Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Bl'ganisatio" des Reichsversichorungswesens

berg) hat das Reich nur ein und zwar sehr engmaschiges Netz von Reichs¬
behörden ausgebreitet, das sind die Dienststellen der Neichsverkehrsverwaltung
(Post und Telegraphie). Nach dem Plane der Regierung sollte auch die neue
Versicherungsverwaltung neuen Landesbehörden übertragen werden, die nur ebenso
wie die Zollverwaltung Reichsgeschäste zu verrichten hätten. Demgegenüber liegt
es nahe, den neuen Verwaltungszweig den bereits bestehenden Reichsbehörden
zu übertragen. Dieser Gedanke scheint um so einleuchtender, als die Post-
verwaltung schon jetzt an der Ausführung der Reichsversicherungsgesetze in mehr¬
facher Hinsicht beteiligt ist. Allerdings sind ihr nur die mechanischen Geschäfte
übertragen: der Vertrieb der Versicherungsmarken und die Auszahlung der
Renten. Demgemäß haben bis in die höheren Behörden hinein (in den Renten¬
rechnung sstellen bei deit Oberpostdirektionen) bisher eigentlich nur die mittleren
Beamten dieser Verwaltung mit den Geschäften Befassung. Der eine höhere
Vorbildung erfordernde Teil der Geschäfte liegt ja bei anderen Behörden.
Jedermann weiß, welche Unsumme von Schriftwechsel, Abrechnungen, Abnahmen
und daher auch Kosten für die beteiligten Verwaltungen auf der einen Seite
und wieviel Unbequemlichkeiten, besonders bei Auskünften, Irrtümern, Rekla¬
mationen usw. für die Versicherungsnehmer auf der anderen Seite diese Trennung
bedeutet. Wenn man sich an diesen Zustand in fünfundzwanzig Jahren auch
allmählich gewöhnt hat, so wäre es heute, wo man allerorten nach Verwaltnngs-
reformen ruft, wohl an der Zeit, diesen Organisationsfehler zu beseitigen. Wir
schlagen daher vor: die den Versicherungsämtern zugedachten Geschäfte einer
unteren Spruch-, Beschluß- und Aufsichtsbehörde in allen Versicherungszweigen
deu mit einem höheren Beamten als Vorsteher besetzten Lokalbehörden der Post-
verwaltung, es sind dies die Postämter erster Klasse, zuzuweisen.

Welche Vorteile würde dies bieten und welche Bedenken erheben sich
dagegen? -- Der Hauptvorzug würde liegen in der Einheitlichkeit der Ver¬
waltung des gesamten Arbeiterversicherungswesens, die größer wäre, als wenn
der Plan der Regierung verwirklicht würde. Daß dies in jeder Beziehung eine
große Verbesserung bedeuten würde, ist zu offenbar, als daß man es noch näher
zu erläutern brauchte. Beiläufig bemerkt kosteten nach Finster, "Die deutsche
Reichspost im Dienste der Arbeiterversicherung" (Berlin 1905) S. 48 allein die
Rentenrechnungsstellen schon damals jährlich 340116 Mark. Bei dem rapiden
Steigen der Zahl der Renten wird eine halbe Million Mark bald erreicht sein.
Diese Nentenrcchnungsstellen sind weiter nichts als Vermittelungsstellen zwischen
den Versicherungsorganen und den Postämtern: sie nehmen die Zahlungs¬
anweisungen entgegen und geben sie nach einer formellen Prüfung an die
zahlenden Postämter weiter; von diesen erhalten sie nach der Zahlung die
Quittungen über die Rentenbeträge, um sie, ebenfalls nach Prüfung, den Ver-
sicherungsorganen wieder in Rechnung zu stellen. Hier müssen aber Zahlungs¬
anweisungen und Quittungen natürlich ebenso sorgfältig geprüft werden. Die
Geschäfte der Rentenrechnungsstellen sind daher im wesentlichen nur notwendig


