Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das sächsische Gesetz über Gemeiildeverbände

der Gemeindeordnungen nur für die politischen Gemeinden galten. Gerade in
neuester Zeit hatte sich aber gezeigt, daß in manchen Fällen die Interessen der
Schul- und Kirchengemeinden mit denen der politischen Gemeinden parallel laufen
und daß daher Fälle eintreten können, in denen die Schul- und Kirchgemeinden
mit Vorteil politischen Gemeindeverbänden beitreten. Es gilt dies beispielsweise
von der Haftpflichtversicherung. Mir solchen Beitritt fehlte es aber bisher an
einer sicheren gesetzlichen Grundlage.

Diese Erwägungen hatten die Königlich Sächsische Staatsregierung veranlaßt,
den Entwurf eines Gesetzes über Gemeindeverbände vorzulegen, welcher sich an
die auf dem Gemeindetage zu Annaburg im Jahre 1909 gepflogenen Verhand¬
lungen anlehnt.

Die Grundgedanken, auf denen das neue Gesetz aufgebaut ist, lassen sich
in folgenden Sätzen zusammenfassen:

1. Die Gemeindeverbände bilden ein wichtiges Glied der weiteren kom¬
munalen Entwicklung. Sie sollen daher gefördert, ihre Entstehung erleichtert
werden. Die Verbandsbildung stellt sich ohnehin häufig als eine schwierige
Aufgabe dar, bei der Lauheit und Unentschiedenheit, Sonderinteressen und Schwer¬
fälligkeit zu überwinden sind, während nur die Schnelligkeit des Zustandekommens
den Erfolg verbürgt. Deshalb sollen wenigstens die formalen gesetzlichen Er¬
fordernisse auf ein Mindestmaß herabgesetzt werden.

Sie bestehen darin, daß die übereinstimmenden Beschlüsse der beteiligten
Gemeinden und Gutsherrschaften über die Errichtung einer Verbandssatzung
zwar der Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde bedürfen, daß aber die Ver¬
sagung dieser Genehmigung sowie die Beanstandung einzelner Bestimmungen zu
begründen find (Z 2).

Wollen sich Gemeinden und Gutsbezirke zu einem vorübergehenden Zweck
oder zur Prüfung und Vorbereitung der Gründung eines dauernden Verbandes,
wobei an Vorverbände für Straßenbahnanlagen, in Entwässerungsgebieten und
dergleichen gedacht ist, vereinigen, so bedarf es ebenfalls nur gleichbedeutender
Beschlüsse der Gemeinden und Gutsherrschaften, sowie der Genehmigung ihrer
Aufsichtsbehörden. In den Beschlüssen sind die Anteile der Beteiligten an den
Ausgaben und ihre sonstigen Rechte und Pflichten festzustellen. Der Verband
endet mit der Errichtung seines Zwecks oder durch übereinstimmende Beschlüsse
der Beteiligten. Diese bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörden. Die
Genehmigung soll erst nach Regelung aller Verbindlichkeiten erteilt werden (§ 19).

2. Die Staatsaufsicht soll sich nicht weiter erstrecken, als sie bisher schon
ging; selbstverständlich muß sie denselben Umfang haben wie die Aufsicht über
-die Gemeinden.

Der Verband bedarf daher der Genehmigung der Aufsichtsbehörde zur
Übernahme bleibender Verbindlichkeiten und zur Aufnahme von Schulden, die
nicht im Laufe des nächsten Geschäftsjahres getilgt werden. Für das Verhältnis
Äer Aufsichtsbehörde zu dem Verbände, seinen Mitgliedern und Organen gelten


Das sächsische Gesetz über Gemeiildeverbände

der Gemeindeordnungen nur für die politischen Gemeinden galten. Gerade in
neuester Zeit hatte sich aber gezeigt, daß in manchen Fällen die Interessen der
Schul- und Kirchengemeinden mit denen der politischen Gemeinden parallel laufen
und daß daher Fälle eintreten können, in denen die Schul- und Kirchgemeinden
mit Vorteil politischen Gemeindeverbänden beitreten. Es gilt dies beispielsweise
von der Haftpflichtversicherung. Mir solchen Beitritt fehlte es aber bisher an
einer sicheren gesetzlichen Grundlage.

Diese Erwägungen hatten die Königlich Sächsische Staatsregierung veranlaßt,
den Entwurf eines Gesetzes über Gemeindeverbände vorzulegen, welcher sich an
die auf dem Gemeindetage zu Annaburg im Jahre 1909 gepflogenen Verhand¬
lungen anlehnt.

Die Grundgedanken, auf denen das neue Gesetz aufgebaut ist, lassen sich
in folgenden Sätzen zusammenfassen:

1. Die Gemeindeverbände bilden ein wichtiges Glied der weiteren kom¬
munalen Entwicklung. Sie sollen daher gefördert, ihre Entstehung erleichtert
werden. Die Verbandsbildung stellt sich ohnehin häufig als eine schwierige
Aufgabe dar, bei der Lauheit und Unentschiedenheit, Sonderinteressen und Schwer¬
fälligkeit zu überwinden sind, während nur die Schnelligkeit des Zustandekommens
den Erfolg verbürgt. Deshalb sollen wenigstens die formalen gesetzlichen Er¬
fordernisse auf ein Mindestmaß herabgesetzt werden.

