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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Im Flecken

So ergibt sich also, daß die heutige Lage in Marokko den deutschen
Interessen ac jure wohl genügend gerecht wird, daß cle facto aber ihre
Wahrung äußerst schwierig und nnr möglich ist, wenn die Kaiserliche Regierung
bei jeder auftauchenden Frage von den im Abkommen zugestandenen Rechten
den energischsten und rigorosesten Gebrauch macht, und wenn ferner die deutschen
Interessenten bei jeder sich bietenden Gelegenheit rechtzeitig mobil machen bezw.
mobil gemacht werden. Bei der Vielseitigkeit der sich in Zukunft bietenden
Aufgaben und der Kompliziertheit der einschlägigen Verhältnisse erscheint es
dringend nötig, daß die deutsche Regierung nach dem Vorbild der englischen
gleichfalls einen mit den marokkanischen Verhältnissen durchaus vertrauten und
mit den Interessenten in Fühlung stehenden Handelsattache für Marokko
ernennt. Die Aufgabe desselben müßte nicht nur in rechtzeitigen Hinweisen
auf sich bietende Gelegenheiten, sondern auch in der Sammlung aller wirtschaft¬
lichen Kräfte und der energischen Wahrnehmung der im Abkommen verbrieften
Rechte bestehen. Auf diesem Wege wird es vielleicht möglich sein, unsere
bedrohten Wirtschaftsinteressen in Marokko einigermaßen zu schützen.




Im Flecken
Lrzählung aus der russischen Provinz
Alexander Andreas-v. Reyher von
Zwölftes Kapitel: Auf der Spur.

Der Südwind stellte sich ein. Warmer Regen löste den Schnee. Maria
Verkündigung behauptete die diesem Feste in der Gegend zugeschriebene Eigentüm-
lichkeit, daß kein Eis länger standhalten könne. Die Schollen trieben lustig auf
dein angeschwollenen Bache am Flecken vorbei hinunter zum Flusse. Bachstelzen
riefen an dem sandigen Ufer, trippelten zierlichen Laufes den eben erschienenen
Insekten nach und wippten dazu mit den langen Schwänzchen. Die Schnepfen
mußten angekommen sein.

Okolitsch ging mit der Flinte und Bol durch den Flecken, um den ersten
Versuch des Anstandes hinter der Poststation zu machen, wo der Wald undichter
und daher vom Schnee entblößter war. Als er eben den Hauptplatz guerte,
begegnete ihm ein betrunkener Mensch, dem Anscheine nach ein Bauer, der ihn
pfiffig anblinzelte. Okolitsch blieb stehen und sah ihm nach. Das schlaue Gesicht,
die kleine, schmutzige Gestalt -- haha, das war ja der Kerl, den er vor einem
Jahre am hohen Chausseehange vor dem Niederstürzen samt dem Wagen und
Pferde behütet und der ihn darauf des Diebstahls beschuldigt hatte. Lächelnd
verfolgte er ihn mit den Augen. Vor der Polizeiverwaltung stand der alte Schutz¬
mann Onissim und guckte mit unzufriedenen Gesicht auf den schwankenden Bauern.
Dieser zog die Mütze, und der Schutzmann rief ihm barsch nach:


Im Flecken

So ergibt sich also, daß die heutige Lage in Marokko den deutschen
Interessen ac jure wohl genügend gerecht wird, daß cle facto aber ihre
Wahrung äußerst schwierig und nnr möglich ist, wenn die Kaiserliche Regierung
bei jeder auftauchenden Frage von den im Abkommen zugestandenen Rechten
den energischsten und rigorosesten Gebrauch macht, und wenn ferner die deutschen
Interessenten bei jeder sich bietenden Gelegenheit rechtzeitig mobil machen bezw.
mobil gemacht werden. Bei der Vielseitigkeit der sich in Zukunft bietenden
Aufgaben und der Kompliziertheit der einschlägigen Verhältnisse erscheint es
dringend nötig, daß die deutsche Regierung nach dem Vorbild der englischen
gleichfalls einen mit den marokkanischen Verhältnissen durchaus vertrauten und
mit den Interessenten in Fühlung stehenden Handelsattache für Marokko
ernennt. Die Aufgabe desselben müßte nicht nur in rechtzeitigen Hinweisen
auf sich bietende Gelegenheiten, sondern auch in der Sammlung aller wirtschaft¬
lichen Kräfte und der energischen Wahrnehmung der im Abkommen verbrieften
Rechte bestehen. Auf diesem Wege wird es vielleicht möglich sein, unsere
bedrohten Wirtschaftsinteressen in Marokko einigermaßen zu schützen.




Im Flecken
Lrzählung aus der russischen Provinz
Alexander Andreas-v. Reyher von
Zwölftes Kapitel: Auf der Spur.