Die Bl'ganisatio» des Reichsversichorungswesens

berg) hat das Reich nur ein und zwar sehr engmaschiges Netz von Reichs¬
behörden ausgebreitet, das sind die Dienststellen der Neichsverkehrsverwaltung
(Post und Telegraphie). Nach dem Plane der Regierung sollte auch die neue
Versicherungsverwaltung neuen Landesbehörden übertragen werden, die nur ebenso
wie die Zollverwaltung Reichsgeschäste zu verrichten hätten. Demgegenüber liegt
es nahe, den neuen Verwaltungszweig den bereits bestehenden Reichsbehörden
zu übertragen. Dieser Gedanke scheint um so einleuchtender, als die Post-
verwaltung schon jetzt an der Ausführung der Reichsversicherungsgesetze in mehr¬
facher Hinsicht beteiligt ist. Allerdings sind ihr nur die mechanischen Geschäfte
übertragen: der Vertrieb der Versicherungsmarken und die Auszahlung der
Renten. Demgemäß haben bis in die höheren Behörden hinein (in den Renten¬
rechnung sstellen bei deit Oberpostdirektionen) bisher eigentlich nur die mittleren
Beamten dieser Verwaltung mit den Geschäften Befassung. Der eine höhere
Vorbildung erfordernde Teil der Geschäfte liegt ja bei anderen Behörden.
Jedermann weiß, welche Unsumme von Schriftwechsel, Abrechnungen, Abnahmen
und daher auch Kosten für die beteiligten Verwaltungen auf der einen Seite
und wieviel Unbequemlichkeiten, besonders bei Auskünften, Irrtümern, Rekla¬
mationen usw. für die Versicherungsnehmer auf der anderen Seite diese Trennung
bedeutet. Wenn man sich an diesen Zustand in fünfundzwanzig Jahren auch
allmählich gewöhnt hat, so wäre es heute, wo man allerorten nach Verwaltnngs-
reformen ruft, wohl an der Zeit, diesen Organisationsfehler zu beseitigen. Wir
schlagen daher vor: die den Versicherungsämtern zugedachten Geschäfte einer
unteren Spruch-, Beschluß- und Aufsichtsbehörde in allen Versicherungszweigen
deu mit einem höheren Beamten als Vorsteher besetzten Lokalbehörden der Post-
verwaltung, es sind dies die Postämter erster Klasse, zuzuweisen.

Welche Vorteile würde dies bieten und welche Bedenken erheben sich
dagegen? — Der Hauptvorzug würde liegen in der Einheitlichkeit der Ver¬
waltung des gesamten Arbeiterversicherungswesens, die größer wäre, als wenn
der Plan der Regierung verwirklicht würde. Daß dies in jeder Beziehung eine
große Verbesserung bedeuten würde, ist zu offenbar, als daß man es noch näher
zu erläutern brauchte. Beiläufig bemerkt kosteten nach Finster, „Die deutsche
Reichspost im Dienste der Arbeiterversicherung" (Berlin 1905) S. 48 allein die
Rentenrechnungsstellen schon damals jährlich 340116 Mark. Bei dem rapiden
Steigen der Zahl der Renten wird eine halbe Million Mark bald erreicht sein.
Diese Nentenrcchnungsstellen sind weiter nichts als Vermittelungsstellen zwischen
den Versicherungsorganen und den Postämtern: sie nehmen die Zahlungs¬
anweisungen entgegen und geben sie nach einer formellen Prüfung an die
zahlenden Postämter weiter; von diesen erhalten sie nach der Zahlung die
Quittungen über die Rentenbeträge, um sie, ebenfalls nach Prüfung, den Ver-
sicherungsorganen wieder in Rechnung zu stellen. Hier müssen aber Zahlungs¬
anweisungen und Quittungen natürlich ebenso sorgfältig geprüft werden. Die
Geschäfte der Rentenrechnungsstellen sind daher im wesentlichen nur notwendig


