Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
lvestkanadas Eintritt in die Weltwirtschaft

und zurück macheu. Da das Korn im August reift, so würde es, wenn man
sofort zum Dreschen schritte, um Mitte September im Hafen zur Ausfuhr bereit
liegen. Das wären immer noch acht Wochen, also ausreichend für die Beladung
und die sofortige Abreise des Schiffes uach Liverpool sowie Rückkehr und aber¬
malige Abreise. Aber gegenüber den schon jetzt verfügbaren und vollends den
in der Zukunft erwarteten vielen Millionen Tonnen an Weizen und obendrein
an Hafer und Gerste würde die Eisenbahn von Mitte September bis zum ersten
Drittel November unzulänglich sein. Sie soll das Korn aus allen Teilen des
Getreidelandes zusammenholen; schon das erfordert bei den sehr bedeutenden
Entfernungen ein sehr großes rollendes Material. Dann soll noch der Transport
von The Pas nach Fort Churchill oder Port Nelson, also 760 oder 885 Kilo¬
meter, nachfolgen. Die Wagen und Lokomotiven müssen, wenn sie mehrmals
benutzt werden sollen, den Rückweg machen. Wenn man nicht ein rollendes
Material von einer unvernünftigen Größe, für das man zehn Monate im Jahr
keine Verwendung hat, anschaffen will, so muß man den Gedanken aufgeben,
die Ernte noch bis etwa zum 10. November an den Seehafen zu bringen.
Das ist aber auch gar nicht nötig. Auch die konkurrierenden Routen werden
um dieselbe Zeit von Frost versperrt. Port Arthur friert in: November zu, der
geplante Ottawa-Kanal wird noch weit früher geschlossen sein, da er so viel
weiter nach dein kälteren Osten zu gelegen ist. Also muß doch Vorkehrung
getroffen werden, um das Korn, das nicht mehr fortgeschafft werden kann, zu
überwintern. Entweder haben die Farmer selbst Einrichtungen dafür oder sie
haben solche in den kleinen Städten des Weizenbezirks, wo Banken ihnen sofort
Vorschuß darauf geben, wenn die Farmer nicht den alsbaldigen Verkauf vor¬
ziehen. Diese Lager sind nach dem bekannten Silosystem gebaut. Solche Silos
könnte man auch in Fort Churchill herstellen, was wenig Geld kostet, da diese
Holzbauten aus importierten kanadische!: Brettern leicht aufgeschlagen werden
können. Es macht übrigens für die ganze Sache wenig Unterschied, ob das
Korn air der Erzeugungsstätte oder am Hafenplatz überwintert wird. Wenn im
Juli die ersten Dampfer ankommen, werden sie im einen wie im andern Fall
so viel Korn vorfinden, daß sie alsbald die Rückreise antreten können. Bei der
heutigen Organisation des Weltverkehrs geht kein Schiff "auf Aventure" nach
einem so abgelegenen Platz, sondern nur in fester Verfrachtung. Und diese geht
auf telegraphischem Wege auf Grund der vorhandenen Vorräte vor sich.

Der Bau der Bahn würde durch den kanadischen Staat vor sich gehen.
In allen Regierungskreisen herrscht ein so großer Eifer, daß der Entscheidung
schon in der nächsten Zukunft entgegen gesehen werden kann. Es handelt sich
um eilt Weltverkehrsunternehmen ersten Ranges.

