum gouvernementalen Vertreter der jeweiligen Regierung machen? Ich sehe hier ganz ab von den unmittelbaren, auch zur politischen Vertretung der Regierung berufenen Beamten, für welche eine Ausnahme gelten mag. wenn¬ gleich wir keine parlamentarische Regierung und kein Regierungssystem haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/275>, abgerufen am 24.07.2024.