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0431" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/317382"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Bl'ganisatio» des Reichsversichorungswesens</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1953" prev="#ID_1952"> berg) hat das Reich nur ein und zwar sehr engmaschiges Netz von Reichs¬<lb/>
behörden ausgebreitet, das sind die Dienststellen der Neichsverkehrsverwaltung<lb/>
(Post und Telegraphie). Nach dem Plane der Regierung sollte auch die neue<lb/>
Versicherungsverwaltung neuen Landesbehörden übertragen werden, die nur ebenso<lb/>
wie die Zollverwaltung Reichsgeschäste zu verrichten hätten. Demgegenüber liegt<lb/>
es nahe, den neuen Verwaltungszweig den bereits bestehenden Reichsbehörden<lb/>
zu übertragen. Dieser Gedanke scheint um so einleuchtender, als die Post-<lb/>
verwaltung schon jetzt an der Ausführung der Reichsversicherungsgesetze in mehr¬<lb/>
facher Hinsicht beteiligt ist. Allerdings sind ihr nur die mechanischen Geschäfte<lb/>
übertragen: der Vertrieb der Versicherungsmarken und die Auszahlung der<lb/>
Renten. Demgemäß haben bis in die höheren Behörden hinein (in den Renten¬<lb/>
rechnung sstellen bei deit Oberpostdirektionen) bisher eigentlich nur die mittleren<lb/>
Beamten dieser Verwaltung mit den Geschäften Befassung. Der eine höhere<lb/>
Vorbildung erfordernde Teil der Geschäfte liegt ja bei anderen Behörden.<lb/>
Jedermann weiß, welche Unsumme von Schriftwechsel, Abrechnungen, Abnahmen<lb/>
und daher auch Kosten für die beteiligten Verwaltungen auf der einen Seite<lb/>
und wieviel Unbequemlichkeiten, besonders bei Auskünften, Irrtümern, Rekla¬<lb/>
mationen usw. für die Versicherungsnehmer auf der anderen Seite diese Trennung<lb/>
bedeutet. Wenn man sich an diesen Zustand in fünfundzwanzig Jahren auch<lb/>
allmählich gewöhnt hat, so wäre es heute, wo man allerorten nach Verwaltnngs-<lb/>
reformen ruft, wohl an der Zeit, diesen Organisationsfehler zu beseitigen. Wir<lb/>
schlagen daher vor: die den Versicherungsämtern zugedachten Geschäfte einer<lb/>
unteren Spruch-, Beschluß- und Aufsichtsbehörde in allen Versicherungszweigen<lb/>
deu mit einem höheren Beamten als Vorsteher besetzten Lokalbehörden der Post-<lb/>
verwaltung, es sind dies die Postämter erster Klasse, zuzuweisen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1954" next="#ID_1955"> Welche Vorteile würde dies bieten und welche Bedenken erheben sich<lb/>
dagegen? &#x2014; Der Hauptvorzug würde liegen in der Einheitlichkeit der Ver¬<lb/>
waltung des gesamten Arbeiterversicherungswesens, die größer wäre, als wenn<lb/>
der Plan der Regierung verwirklicht würde. Daß dies in jeder Beziehung eine<lb/>
große Verbesserung bedeuten würde, ist zu offenbar, als daß man es noch näher<lb/>
zu erläutern brauchte. Beiläufig bemerkt kosteten nach Finster, &#x201E;Die deutsche<lb/>
Reichspost im Dienste der Arbeiterversicherung" (Berlin 1905) S. 48 allein die<lb/>
Rentenrechnungsstellen schon damals jährlich 340116 Mark. Bei dem rapiden<lb/>
Steigen der Zahl der Renten wird eine halbe Million Mark bald erreicht sein.<lb/>
Diese Nentenrcchnungsstellen sind weiter nichts als Vermittelungsstellen zwischen<lb/>
den Versicherungsorganen und den Postämtern: sie nehmen die Zahlungs¬<lb/>
anweisungen entgegen und geben sie nach einer formellen Prüfung an die<lb/>
zahlenden Postämter weiter; von diesen erhalten sie nach der Zahlung die<lb/>
Quittungen über die Rentenbeträge, um sie, ebenfalls nach Prüfung, den Ver-<lb/>
sicherungsorganen wieder in Rechnung zu stellen. Hier müssen aber Zahlungs¬<lb/>
