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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Der Lcamte als Staatsbürger

fachen Wünsche, die vielen sich kreuzenden Anliegen, die anläßlich der neuen
Gehaltsordnung an Regierung und Parlament vorgebracht wurden, haben
zusammen mit der Empfindung, daß man so und so viele neue Steuern auf¬
bringen müsse, lediglich um die Beamten besser zu stellen, seine Beliebtheit nicht
gerade vermehrt. Darüber wird aber vergessen, daß man von Gesetz zu Gesetz
eilte, dessen Ausführung und Vollzug man notgedrungen in die Hände der
Beamten legen mußte. Darüber wird nur zu leicht übersehen, daß es ohne
Verwaltung in keinem Großbetrieb, viel weniger im Staat geht, daß der
Beamte durch seine Tätigkeit mitarbeitet an der Verteilung und Vermittelung
der Güter, an der Sicherstellung des Eigentums und seiner Verwertung.
Seine Arbeit ist darum mit der erwerbstätigen Arbeit der übrigen Stände
unauflöslich verknüpft; sie trägt ihr gut Teil zur Schaffung und Mehrung des
Nationalvermögens bei. Diese Aufgabe stellt den Beamten mitten hinein in
das Leben des Volks. Will er ihr gerecht werden, so muß er ein offenes
Auge, ein wachsames Ohr haben, so muß er die Strömungen, die Bedürfnisse
des Volks kennen lernen, sammeln und an die richtigen Stellen zur Kenntnis
bringen. Die Beamtenschaft, die solchermaßen ihre Aufgabe richtig versteht,
bildet keinen Gegensatz zu der übrigen Bürgerschaft, aus der der Beamte selbst
hervorgegangen ist. Darum darf die Beamtenlaufbahn nicht ein Privileg der
Reichen oder Vornehmen sein; sie muß zugänglich sein jedem befähigten Kopf,
der die erforderliche Schule und Ausbildung nachgewiesen hat. Ebensowenig
wollen wir die Abschließung des Beamten als besondere Klasse weder gegenüber
den übrigen Teilen der Bevölkerung noch uuter deu einzelnen Beamtenklassen
selbst. Jeder achte in dem anderen den Beamten als solchen, der an seinein
Platz nach seinen Kräften mitarbeitet. Er sehe nicht scheel, wenn es auch einmal
einem besonders klugen und hervorragend begabten Manne gelingt, aus einer
unteren Klasse in die obere überzuspringen, ohne daß vielleicht alle Voraus¬
setzungen für diese Beförderung erfüllt wären.

Die Erfüllung der Beamtenpflicht nach dieser Auffassung setzt eine
gewissenhafte Selbstprüfung und ein hohes Maß von Pflichttreue voraus.
Der Beamte muß sich klar darüber sein, welche Verpflichtung er mit den: Eintritt
in seine Laufbahn übernimmt; er muß seinem Beruf mit Hingabe der ganzen
Persönlichkeit zu Diensten stehen. Die erforderliche Arbeit muß bewältigt werden,
sollte sie auch zu ihrer Erledigung mehr als die gewöhnliche und übliche Be¬
schäftigungszeit beanspruchen. Wo sich daraus für den Einzelnen eine dauernde
Überanstrengung seiner körperlichen und geistigen Kräfte ergibt, hat der Staat
auf baldige und ausreichende Abhilfe zu sinnen; er wird es schon im eigenen
Interesse der Erhaltung der Leistungsfähigkeit nicht verabsäumen. Der Beamte
wird sich schicken in die durch Gesetz und Verordnung geregelte Art des dienst¬
lichen Verkehrs unter den Behörden und mit seinen Vorgesetzten. Ohne Disziplin
und Gehorsam läßt sich eine ersprießliche Verwaltung der Staatsgeschäfte nicht
durchführen. Das Empfinden dafür ist dem Beamten durch langjährige Erziehung


Der Lcamte als Staatsbürger

fachen Wünsche, die vielen sich kreuzenden Anliegen, die anläßlich der neuen
Gehaltsordnung an Regierung und Parlament vorgebracht wurden, haben
zusammen mit der Empfindung, daß man so und so viele neue Steuern auf¬
bringen müsse, lediglich um die Beamten besser zu stellen, seine Beliebtheit nicht
gerade vermehrt. Darüber wird aber vergessen, daß man von Gesetz zu Gesetz
eilte, dessen Ausführung und Vollzug man notgedrungen in die Hände der
Beamten legen mußte. Darüber wird nur zu leicht übersehen, daß es ohne
Verwaltung in keinem Großbetrieb, viel weniger im Staat geht, daß der
Beamte durch seine Tätigkeit mitarbeitet an der Verteilung und Vermittelung
der Güter, an der Sicherstellung des Eigentums und seiner Verwertung.
Seine Arbeit ist darum mit der erwerbstätigen Arbeit der übrigen Stände
unauflöslich verknüpft; sie trägt ihr gut Teil zur Schaffung und Mehrung des
Nationalvermögens bei. Diese Aufgabe stellt den Beamten mitten hinein in
das Leben des Volks. Will er ihr gerecht werden, so muß er ein offenes
Auge, ein wachsames Ohr haben, so muß er die Strömungen, die Bedürfnisse
des Volks kennen lernen, sammeln und an die richtigen Stellen zur Kenntnis
bringen. Die Beamtenschaft, die solchermaßen ihre Aufgabe richtig versteht,
bildet keinen Gegensatz zu der übrigen Bürgerschaft, aus der der Beamte selbst
hervorgegangen ist. Darum darf die Beamtenlaufbahn nicht ein Privileg der
Reichen oder Vornehmen sein; sie muß zugänglich sein jedem befähigten Kopf,
der die erforderliche Schule und Ausbildung nachgewiesen hat. Ebensowenig
wollen wir die Abschließung des Beamten als besondere Klasse weder gegenüber
den übrigen Teilen der Bevölkerung noch uuter deu einzelnen Beamtenklassen
selbst. Jeder achte in dem anderen den Beamten als solchen, der an seinein
Platz nach seinen Kräften mitarbeitet. Er sehe nicht scheel, wenn es auch einmal
einem besonders klugen und hervorragend begabten Manne gelingt, aus einer
unteren Klasse in die obere überzuspringen, ohne daß vielleicht alle Voraus¬
setzungen für diese Beförderung erfüllt wären.

