Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.Der Beamte als Staatsbürger an die manigfachem Anregungen für eine Ausgestaltung der für das Hohe Haus Und dochl Wer aufmerksam hinhört, wird den politischen Unterton nicht Diesen nicht hoch genug zu schätzenden geistigen Gewinn wird eine Partei Nicht vou den Privatbeamten soll hier die Rede sein, obwohl ihre Der Beamte als Staatsbürger an die manigfachem Anregungen für eine Ausgestaltung der für das Hohe Haus Und dochl Wer aufmerksam hinhört, wird den politischen Unterton nicht Diesen nicht hoch genug zu schätzenden geistigen Gewinn wird eine Partei Nicht vou den Privatbeamten soll hier die Rede sein, obwohl ihre <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0272" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/317885"/> <fw type="header" place="top"> Der Beamte als Staatsbürger</fw><lb/> <p xml:id="ID_1309" prev="#ID_1308"> an die manigfachem Anregungen für eine Ausgestaltung der für das Hohe Haus<lb/> geltenden Geschäftsordnung, an den Versuch einer wirksamen Durchführung der<lb/> Ministerverantwortlichkeit im Reiche sei erinnert. So belebte sich die Hoffnung<lb/> von der aufgehenden Erkenntnis, daß unser staatliches öffentliches Leben sich nicht in<lb/> der Lösung nur wirtschaftlicher Fragen erschöpfe; so erkannte man, daß vielmehr<lb/> daneben in hervorragender Weise Fragen rein politischen Charakters wie in früheren<lb/> Zeiten das Denken und Empfinden des Volks erfüllen und daß deren ersprie߬<lb/> liche Lösung herbeizuführen nur auf den Wegen und in dem Nahmen einer<lb/> politischen Partei glücken kann. Allein alle die frohen Erwartungen sollten nicht in<lb/> Erfüllung gehen. Sie brachen zusammen, als die Reichsfinanzreform nur von den:<lb/> Standpunkt eines ganz einseitigen Interesses aus ihre Erledigung fand. Aufs<lb/> neue und schlimmer als vorher waren die Gegensätze der verschiedenen Interessen<lb/> aufgerührt. Wiederum sehen wir die Jnteressenverbünde auf den Plan treten,<lb/> mit frischem Eifer ihre Forderungen vertreten und mit größerem und geringerem<lb/> Erfolg die Berechtigung ihrer besonderen Bevorzugung beweisen. Es sind sogar<lb/> neue Organisationen hinzugekommen, die ihre Tätigkeit über das ganze Reich<lb/> ausdehnen und alle Kreise der Bevölkerung, die nur irgendwie eine Beziehung<lb/> an sie zu binden vermag, zu erfassen streben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1310"> Und dochl Wer aufmerksam hinhört, wird den politischen Unterton nicht<lb/> verkennen. Zwar wird den politischen Parteien eindringlich ihre Verpflichtung<lb/> in das Gedächtnis gerufen, sich dauernd der sorgsamsten Beachtung und Pflege<lb/> wirtschaftlicher Interessen hinzugeben, aber daneben schwingen bedeutsame ideelle<lb/> und kulturelle Forderungen mit. Wohl sind auch diese ideellen und kulturellen<lb/> Forderungen noch Standesformen, noch ragen sie vielfach in die Grenzen des<lb/> rein politischen Gebietes hinein und werden sich die gute Meinung und Förderung<lb/> durch die politischen Parteien erobern müssen, wenn sie zum Ziele gelangen<lb/> wollen. Die Parteien anderseits werden gut tun, sich dem Verständnis dieser<lb/> Bestrebungen nicht zu verschließen; sie werden in Fühlung mit dem Empfinden<lb/> des Volkes bleiben, sie werden in der Lage sein, ihren Reihen neue Kräfte zu<lb/> gewinnen, deren Erfahrung, Können und Wissen in den Dienst ihrer Sache zu<lb/> stellen, sie werden auf diese Weise ihre eigene weitere Entwickelung in richtigem<lb/> Verhältnis zu der fortschreitenden Entwickelung im Staate und im Volk halten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1311"> Diesen nicht hoch genug zu schätzenden geistigen Gewinn wird eine Partei<lb/> nicht zum mindesten gerade aus der Bewegung ziehen, welche sich wohl als<lb/> letzte der großen Standes- und Interessenvertretungen gebildet hat. Ich meine<lb/> die Bewegung unter den Beamten aller Art, die, wie nicht bestritten werden<lb/> kann, gerade in der gegenwärtigen Zeit, ohne die Erreichung materieller Vor¬<lb/> teile außer acht lassen zu wollen, ihre staatsbürgerlichen, ihre ideellen und<lb/> kulturellen Interessen an die erste Stelle ihrer Bestrebungen rückt. Ich habe<lb/> hierbei in erster Linie die Reichs-, Staats- und Kommunalbeamten im Auge.