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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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lvirkliche Schäden in der preußischen Verwaltung

Daneben forderte man ein gediegenes fachmännisches Wissen und Können.
Die Beamten mußten "die Funktion, die sie bedienen sollen", wohl verstehn
und mit allen Fragen der Landwirtschaft, des Handels und der Gewerbe, aber
auch mit dein Rechnungswesen und dein sonstigen innern Dienst der Ver¬
waltungsbehörde vertraut sein. In der ersten Zeit mußte man sich freilich
mit rein praktischen Erfahrungen auf diesen Gebieten begnügen. Aber König
Friedrich Wilhelm der Erste sorgte von vornherein auch für eine planmäßige
theoretische und praktische Ausbildung und Schulung des Verwaltungsnachwuchses.
Für jene richtete er in Halle und Frankfurt kameralistische Lehrstühle ein. Die
praktische Vorbildung bestand darin, daß sich die jungen Anwärter des höhern
Verwaltungsdiensts nach Beendigung ihrer Studien einige Zeit, seit 1748
mindestens ein Jahr, auf einem Domänenamt und im Winter in einer Stadt
aufhalten mußten, um unter Anleitung des Domänenvächters und des Steuer¬
rath "zuvörderst die Fundamente" der Landwirtschaft und, der städtischen
Gewerbe kennen zu lernen. Erst hieran schloß sich die Ausbildung in allen
Zweigen des Verwaltungsdiensts bei einer Kriegs- und Domänenkammer,
gelegentlich auch bei einem Steuerrad oder Landrat. Großes Gewicht wurde
dabei auf die Kasseugeschäfte gelegt. Friedrich der Große vollendete diese Ent¬
wicklung, indem er Prüfungen vorschrieb, die den eigentlichen Vorbereitungs¬
dienst einleiteten und abschlossen und 1770 für die Abschlußprüfung in Berlin
eine besondre Prüfuugsbehörde einsetzte, die das Vorbild für alle die zahl¬
reichen Behörden dieser Art in Preußen wurde.

Juristen waren bei den höhern Verwaltungsbehörden nur in geringer Zahl
und fast nur als Justitiare tätig, so daß sie die einheitliche Zusammensetzung
dieser Behörden nicht beeinflußten. Überdies waren die damaligen Juristen für
eine Tätigkeit ini eigentlichen Verwaltungsdienst nicht übel vorbereitet.

Die Lokalbeamten des alten Staats, die Steuerräte und die Landräte,
hatten ne der Regel keine besondre Verwaltungsausbildung genossen. Die
Steuerräte wurden aus den Militärbeamten, den Regimentsquartiermeistern und
den Auditeuren genommen und hatten anscheinend eine juristische Vorbildung.
Aber sie gingen vielfach erst durch den Bureaudienst der Kriegs- und Domänen-
kaminern und waren im übrigen in ihren Militärstellungen immer in einer so
nahen Berührung mit dem städtischen Wesen, daß auch sie allein hierdurch bei der
Kleinheit und der Enge der damaligen Verhältnisse die "Fundamente" für eine
ftuchtbringende Tätigkeit in der Staatsverwaltung besaßen. Dasselbe kann vom
Landrat behauptet werden. Seine Zuständigkeit war sachlich beschränkter als die
des Steuerrath; namentlich waren seine polizeilichen Befugnisse bei weitem nicht
so ausgedehnt. Die Hauptaufgaben des alten Landrath waren die Sorge für die
Unterbringung und die Verpflegung der Truppen auf dem platten Lande, die
Verhandlungen mit den Kreisständen über die Leistungen des Kreises an den
Staat und die Förderung der Landwirtschaft in den ihm unterstehenden Kreis¬
teilen. Für diese Aufgaben brachte er als früherer Offizier, der er meistens


lvirkliche Schäden in der preußischen Verwaltung

Daneben forderte man ein gediegenes fachmännisches Wissen und Können.
Die Beamten mußten „die Funktion, die sie bedienen sollen", wohl verstehn
und mit allen Fragen der Landwirtschaft, des Handels und der Gewerbe, aber
auch mit dein Rechnungswesen und dein sonstigen innern Dienst der Ver¬
waltungsbehörde vertraut sein. In der ersten Zeit mußte man sich freilich
mit rein praktischen Erfahrungen auf diesen Gebieten begnügen. Aber König
Friedrich Wilhelm der Erste sorgte von vornherein auch für eine planmäßige
theoretische und praktische Ausbildung und Schulung des Verwaltungsnachwuchses.
Für jene richtete er in Halle und Frankfurt kameralistische Lehrstühle ein. Die
praktische Vorbildung bestand darin, daß sich die jungen Anwärter des höhern
Verwaltungsdiensts nach Beendigung ihrer Studien einige Zeit, seit 1748
mindestens ein Jahr, auf einem Domänenamt und im Winter in einer Stadt
aufhalten mußten, um unter Anleitung des Domänenvächters und des Steuer¬
rath „zuvörderst die Fundamente" der Landwirtschaft und, der städtischen
Gewerbe kennen zu lernen. Erst hieran schloß sich die Ausbildung in allen
Zweigen des Verwaltungsdiensts bei einer Kriegs- und Domänenkammer,
gelegentlich auch bei einem Steuerrad oder Landrat. Großes Gewicht wurde
dabei auf die Kasseugeschäfte gelegt. Friedrich der Große vollendete diese Ent¬
wicklung, indem er Prüfungen vorschrieb, die den eigentlichen Vorbereitungs¬
dienst einleiteten und abschlossen und 1770 für die Abschlußprüfung in Berlin
eine besondre Prüfuugsbehörde einsetzte, die das Vorbild für alle die zahl¬
reichen Behörden dieser Art in Preußen wurde.

