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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Mirklichc Schäden in der preußischen Verwaltung

nur daran, daß nach Mitteilungen des Ministers von Hammerstein im
Abgeordnetenhause im Februar 1905 14,14 v. H. der Landratsämter mit
Katholiken besetzt waren, während nur 7,4 v. H. Negierungsassessoren und
10,7 v. H. der sämtlichen höhern Verwaltungsbeamten der katholischen Konfesston
angehörten. Auch Freiherr von Zedlitz wird nicht behaupten wollen, daß
diese unverhältnismäßig große Zahl katholischer Landräte durch die entsprechend
größere persönliche Befähigung der Katholiken genügend erklärt werde. Die
Kölnische Volkszeitung hat denn auch in ihrem Ärger über die starke Beteiligung
katholischer Beamten an der deutschen Vereinigung im Winter 1906/07 einmal
bemerkt, daß nicht wenige dieser Beamten ohne das Zentrum sür die hohen
Staatsämter, die sie inne hätten, wohl nicht entdeckt worden wären.

Aber auch manche liberale Politiker haben die Wirksamkeit solcher Be¬
ziehungen erfahren. So wurde in den achtziger Jahren das Landratsamt eines
Kreises, worin ein liberaler Führer angesessen war, längere Zeit, wenn ich nicht
irre, fünfviertel Jahre, für einen seiner Söhne frei gehalten, damit dieser in¬
zwischen das Gerichtsassessorenexamen machen und damit die Befähigung für
die Bekleidung eines Landratsamts erwerben könne. Auf diese Weise erhielt dieser
Herr imAlter von sechsundzwanzig Jahren und unmittelbar aus dem Examen heraus,
also, obwohl er vorher niemals selbständig gearbeitet hatte und obwohl er ferner
als Jurist von der Verwaltung nicht das geringste verstand, ein viel umworbenes
Amt, für das ein geschulter Verwaltuugsbeamter ohne Vorspann wahrscheinlich
erst nach einer Assessorendienstzcit von fünf oder sechs Jahren in Frage ge¬
kommen wäre. Und dabei handelte es sich um eine schwierige Übergangszeit,
die die schleunige endgültige Besetzung des Landratsamts dringend geboten hätte.
Einer ähnlichen Bevorzugung hatte sich übrigens auch ein Bruder des eben
genannten Herrn zu erfreuen. Alles das geschah unter dem Minister von Putt-
kamer, dem angeblichen einseitigen Förderer der Herrschaft des ostelbischen
Junkertums.

Also es bleibt dabei: nicht die Zugehörigkeit zum ostelbischen Adel oder
eine bestimmte parteipolitische Anschauung, sondern die persönlichen Beziehungen
sind heutzutage bei uns in der Verwaltung Trumpf. Ob diese Erkenntnis
freilich geeignet sei, die unerfreulichen politischen Wirkungen zu beseitigen, die
die überwiegende Zusammensetzung unsrer Verwaltungsbeamtenschaft aus Au¬
gehörigen eines Kreises, der nun einmal der Träger bestimmter scharf aus¬
geprägter parteipolitischer Ansichten und wirtschaftlicher Bestrebungen ist, not¬
wendig mit sich bringt, ist eine andre Frage.




Mirklichc Schäden in der preußischen Verwaltung

nur daran, daß nach Mitteilungen des Ministers von Hammerstein im
Abgeordnetenhause im Februar 1905 14,14 v. H. der Landratsämter mit
Katholiken besetzt waren, während nur 7,4 v. H. Negierungsassessoren und
10,7 v. H. der sämtlichen höhern Verwaltungsbeamten der katholischen Konfesston
angehörten. Auch Freiherr von Zedlitz wird nicht behaupten wollen, daß
diese unverhältnismäßig große Zahl katholischer Landräte durch die entsprechend
größere persönliche Befähigung der Katholiken genügend erklärt werde. Die
Kölnische Volkszeitung hat denn auch in ihrem Ärger über die starke Beteiligung
katholischer Beamten an der deutschen Vereinigung im Winter 1906/07 einmal
bemerkt, daß nicht wenige dieser Beamten ohne das Zentrum sür die hohen
Staatsämter, die sie inne hätten, wohl nicht entdeckt worden wären.