</p><lb/> <p xml:id="ID_1312" next="#ID_1313"> Nicht vou den Privatbeamten soll hier die Rede sein, obwohl ihre<lb/> Wünsche nach Schaffung einer staatlichen Versicherung ähnlich derjenigen für die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0272]
Der Beamte als Staatsbürger
an die manigfachem Anregungen für eine Ausgestaltung der für das Hohe Haus
geltenden Geschäftsordnung, an den Versuch einer wirksamen Durchführung der
Ministerverantwortlichkeit im Reiche sei erinnert. So belebte sich die Hoffnung
von der aufgehenden Erkenntnis, daß unser staatliches öffentliches Leben sich nicht in
der Lösung nur wirtschaftlicher Fragen erschöpfe; so erkannte man, daß vielmehr
daneben in hervorragender Weise Fragen rein politischen Charakters wie in früheren
Zeiten das Denken und Empfinden des Volks erfüllen und daß deren ersprie߬
liche Lösung herbeizuführen nur auf den Wegen und in dem Nahmen einer
politischen Partei glücken kann. Allein alle die frohen Erwartungen sollten nicht in
Erfüllung gehen. Sie brachen zusammen, als die Reichsfinanzreform nur von den:
Standpunkt eines ganz einseitigen Interesses aus ihre Erledigung fand. Aufs
neue und schlimmer als vorher waren die Gegensätze der verschiedenen Interessen
aufgerührt. Wiederum sehen wir die Jnteressenverbünde auf den Plan treten,
mit frischem Eifer ihre Forderungen vertreten und mit größerem und geringerem
Erfolg die Berechtigung ihrer besonderen Bevorzugung beweisen. Es sind sogar
neue Organisationen hinzugekommen, die ihre Tätigkeit über das ganze Reich
ausdehnen und alle Kreise der Bevölkerung, die nur irgendwie eine Beziehung
an sie zu binden vermag, zu erfassen streben.
Und dochl Wer aufmerksam hinhört, wird den politischen Unterton nicht
verkennen. Zwar wird den politischen Parteien eindringlich ihre Verpflichtung
in das Gedächtnis gerufen, sich dauernd der sorgsamsten Beachtung und Pflege
wirtschaftlicher Interessen hinzugeben, aber daneben schwingen bedeutsame ideelle
und kulturelle Forderungen mit. Wohl sind auch diese ideellen und kulturellen
Forderungen noch Standesformen, noch ragen sie vielfach in die Grenzen des
rein politischen Gebietes hinein und werden sich die gute Meinung und Förderung
durch die politischen Parteien erobern müssen, wenn sie zum Ziele gelangen
wollen. Die Parteien anderseits werden gut tun, sich dem Verständnis dieser
Bestrebungen nicht zu verschließen; sie werden in Fühlung mit dem Empfinden
des Volkes bleiben, sie werden in der Lage sein, ihren Reihen neue Kräfte zu
gewinnen, deren Erfahrung, Können und Wissen in den Dienst ihrer Sache zu
stellen, sie werden auf diese Weise ihre eigene weitere Entwickelung in richtigem
Verhältnis zu der fortschreitenden Entwickelung im Staate und im Volk halten.
Diesen nicht hoch genug zu schätzenden geistigen Gewinn wird eine Partei
nicht zum mindesten gerade aus der Bewegung ziehen, welche sich wohl als
letzte der großen Standes- und Interessenvertretungen gebildet hat. Ich meine
die Bewegung unter den Beamten aller Art, die, wie nicht bestritten werden
kann, gerade in der gegenwärtigen Zeit, ohne die Erreichung materieller Vor¬
teile außer acht lassen zu wollen, ihre staatsbürgerlichen, ihre ideellen und
kulturellen Interessen an die erste Stelle ihrer Bestrebungen rückt. Ich habe
hierbei in erster Linie die Reichs-, Staats- und Kommunalbeamten im Auge.
Nicht vou den Privatbeamten soll hier die Rede sein, obwohl ihre
Wünsche nach Schaffung einer staatlichen Versicherung ähnlich derjenigen für die
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