Juristen waren bei den höhern Verwaltungsbehörden nur in geringer Zahl
und fast nur als Justitiare tätig, so daß sie die einheitliche Zusammensetzung
dieser Behörden nicht beeinflußten. Überdies waren die damaligen Juristen für
eine Tätigkeit ini eigentlichen Verwaltungsdienst nicht übel vorbereitet.

Die Lokalbeamten des alten Staats, die Steuerräte und die Landräte,
hatten ne der Regel keine besondre Verwaltungsausbildung genossen. Die
Steuerräte wurden aus den Militärbeamten, den Regimentsquartiermeistern und
den Auditeuren genommen und hatten anscheinend eine juristische Vorbildung.
Aber sie gingen vielfach erst durch den Bureaudienst der Kriegs- und Domänen-
kaminern und waren im übrigen in ihren Militärstellungen immer in einer so
nahen Berührung mit dem städtischen Wesen, daß auch sie allein hierdurch bei der
Kleinheit und der Enge der damaligen Verhältnisse die „Fundamente" für eine
ftuchtbringende Tätigkeit in der Staatsverwaltung besaßen. Dasselbe kann vom
Landrat behauptet werden. Seine Zuständigkeit war sachlich beschränkter als die
des Steuerrath; namentlich waren seine polizeilichen Befugnisse bei weitem nicht
so ausgedehnt. Die Hauptaufgaben des alten Landrath waren die Sorge für die
Unterbringung und die Verpflegung der Truppen auf dem platten Lande, die
Verhandlungen mit den Kreisständen über die Leistungen des Kreises an den
Staat und die Förderung der Landwirtschaft in den ihm unterstehenden Kreis¬
teilen. Für diese Aufgaben brachte er als früherer Offizier, der er meistens


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[0264] lvirkliche Schäden in der preußischen Verwaltung Daneben forderte man ein gediegenes fachmännisches Wissen und Können. Die Beamten mußten „die Funktion, die sie bedienen sollen", wohl verstehn und mit allen Fragen der Landwirtschaft, des Handels und der Gewerbe, aber auch mit dein Rechnungswesen und dein sonstigen innern Dienst der Ver¬ waltungsbehörde vertraut sein. In der ersten Zeit mußte man sich freilich mit rein praktischen Erfahrungen auf diesen Gebieten begnügen. Aber König Friedrich Wilhelm der Erste sorgte von vornherein auch für eine planmäßige theoretische und praktische Ausbildung und Schulung des Verwaltungsnachwuchses. Für jene richtete er in Halle und Frankfurt kameralistische Lehrstühle ein. Die praktische Vorbildung bestand darin, daß sich die jungen Anwärter des höhern Verwaltungsdiensts nach Beendigung ihrer Studien einige Zeit, seit 1748 mindestens ein Jahr, auf einem Domänenamt und im Winter in einer Stadt aufhalten mußten, um unter Anleitung des Domänenvächters und des Steuer¬ rath „zuvörderst die Fundamente" der Landwirtschaft und, der städtischen Gewerbe kennen zu lernen. Erst hieran schloß sich die Ausbildung in allen Zweigen des Verwaltungsdiensts bei einer Kriegs- und Domänenkammer, gelegentlich auch bei einem Steuerrad oder Landrat. Großes Gewicht wurde dabei auf die Kasseugeschäfte gelegt. Friedrich der Große vollendete diese Ent¬ wicklung, indem er Prüfungen vorschrieb, die den eigentlichen Vorbereitungs¬ dienst einleiteten und abschlossen und 1770 für die Abschlußprüfung in Berlin eine besondre Prüfuugsbehörde einsetzte, die das Vorbild für alle die zahl¬ reichen Behörden dieser Art in Preußen wurde. Juristen waren bei den höhern Verwaltungsbehörden nur in geringer Zahl und fast nur als Justitiare tätig, so daß sie die einheitliche Zusammensetzung dieser Behörden nicht beeinflußten. Überdies waren die damaligen Juristen für eine Tätigkeit ini eigentlichen Verwaltungsdienst nicht übel vorbereitet. Die Lokalbeamten des alten Staats, die Steuerräte und die Landräte, hatten ne der Regel keine besondre Verwaltungsausbildung genossen. Die Steuerräte wurden aus den Militärbeamten, den Regimentsquartiermeistern und den Auditeuren genommen und hatten anscheinend eine juristische Vorbildung. Aber sie gingen vielfach erst durch den Bureaudienst der Kriegs- und Domänen- kaminern und waren im übrigen in ihren Militärstellungen immer in einer so nahen Berührung mit dem städtischen Wesen, daß auch sie allein hierdurch bei der Kleinheit und der Enge der damaligen Verhältnisse die „Fundamente" für eine ftuchtbringende Tätigkeit in der Staatsverwaltung besaßen. Dasselbe kann vom Landrat behauptet werden. Seine Zuständigkeit war sachlich beschränkter als die des Steuerrath; namentlich waren seine polizeilichen Befugnisse bei weitem nicht so ausgedehnt. Die Hauptaufgaben des alten Landrath waren die Sorge für die Unterbringung und die Verpflegung der Truppen auf dem platten Lande, die Verhandlungen mit den Kreisständen über die Leistungen des Kreises an den Staat und die Förderung der Landwirtschaft in den ihm unterstehenden Kreis¬ teilen. Für diese Aufgaben brachte er als früherer Offizier, der er meistens

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/264>, abgerufen am 23.07.2024.