Natürlich hat der Gedanke auch seine Gegner, vor allem in der Stadt
Montreal, deren Stellung dadurch Schaden leiden würde. Sie macht geltend,
daß die Hudson-Straße keine Leuchttürme besitze und ohne diese nur unter
großer Gefahr passiert werden könne. Auch hätten die eintönigen Ufer keine


Grenzboten IV 1910 32
lvestkanadas Eintritt in die Weltwirtschaft

und zurück macheu. Da das Korn im August reift, so würde es, wenn man
sofort zum Dreschen schritte, um Mitte September im Hafen zur Ausfuhr bereit
liegen. Das wären immer noch acht Wochen, also ausreichend für die Beladung
und die sofortige Abreise des Schiffes uach Liverpool sowie Rückkehr und aber¬
malige Abreise. Aber gegenüber den schon jetzt verfügbaren und vollends den
in der Zukunft erwarteten vielen Millionen Tonnen an Weizen und obendrein
an Hafer und Gerste würde die Eisenbahn von Mitte September bis zum ersten
Drittel November unzulänglich sein. Sie soll das Korn aus allen Teilen des
Getreidelandes zusammenholen; schon das erfordert bei den sehr bedeutenden
Entfernungen ein sehr großes rollendes Material. Dann soll noch der Transport
von The Pas nach Fort Churchill oder Port Nelson, also 760 oder 885 Kilo¬
meter, nachfolgen. Die Wagen und Lokomotiven müssen, wenn sie mehrmals
benutzt werden sollen, den Rückweg machen. Wenn man nicht ein rollendes
Material von einer unvernünftigen Größe, für das man zehn Monate im Jahr
keine Verwendung hat, anschaffen will, so muß man den Gedanken aufgeben,
die Ernte noch bis etwa zum 10. November an den Seehafen zu bringen.
Das ist aber auch gar nicht nötig. Auch die konkurrierenden Routen werden
um dieselbe Zeit von Frost versperrt. Port Arthur friert in: November zu, der
geplante Ottawa-Kanal wird noch weit früher geschlossen sein, da er so viel
weiter nach dein kälteren Osten zu gelegen ist. Also muß doch Vorkehrung
getroffen werden, um das Korn, das nicht mehr fortgeschafft werden kann, zu
überwintern. Entweder haben die Farmer selbst Einrichtungen dafür oder sie
haben solche in den kleinen Städten des Weizenbezirks, wo Banken ihnen sofort
Vorschuß darauf geben, wenn die Farmer nicht den alsbaldigen Verkauf vor¬
ziehen. Diese Lager sind nach dem bekannten Silosystem gebaut. Solche Silos
könnte man auch in Fort Churchill herstellen, was wenig Geld kostet, da diese
Holzbauten aus importierten kanadische!: Brettern leicht aufgeschlagen werden
können. Es macht übrigens für die ganze Sache wenig Unterschied, ob das
Korn air der Erzeugungsstätte oder am Hafenplatz überwintert wird. Wenn im
Juli die ersten Dampfer ankommen, werden sie im einen wie im andern Fall
so viel Korn vorfinden, daß sie alsbald die Rückreise antreten können. Bei der
heutigen Organisation des Weltverkehrs geht kein Schiff „auf Aventure" nach
einem so abgelegenen Platz, sondern nur in fester Verfrachtung. Und diese geht
auf telegraphischem Wege auf Grund der vorhandenen Vorräte vor sich.

Der Bau der Bahn würde durch den kanadischen Staat vor sich gehen.
In allen Regierungskreisen herrscht ein so großer Eifer, daß der Entscheidung
schon in der nächsten Zukunft entgegen gesehen werden kann. Es handelt sich
um eilt Weltverkehrsunternehmen ersten Ranges.

Natürlich hat der Gedanke auch seine Gegner, vor allem in der Stadt
Montreal, deren Stellung dadurch Schaden leiden würde. Sie macht geltend,
daß die Hudson-Straße keine Leuchttürme besitze und ohne diese nur unter
großer Gefahr passiert werden könne. Auch hätten die eintönigen Ufer keine