Aber auch manche liberale Politiker haben die Wirksamkeit solcher Be¬
ziehungen erfahren. So wurde in den achtziger Jahren das Landratsamt eines
Kreises, worin ein liberaler Führer angesessen war, längere Zeit, wenn ich nicht
irre, fünfviertel Jahre, für einen seiner Söhne frei gehalten, damit dieser in¬
zwischen das Gerichtsassessorenexamen machen und damit die Befähigung für
die Bekleidung eines Landratsamts erwerben könne. Auf diese Weise erhielt dieser
Herr imAlter von sechsundzwanzig Jahren und unmittelbar aus dem Examen heraus,
also, obwohl er vorher niemals selbständig gearbeitet hatte und obwohl er ferner
als Jurist von der Verwaltung nicht das geringste verstand, ein viel umworbenes
Amt, für das ein geschulter Verwaltuugsbeamter ohne Vorspann wahrscheinlich
erst nach einer Assessorendienstzcit von fünf oder sechs Jahren in Frage ge¬
kommen wäre. Und dabei handelte es sich um eine schwierige Übergangszeit,
die die schleunige endgültige Besetzung des Landratsamts dringend geboten hätte.
Einer ähnlichen Bevorzugung hatte sich übrigens auch ein Bruder des eben
genannten Herrn zu erfreuen. Alles das geschah unter dem Minister von Putt-
kamer, dem angeblichen einseitigen Förderer der Herrschaft des ostelbischen
Junkertums.

Also es bleibt dabei: nicht die Zugehörigkeit zum ostelbischen Adel oder
eine bestimmte parteipolitische Anschauung, sondern die persönlichen Beziehungen
sind heutzutage bei uns in der Verwaltung Trumpf. Ob diese Erkenntnis
freilich geeignet sei, die unerfreulichen politischen Wirkungen zu beseitigen, die
die überwiegende Zusammensetzung unsrer Verwaltungsbeamtenschaft aus Au¬
gehörigen eines Kreises, der nun einmal der Träger bestimmter scharf aus¬
geprägter parteipolitischer Ansichten und wirtschaftlicher Bestrebungen ist, not¬
wendig mit sich bringt, ist eine andre Frage.




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[0324] Mirklichc Schäden in der preußischen Verwaltung nur daran, daß nach Mitteilungen des Ministers von Hammerstein im Abgeordnetenhause im Februar 1905 14,14 v. H. der Landratsämter mit Katholiken besetzt waren, während nur 7,4 v. H. Negierungsassessoren und 10,7 v. H. der sämtlichen höhern Verwaltungsbeamten der katholischen Konfesston angehörten. Auch Freiherr von Zedlitz wird nicht behaupten wollen, daß diese unverhältnismäßig große Zahl katholischer Landräte durch die entsprechend größere persönliche Befähigung der Katholiken genügend erklärt werde. Die Kölnische Volkszeitung hat denn auch in ihrem Ärger über die starke Beteiligung katholischer Beamten an der deutschen Vereinigung im Winter 1906/07 einmal bemerkt, daß nicht wenige dieser Beamten ohne das Zentrum sür die hohen Staatsämter, die sie inne hätten, wohl nicht entdeckt worden wären. Aber auch manche liberale Politiker haben die Wirksamkeit solcher Be¬ ziehungen erfahren. So wurde in den achtziger Jahren das Landratsamt eines Kreises, worin ein liberaler Führer angesessen war, längere Zeit, wenn ich nicht irre, fünfviertel Jahre, für einen seiner Söhne frei gehalten, damit dieser in¬ zwischen das Gerichtsassessorenexamen machen und damit die Befähigung für die Bekleidung eines Landratsamts erwerben könne. Auf diese Weise erhielt dieser Herr imAlter von sechsundzwanzig Jahren und unmittelbar aus dem Examen heraus, also, obwohl er vorher niemals selbständig gearbeitet hatte und obwohl er ferner als Jurist von der Verwaltung nicht das geringste verstand, ein viel umworbenes Amt, für das ein geschulter Verwaltuugsbeamter ohne Vorspann wahrscheinlich erst nach einer Assessorendienstzcit von fünf oder sechs Jahren in Frage ge¬ kommen wäre. Und dabei handelte es sich um eine schwierige Übergangszeit, die die schleunige endgültige Besetzung des Landratsamts dringend geboten hätte. Einer ähnlichen Bevorzugung hatte sich übrigens auch ein Bruder des eben genannten Herrn zu erfreuen. Alles das geschah unter dem Minister von Putt- kamer, dem angeblichen einseitigen Förderer der Herrschaft des ostelbischen Junkertums. Also es bleibt dabei: nicht die Zugehörigkeit zum ostelbischen Adel oder eine bestimmte parteipolitische Anschauung, sondern die persönlichen Beziehungen sind heutzutage bei uns in der Verwaltung Trumpf. Ob diese Erkenntnis freilich geeignet sei, die unerfreulichen politischen Wirkungen zu beseitigen, die die überwiegende Zusammensetzung unsrer Verwaltungsbeamtenschaft aus Au¬ gehörigen eines Kreises, der nun einmal der Träger bestimmter scharf aus¬ geprägter parteipolitischer Ansichten und wirtschaftlicher Bestrebungen ist, not¬ wendig mit sich bringt, ist eine andre Frage.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/324>, abgerufen am 23.07.2024.