Die Erfüllung der Beamtenpflicht nach dieser Auffassung setzt eine
gewissenhafte Selbstprüfung und ein hohes Maß von Pflichttreue voraus.
Der Beamte muß sich klar darüber sein, welche Verpflichtung er mit den: Eintritt
in seine Laufbahn übernimmt; er muß seinem Beruf mit Hingabe der ganzen
Persönlichkeit zu Diensten stehen. Die erforderliche Arbeit muß bewältigt werden,
sollte sie auch zu ihrer Erledigung mehr als die gewöhnliche und übliche Be¬
schäftigungszeit beanspruchen. Wo sich daraus für den Einzelnen eine dauernde
Überanstrengung seiner körperlichen und geistigen Kräfte ergibt, hat der Staat
auf baldige und ausreichende Abhilfe zu sinnen; er wird es schon im eigenen
Interesse der Erhaltung der Leistungsfähigkeit nicht verabsäumen. Der Beamte
wird sich schicken in die durch Gesetz und Verordnung geregelte Art des dienst¬
lichen Verkehrs unter den Behörden und mit seinen Vorgesetzten. Ohne Disziplin
und Gehorsam läßt sich eine ersprießliche Verwaltung der Staatsgeschäfte nicht
durchführen. Das Empfinden dafür ist dem Beamten durch langjährige Erziehung


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[0274] Der Lcamte als Staatsbürger fachen Wünsche, die vielen sich kreuzenden Anliegen, die anläßlich der neuen Gehaltsordnung an Regierung und Parlament vorgebracht wurden, haben zusammen mit der Empfindung, daß man so und so viele neue Steuern auf¬ bringen müsse, lediglich um die Beamten besser zu stellen, seine Beliebtheit nicht gerade vermehrt. Darüber wird aber vergessen, daß man von Gesetz zu Gesetz eilte, dessen Ausführung und Vollzug man notgedrungen in die Hände der Beamten legen mußte. Darüber wird nur zu leicht übersehen, daß es ohne Verwaltung in keinem Großbetrieb, viel weniger im Staat geht, daß der Beamte durch seine Tätigkeit mitarbeitet an der Verteilung und Vermittelung der Güter, an der Sicherstellung des Eigentums und seiner Verwertung. Seine Arbeit ist darum mit der erwerbstätigen Arbeit der übrigen Stände unauflöslich verknüpft; sie trägt ihr gut Teil zur Schaffung und Mehrung des Nationalvermögens bei. Diese Aufgabe stellt den Beamten mitten hinein in das Leben des Volks. Will er ihr gerecht werden, so muß er ein offenes Auge, ein wachsames Ohr haben, so muß er die Strömungen, die Bedürfnisse des Volks kennen lernen, sammeln und an die richtigen Stellen zur Kenntnis bringen. Die Beamtenschaft, die solchermaßen ihre Aufgabe richtig versteht, bildet keinen Gegensatz zu der übrigen Bürgerschaft, aus der der Beamte selbst hervorgegangen ist. Darum darf die Beamtenlaufbahn nicht ein Privileg der Reichen oder Vornehmen sein; sie muß zugänglich sein jedem befähigten Kopf, der die erforderliche Schule und Ausbildung nachgewiesen hat. Ebensowenig wollen wir die Abschließung des Beamten als besondere Klasse weder gegenüber den übrigen Teilen der Bevölkerung noch uuter deu einzelnen Beamtenklassen selbst. Jeder achte in dem anderen den Beamten als solchen, der an seinein Platz nach seinen Kräften mitarbeitet. Er sehe nicht scheel, wenn es auch einmal einem besonders klugen und hervorragend begabten Manne gelingt, aus einer unteren Klasse in die obere überzuspringen, ohne daß vielleicht alle Voraus¬ setzungen für diese Beförderung erfüllt wären. Die Erfüllung der Beamtenpflicht nach dieser Auffassung setzt eine gewissenhafte Selbstprüfung und ein hohes Maß von Pflichttreue voraus. Der Beamte muß sich klar darüber sein, welche Verpflichtung er mit den: Eintritt in seine Laufbahn übernimmt; er muß seinem Beruf mit Hingabe der ganzen Persönlichkeit zu Diensten stehen. Die erforderliche Arbeit muß bewältigt werden, sollte sie auch zu ihrer Erledigung mehr als die gewöhnliche und übliche Be¬ schäftigungszeit beanspruchen. Wo sich daraus für den Einzelnen eine dauernde Überanstrengung seiner körperlichen und geistigen Kräfte ergibt, hat der Staat auf baldige und ausreichende Abhilfe zu sinnen; er wird es schon im eigenen Interesse der Erhaltung der Leistungsfähigkeit nicht verabsäumen. Der Beamte wird sich schicken in die durch Gesetz und Verordnung geregelte Art des dienst¬ lichen Verkehrs unter den Behörden und mit seinen Vorgesetzten. Ohne Disziplin und Gehorsam läßt sich eine ersprießliche Verwaltung der Staatsgeschäfte nicht durchführen. Das Empfinden dafür ist dem Beamten durch langjährige Erziehung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/274>, abgerufen am 24.07.2024.