anweisungen und Quittungen natürlich ebenso sorgfältig geprüft werden. Die<lb/>
Geschäfte der Rentenrechnungsstellen sind daher im wesentlichen nur notwendig</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0431] Die Bl'ganisatio» des Reichsversichorungswesens berg) hat das Reich nur ein und zwar sehr engmaschiges Netz von Reichs¬ behörden ausgebreitet, das sind die Dienststellen der Neichsverkehrsverwaltung (Post und Telegraphie). Nach dem Plane der Regierung sollte auch die neue Versicherungsverwaltung neuen Landesbehörden übertragen werden, die nur ebenso wie die Zollverwaltung Reichsgeschäste zu verrichten hätten. Demgegenüber liegt es nahe, den neuen Verwaltungszweig den bereits bestehenden Reichsbehörden zu übertragen. Dieser Gedanke scheint um so einleuchtender, als die Post- verwaltung schon jetzt an der Ausführung der Reichsversicherungsgesetze in mehr¬ facher Hinsicht beteiligt ist. Allerdings sind ihr nur die mechanischen Geschäfte übertragen: der Vertrieb der Versicherungsmarken und die Auszahlung der Renten. Demgemäß haben bis in die höheren Behörden hinein (in den Renten¬ rechnung sstellen bei deit Oberpostdirektionen) bisher eigentlich nur die mittleren Beamten dieser Verwaltung mit den Geschäften Befassung. Der eine höhere Vorbildung erfordernde Teil der Geschäfte liegt ja bei anderen Behörden. Jedermann weiß, welche Unsumme von Schriftwechsel, Abrechnungen, Abnahmen und daher auch Kosten für die beteiligten Verwaltungen auf der einen Seite und wieviel Unbequemlichkeiten, besonders bei Auskünften, Irrtümern, Rekla¬ mationen usw. für die Versicherungsnehmer auf der anderen Seite diese Trennung bedeutet. Wenn man sich an diesen Zustand in fünfundzwanzig Jahren auch allmählich gewöhnt hat, so wäre es heute, wo man allerorten nach Verwaltnngs- reformen ruft, wohl an der Zeit, diesen Organisationsfehler zu beseitigen. Wir schlagen daher vor: die den Versicherungsämtern zugedachten Geschäfte einer unteren Spruch-, Beschluß- und Aufsichtsbehörde in allen Versicherungszweigen deu mit einem höheren Beamten als Vorsteher besetzten Lokalbehörden der Post- verwaltung, es sind dies die Postämter erster Klasse, zuzuweisen. Welche Vorteile würde dies bieten und welche Bedenken erheben sich dagegen? — Der Hauptvorzug würde liegen in der Einheitlichkeit der Ver¬ waltung des gesamten Arbeiterversicherungswesens, die größer wäre, als wenn der Plan der Regierung verwirklicht würde. Daß dies in jeder Beziehung eine große Verbesserung bedeuten würde, ist zu offenbar, als daß man es noch näher zu erläutern brauchte. Beiläufig bemerkt kosteten nach Finster, „Die deutsche Reichspost im Dienste der Arbeiterversicherung" (Berlin 1905) S. 48 allein die Rentenrechnungsstellen schon damals jährlich 340116 Mark. Bei dem rapiden Steigen der Zahl der Renten wird eine halbe Million Mark bald erreicht sein. Diese Nentenrcchnungsstellen sind weiter nichts als Vermittelungsstellen zwischen den Versicherungsorganen und den Postämtern: sie nehmen die Zahlungs¬ anweisungen entgegen und geben sie nach einer formellen Prüfung an die zahlenden Postämter weiter; von diesen erhalten sie nach der Zahlung die Quittungen über die Rentenbeträge, um sie, ebenfalls nach Prüfung, den Ver- sicherungsorganen wieder in Rechnung zu stellen. Hier müssen aber Zahlungs¬ anweisungen und Quittungen natürlich ebenso sorgfältig geprüft werden. Die Geschäfte der Rentenrechnungsstellen sind daher im wesentlichen nur notwendig

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/431
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/431>, abgerufen am 23.07.2024.