Sie bestehen darin, daß die übereinstimmenden Beschlüsse der beteiligten
Gemeinden und Gutsherrschaften über die Errichtung einer Verbandssatzung
zwar der Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde bedürfen, daß aber die Ver¬
sagung dieser Genehmigung sowie die Beanstandung einzelner Bestimmungen zu
begründen find (Z 2).

Wollen sich Gemeinden und Gutsbezirke zu einem vorübergehenden Zweck
oder zur Prüfung und Vorbereitung der Gründung eines dauernden Verbandes,
wobei an Vorverbände für Straßenbahnanlagen, in Entwässerungsgebieten und
dergleichen gedacht ist, vereinigen, so bedarf es ebenfalls nur gleichbedeutender
Beschlüsse der Gemeinden und Gutsherrschaften, sowie der Genehmigung ihrer
Aufsichtsbehörden. In den Beschlüssen sind die Anteile der Beteiligten an den
Ausgaben und ihre sonstigen Rechte und Pflichten festzustellen. Der Verband
endet mit der Errichtung seines Zwecks oder durch übereinstimmende Beschlüsse
der Beteiligten. Diese bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörden. Die
Genehmigung soll erst nach Regelung aller Verbindlichkeiten erteilt werden (§ 19).

2. Die Staatsaufsicht soll sich nicht weiter erstrecken, als sie bisher schon
ging; selbstverständlich muß sie denselben Umfang haben wie die Aufsicht über
-die Gemeinden.