Grenzboten IV 1910 32
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0261" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/317212"/>
          <fw type="header" place="top"> lvestkanadas Eintritt in die Weltwirtschaft</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1147" prev="#ID_1146"> und zurück macheu. Da das Korn im August reift, so würde es, wenn man<lb/>
sofort zum Dreschen schritte, um Mitte September im Hafen zur Ausfuhr bereit<lb/>
liegen. Das wären immer noch acht Wochen, also ausreichend für die Beladung<lb/>
und die sofortige Abreise des Schiffes uach Liverpool sowie Rückkehr und aber¬<lb/>
malige Abreise. Aber gegenüber den schon jetzt verfügbaren und vollends den<lb/>
in der Zukunft erwarteten vielen Millionen Tonnen an Weizen und obendrein<lb/>
an Hafer und Gerste würde die Eisenbahn von Mitte September bis zum ersten<lb/>
Drittel November unzulänglich sein. Sie soll das Korn aus allen Teilen des<lb/>
Getreidelandes zusammenholen; schon das erfordert bei den sehr bedeutenden<lb/>
Entfernungen ein sehr großes rollendes Material. Dann soll noch der Transport<lb/>
von The Pas nach Fort Churchill oder Port Nelson, also 760 oder 885 Kilo¬<lb/>
meter, nachfolgen. Die Wagen und Lokomotiven müssen, wenn sie mehrmals<lb/>
benutzt werden sollen, den Rückweg machen. Wenn man nicht ein rollendes<lb/>
Material von einer unvernünftigen Größe, für das man zehn Monate im Jahr<lb/>
keine Verwendung hat, anschaffen will, so muß man den Gedanken aufgeben,<lb/>
die Ernte noch bis etwa zum 10. November an den Seehafen zu bringen.<lb/>
Das ist aber auch gar nicht nötig. Auch die konkurrierenden Routen werden<lb/>
um dieselbe Zeit von Frost versperrt. Port Arthur friert in: November zu, der<lb/>
geplante Ottawa-Kanal wird noch weit früher geschlossen sein, da er so viel<lb/>
weiter nach dein kälteren Osten zu gelegen ist. Also muß doch Vorkehrung<lb/>
getroffen werden, um das Korn, das nicht mehr fortgeschafft werden kann, zu<lb/>
überwintern. Entweder haben die Farmer selbst Einrichtungen dafür oder sie<lb/>
haben solche in den kleinen Städten des Weizenbezirks, wo Banken ihnen sofort<lb/>
Vorschuß darauf geben, wenn die Farmer nicht den alsbaldigen Verkauf vor¬<lb/>
ziehen. Diese Lager sind nach dem bekannten Silosystem gebaut. Solche Silos<lb/>
könnte man auch in Fort Churchill herstellen, was wenig Geld kostet, da diese<lb/>
Holzbauten aus importierten kanadische!: Brettern leicht aufgeschlagen werden<lb/>
können. Es macht übrigens für die ganze Sache wenig Unterschied, ob das<lb/>
Korn air der Erzeugungsstätte oder am Hafenplatz überwintert wird. Wenn im<lb/>
Juli die ersten Dampfer ankommen, werden sie im einen wie im andern Fall<lb/>
so viel Korn vorfinden, daß sie alsbald die Rückreise antreten können. Bei der<lb/>
heutigen Organisation des Weltverkehrs geht kein Schiff &#x201E;auf Aventure" nach<lb/>
einem so abgelegenen Platz, sondern nur in fester Verfrachtung. Und diese geht<lb/>
auf telegraphischem Wege auf Grund der vorhandenen Vorräte vor sich.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1148"> Der Bau der Bahn würde durch den kanadischen Staat vor sich gehen.<lb/>
In allen Regierungskreisen herrscht ein so großer Eifer, daß der Entscheidung<lb/>
schon in der nächsten Zukunft entgegen gesehen werden kann. Es handelt sich<lb/>
um eilt Weltverkehrsunternehmen ersten Ranges.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1149" next="#ID_1150"> Natürlich hat der Gedanke auch seine Gegner, vor allem in der Stadt<lb/>
Montreal, deren Stellung dadurch Schaden leiden würde.  Sie macht geltend,<lb/>