Der Südwind stellte sich ein. Warmer Regen löste den Schnee. Maria
Verkündigung behauptete die diesem Feste in der Gegend zugeschriebene Eigentüm-
lichkeit, daß kein Eis länger standhalten könne. Die Schollen trieben lustig auf
dein angeschwollenen Bache am Flecken vorbei hinunter zum Flusse. Bachstelzen
riefen an dem sandigen Ufer, trippelten zierlichen Laufes den eben erschienenen
Insekten nach und wippten dazu mit den langen Schwänzchen. Die Schnepfen
mußten angekommen sein.

Okolitsch ging mit der Flinte und Bol durch den Flecken, um den ersten
Versuch des Anstandes hinter der Poststation zu machen, wo der Wald undichter
und daher vom Schnee entblößter war. Als er eben den Hauptplatz guerte,
begegnete ihm ein betrunkener Mensch, dem Anscheine nach ein Bauer, der ihn
pfiffig anblinzelte. Okolitsch blieb stehen und sah ihm nach. Das schlaue Gesicht,
die kleine, schmutzige Gestalt — haha, das war ja der Kerl, den er vor einem
Jahre am hohen Chausseehange vor dem Niederstürzen samt dem Wagen und
Pferde behütet und der ihn darauf des Diebstahls beschuldigt hatte. Lächelnd
verfolgte er ihn mit den Augen. Vor der Polizeiverwaltung stand der alte Schutz¬
mann Onissim und guckte mit unzufriedenen Gesicht auf den schwankenden Bauern.
Dieser zog die Mütze, und der Schutzmann rief ihm barsch nach:


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[0148] Im Flecken So ergibt sich also, daß die heutige Lage in Marokko den deutschen Interessen ac jure wohl genügend gerecht wird, daß cle facto aber ihre Wahrung äußerst schwierig und nnr möglich ist, wenn die Kaiserliche Regierung bei jeder auftauchenden Frage von den im Abkommen zugestandenen Rechten den energischsten und rigorosesten Gebrauch macht, und wenn ferner die deutschen Interessenten bei jeder sich bietenden Gelegenheit rechtzeitig mobil machen bezw. mobil gemacht werden. Bei der Vielseitigkeit der sich in Zukunft bietenden Aufgaben und der Kompliziertheit der einschlägigen Verhältnisse erscheint es dringend nötig, daß die deutsche Regierung nach dem Vorbild der englischen gleichfalls einen mit den marokkanischen Verhältnissen durchaus vertrauten und mit den Interessenten in Fühlung stehenden Handelsattache für Marokko ernennt. Die Aufgabe desselben müßte nicht nur in rechtzeitigen Hinweisen auf sich bietende Gelegenheiten, sondern auch in der Sammlung aller wirtschaft¬ lichen Kräfte und der energischen Wahrnehmung der im Abkommen verbrieften Rechte bestehen. Auf diesem Wege wird es vielleicht möglich sein, unsere bedrohten Wirtschaftsinteressen in Marokko einigermaßen zu schützen. Im Flecken Lrzählung aus der russischen Provinz Alexander Andreas-v. Reyher von Zwölftes Kapitel: Auf der Spur. Der Südwind stellte sich ein. Warmer Regen löste den Schnee. Maria Verkündigung behauptete die diesem Feste in der Gegend zugeschriebene Eigentüm- lichkeit, daß kein Eis länger standhalten könne. Die Schollen trieben lustig auf dein angeschwollenen Bache am Flecken vorbei hinunter zum Flusse. Bachstelzen riefen an dem sandigen Ufer, trippelten zierlichen Laufes den eben erschienenen Insekten nach und wippten dazu mit den langen Schwänzchen. Die Schnepfen mußten angekommen sein. Okolitsch ging mit der Flinte und Bol durch den Flecken, um den ersten Versuch des Anstandes hinter der Poststation zu machen, wo der Wald undichter und daher vom Schnee entblößter war. Als er eben den Hauptplatz guerte, begegnete ihm ein betrunkener Mensch, dem Anscheine nach ein Bauer, der ihn pfiffig anblinzelte. Okolitsch blieb stehen und sah ihm nach. Das schlaue Gesicht, die kleine, schmutzige Gestalt — haha, das war ja der Kerl, den er vor einem Jahre am hohen Chausseehange vor dem Niederstürzen samt dem Wagen und Pferde behütet und der ihn darauf des Diebstahls beschuldigt hatte. Lächelnd verfolgte er ihn mit den Augen. Vor der Polizeiverwaltung stand der alte Schutz¬ mann Onissim und guckte mit unzufriedenen Gesicht auf den schwankenden Bauern. Dieser zog die Mütze, und der Schutzmann rief ihm barsch nach:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/148>, abgerufen am 24.07.2024.