Der Verband bedarf daher der Genehmigung der Aufsichtsbehörde zur
Übernahme bleibender Verbindlichkeiten und zur Aufnahme von Schulden, die
nicht im Laufe des nächsten Geschäftsjahres getilgt werden. Für das Verhältnis
Äer Aufsichtsbehörde zu dem Verbände, seinen Mitgliedern und Organen gelten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0169" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/317782"/>
          <fw type="header" place="top"> Das sächsische Gesetz über Gemeiildeverbände</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_788" prev="#ID_787"> der Gemeindeordnungen nur für die politischen Gemeinden galten. Gerade in<lb/>
neuester Zeit hatte sich aber gezeigt, daß in manchen Fällen die Interessen der<lb/>
Schul- und Kirchengemeinden mit denen der politischen Gemeinden parallel laufen<lb/>
und daß daher Fälle eintreten können, in denen die Schul- und Kirchgemeinden<lb/>
mit Vorteil politischen Gemeindeverbänden beitreten. Es gilt dies beispielsweise<lb/>
von der Haftpflichtversicherung. Mir solchen Beitritt fehlte es aber bisher an<lb/>
einer sicheren gesetzlichen Grundlage.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_789"> Diese Erwägungen hatten die Königlich Sächsische Staatsregierung veranlaßt,<lb/>
den Entwurf eines Gesetzes über Gemeindeverbände vorzulegen, welcher sich an<lb/>
die auf dem Gemeindetage zu Annaburg im Jahre 1909 gepflogenen Verhand¬<lb/>
lungen anlehnt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_790"> Die Grundgedanken, auf denen das neue Gesetz aufgebaut ist, lassen sich<lb/>
in folgenden Sätzen zusammenfassen:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_791"> 1. Die Gemeindeverbände bilden ein wichtiges Glied der weiteren kom¬<lb/>
munalen Entwicklung. Sie sollen daher gefördert, ihre Entstehung erleichtert<lb/>
werden. Die Verbandsbildung stellt sich ohnehin häufig als eine schwierige<lb/>
Aufgabe dar, bei der Lauheit und Unentschiedenheit, Sonderinteressen und Schwer¬<lb/>
fälligkeit zu überwinden sind, während nur die Schnelligkeit des Zustandekommens<lb/>
den Erfolg verbürgt. Deshalb sollen wenigstens die formalen gesetzlichen Er¬<lb/>
fordernisse auf ein Mindestmaß herabgesetzt werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_792"> Sie bestehen darin, daß die übereinstimmenden Beschlüsse der beteiligten<lb/>
Gemeinden und Gutsherrschaften über die Errichtung einer Verbandssatzung<lb/>
zwar der Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde bedürfen, daß aber die Ver¬<lb/>
sagung dieser Genehmigung sowie die Beanstandung einzelner Bestimmungen zu<lb/>
begründen find (Z 2).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_793"> Wollen sich Gemeinden und Gutsbezirke zu einem vorübergehenden Zweck<lb/>
oder zur Prüfung und Vorbereitung der Gründung eines dauernden Verbandes,<lb/>
wobei an Vorverbände für Straßenbahnanlagen, in Entwässerungsgebieten und<lb/>
dergleichen gedacht ist, vereinigen, so bedarf es ebenfalls nur gleichbedeutender<lb/>
Beschlüsse der Gemeinden und Gutsherrschaften, sowie der Genehmigung ihrer<lb/>
Aufsichtsbehörden. In den Beschlüssen sind die Anteile der Beteiligten an den<lb/>
Ausgaben und ihre sonstigen Rechte und Pflichten festzustellen. Der Verband<lb/>
endet mit der Errichtung seines Zwecks oder durch übereinstimmende Beschlüsse<lb/>
der Beteiligten. Diese bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörden. Die<lb/>
Genehmigung soll erst nach Regelung aller Verbindlichkeiten erteilt werden (§ 19).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_794"> 2. Die Staatsaufsicht soll sich nicht weiter erstrecken, als sie bisher schon<lb/>
ging; selbstverständlich muß sie denselben Umfang haben wie die Aufsicht über<lb/>
-die Gemeinden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_795" next="#ID_796"> Der Verband bedarf daher der Genehmigung der Aufsichtsbehörde zur<lb/>
Übernahme bleibender Verbindlichkeiten und zur Aufnahme von Schulden, die<lb/>
nicht im Laufe des nächsten Geschäftsjahres getilgt werden. Für das Verhältnis<lb/>
Äer Aufsichtsbehörde zu dem Verbände, seinen Mitgliedern und Organen gelten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0169] Das sächsische Gesetz über Gemeiildeverbände der Gemeindeordnungen nur für die politischen Gemeinden galten. Gerade in neuester Zeit hatte sich aber gezeigt, daß in manchen Fällen die Interessen der Schul- und Kirchengemeinden mit denen der politischen Gemeinden parallel laufen und daß daher Fälle eintreten können, in denen die Schul- und Kirchgemeinden mit Vorteil politischen Gemeindeverbänden beitreten. Es gilt dies beispielsweise von der Haftpflichtversicherung. Mir solchen Beitritt fehlte es aber bisher an einer sicheren gesetzlichen Grundlage. Diese Erwägungen hatten die Königlich Sächsische Staatsregierung veranlaßt, den Entwurf eines Gesetzes über Gemeindeverbände vorzulegen, welcher sich an die auf dem Gemeindetage zu Annaburg im Jahre 1909 gepflogenen Verhand¬ lungen anlehnt. Die Grundgedanken, auf denen das neue Gesetz aufgebaut ist, lassen sich in folgenden Sätzen zusammenfassen: 1. Die Gemeindeverbände bilden ein wichtiges Glied der weiteren kom¬ munalen Entwicklung. Sie sollen daher gefördert, ihre Entstehung erleichtert werden. Die Verbandsbildung stellt sich ohnehin häufig als eine schwierige Aufgabe dar, bei der Lauheit und Unentschiedenheit, Sonderinteressen und Schwer¬ fälligkeit zu überwinden sind, während nur die Schnelligkeit des Zustandekommens den Erfolg verbürgt. Deshalb sollen wenigstens die formalen gesetzlichen Er¬ fordernisse auf ein Mindestmaß herabgesetzt werden. Sie bestehen darin, daß die übereinstimmenden Beschlüsse der beteiligten Gemeinden und Gutsherrschaften über die Errichtung einer Verbandssatzung zwar der Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde bedürfen, daß aber die Ver¬ sagung dieser Genehmigung sowie die Beanstandung einzelner Bestimmungen zu begründen find (Z 2). Wollen sich Gemeinden und Gutsbezirke zu einem vorübergehenden Zweck oder zur Prüfung und Vorbereitung der Gründung eines dauernden Verbandes, wobei an Vorverbände für Straßenbahnanlagen, in Entwässerungsgebieten und dergleichen gedacht ist, vereinigen, so bedarf es ebenfalls nur gleichbedeutender Beschlüsse der Gemeinden und Gutsherrschaften, sowie der Genehmigung ihrer Aufsichtsbehörden. In den Beschlüssen sind die Anteile der Beteiligten an den Ausgaben und ihre sonstigen Rechte und Pflichten festzustellen. Der Verband endet mit der Errichtung seines Zwecks oder durch übereinstimmende Beschlüsse der Beteiligten. Diese bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörden. Die Genehmigung soll erst nach Regelung aller Verbindlichkeiten erteilt werden (§ 19). 2. Die Staatsaufsicht soll sich nicht weiter erstrecken, als sie bisher schon ging; selbstverständlich muß sie denselben Umfang haben wie die Aufsicht über -die Gemeinden. Der Verband bedarf daher der Genehmigung der Aufsichtsbehörde zur Übernahme bleibender Verbindlichkeiten und zur Aufnahme von Schulden, die nicht im Laufe des nächsten Geschäftsjahres getilgt werden. Für das Verhältnis Äer Aufsichtsbehörde zu dem Verbände, seinen Mitgliedern und Organen gelten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/169
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/169>, abgerufen am 04.07.2024.