daß die Hudson-Straße keine Leuchttürme besitze und ohne diese nur unter<lb/>
großer Gefahr passiert werden könne.  Auch hätten die eintönigen Ufer keine</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1910 32</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0261] lvestkanadas Eintritt in die Weltwirtschaft und zurück macheu. Da das Korn im August reift, so würde es, wenn man sofort zum Dreschen schritte, um Mitte September im Hafen zur Ausfuhr bereit liegen. Das wären immer noch acht Wochen, also ausreichend für die Beladung und die sofortige Abreise des Schiffes uach Liverpool sowie Rückkehr und aber¬ malige Abreise. Aber gegenüber den schon jetzt verfügbaren und vollends den in der Zukunft erwarteten vielen Millionen Tonnen an Weizen und obendrein an Hafer und Gerste würde die Eisenbahn von Mitte September bis zum ersten Drittel November unzulänglich sein. Sie soll das Korn aus allen Teilen des Getreidelandes zusammenholen; schon das erfordert bei den sehr bedeutenden Entfernungen ein sehr großes rollendes Material. Dann soll noch der Transport von The Pas nach Fort Churchill oder Port Nelson, also 760 oder 885 Kilo¬ meter, nachfolgen. Die Wagen und Lokomotiven müssen, wenn sie mehrmals benutzt werden sollen, den Rückweg machen. Wenn man nicht ein rollendes Material von einer unvernünftigen Größe, für das man zehn Monate im Jahr keine Verwendung hat, anschaffen will, so muß man den Gedanken aufgeben, die Ernte noch bis etwa zum 10. November an den Seehafen zu bringen. Das ist aber auch gar nicht nötig. Auch die konkurrierenden Routen werden um dieselbe Zeit von Frost versperrt. Port Arthur friert in: November zu, der geplante Ottawa-Kanal wird noch weit früher geschlossen sein, da er so viel weiter nach dein kälteren Osten zu gelegen ist. Also muß doch Vorkehrung getroffen werden, um das Korn, das nicht mehr fortgeschafft werden kann, zu überwintern. Entweder haben die Farmer selbst Einrichtungen dafür oder sie haben solche in den kleinen Städten des Weizenbezirks, wo Banken ihnen sofort Vorschuß darauf geben, wenn die Farmer nicht den alsbaldigen Verkauf vor¬ ziehen. Diese Lager sind nach dem bekannten Silosystem gebaut. Solche Silos könnte man auch in Fort Churchill herstellen, was wenig Geld kostet, da diese Holzbauten aus importierten kanadische!: Brettern leicht aufgeschlagen werden können. Es macht übrigens für die ganze Sache wenig Unterschied, ob das Korn air der Erzeugungsstätte oder am Hafenplatz überwintert wird. Wenn im Juli die ersten Dampfer ankommen, werden sie im einen wie im andern Fall so viel Korn vorfinden, daß sie alsbald die Rückreise antreten können. Bei der heutigen Organisation des Weltverkehrs geht kein Schiff „auf Aventure" nach einem so abgelegenen Platz, sondern nur in fester Verfrachtung. Und diese geht auf telegraphischem Wege auf Grund der vorhandenen Vorräte vor sich. Der Bau der Bahn würde durch den kanadischen Staat vor sich gehen. In allen Regierungskreisen herrscht ein so großer Eifer, daß der Entscheidung schon in der nächsten Zukunft entgegen gesehen werden kann. Es handelt sich um eilt Weltverkehrsunternehmen ersten Ranges. Natürlich hat der Gedanke auch seine Gegner, vor allem in der Stadt Montreal, deren Stellung dadurch Schaden leiden würde. Sie macht geltend, daß die Hudson-Straße keine Leuchttürme besitze und ohne diese nur unter großer Gefahr passiert werden könne. Auch hätten die eintönigen Ufer keine Grenzboten IV 1910 32

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/261
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/261>, abgerufen am 22.07.2024.