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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Gewichtig sind demgegenüber die Ansprüche der Eisenbahnen. Sie berufen
sich mit Recht darauf, daß sie es gewesen sind, die Kanadas Wirtschaftsleben
emporgebracht haben. Ganz besonders gilt das vom fernen Westen. Dieser
würde noch heute als eine Einöde für Büffel und Bären angesehen werden,
wenn sie nicht gekommen wären, um Mit dem Transport zugleich die Kultur
zu bringen. Kanada hat bereits mehr Eisenbahnen als Preußen. Dieses besaß
Ende 1908 36111 Kilometer, Kanada hingegen 37 507 Kilometer. Die weiten
Entfernungen bringen die vielen Tausende von Kilometern. Einigermaßen dicht
ist das kanadische Netz nur im Südosten. Jedes Jahr bringt neue Linien in
den Weizenländereien des Westens. Aber eben in: Westen liegen auch die wesent¬
lichen Aufgaben der Eisenbahnen. An die Übernahme der Kornausfuhr von
Port Arthur bis zum Seeschiff können sie nicht denken. Wohl aber kommt mit
stets wachsendem Enthusiasmus der Plan in den Vordergrund, die Weizengegend
mit einem Seehafen der Hudsonbai zu verbinden und damit dem Westen einen
noch kürzeren Anschluß an die Salzsee zu verschaffen als an den Superior-See.

Das ist die Linie von The Pas nach Fort Churchill am Ostufer der
Hudsonbai. Diese riesige Bucht, halb so groß wie das Mittelmeer, schneidet
von Nordosten und Norden aus in das nordamerikanische Festland ein. Ihr
südlichster Punkt liegt auf 51^ Grad Nord, also noch etwas südlicher als
London. Aber nicht das ist entscheidend, sondern der Zugang. Schiffe vom
Atlantischen Ozean her müssen die Südspitze Grönlands (60 Grad) östlich liegen
lassen und in die Hudsonstraße einsegeln. Sie müssen das Kap Wolstonholme
umsegeln, das auf 63 Grad Nord liegt, und erst dann können sie sich südwärts
wenden, um in gemäßigte Breiten zu kommen. Die Hudsonstraße hat ein grön¬
ländisches Klima. Das sommerliche Maximum steigt nicht über 15 Grad Celsius;,
das Jahresmittel ist --12,7 Grad. Spät weicht das Packeis und endlich das
Treibeis den: Frühling und bald stellt der Herbst mit Treibeis sich wieder ein.
Die Zeit, während welcher die Hudsonbai befahren werden kann, beschränkt sich
auf drei bis vier Monate, von Mitte Juli bis Mitte November. Immerhin,
die Dampfschiffahrt kann sie ausnutzen. Fort Churchill hat einen schönen, sicheren
Hafen. Es liegt auf 58^ Grad Nord, an der Mündung eines ansehnlichen
Flusses, des Churchill River, der eine ganze Kette von Seen besucht, ehe er ins
Meer geht. Dennoch kommt er für den Transport wenig in Betracht, da er
mehrere Stromschnellen bildet, die keine Schiffahrt zulassen. Auch durchfließt er
nur den nordöstlichsten, für den Weizenbau am wenigsten geeigneten Teil des
neuen Landes. Port Nelson liegt 200 Kilometer südlicher, an der Mündung
des weit bedeutenderen Nelsonflusses, der sich aus den beiden Saskatschewan-
strömen bildet und auch dem großen Winnipeg-See seinen Besuch abstattet. Hier
könnte es in den Sommermonaten großartige Stromschiffahrt nach Port Nelson
geben, wenn nicht der Boden die leidigen Stufen und damit Stromschnellen
hätte. Statt der Flußschiffahrt wird man also auf eine Eisenbahnverbindung
von den Weizenländereien nach Fort Churchill oder nach Port Nelson ausgehen


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Gewichtig sind demgegenüber die Ansprüche der Eisenbahnen. Sie berufen
sich mit Recht darauf, daß sie es gewesen sind, die Kanadas Wirtschaftsleben
emporgebracht haben. Ganz besonders gilt das vom fernen Westen. Dieser
würde noch heute als eine Einöde für Büffel und Bären angesehen werden,
wenn sie nicht gekommen wären, um Mit dem Transport zugleich die Kultur
zu bringen. Kanada hat bereits mehr Eisenbahnen als Preußen. Dieses besaß
Ende 1908 36111 Kilometer, Kanada hingegen 37 507 Kilometer. Die weiten
Entfernungen bringen die vielen Tausende von Kilometern. Einigermaßen dicht
ist das kanadische Netz nur im Südosten. Jedes Jahr bringt neue Linien in
den Weizenländereien des Westens. Aber eben in: Westen liegen auch die wesent¬
lichen Aufgaben der Eisenbahnen. An die Übernahme der Kornausfuhr von
Port Arthur bis zum Seeschiff können sie nicht denken. Wohl aber kommt mit
stets wachsendem Enthusiasmus der Plan in den Vordergrund, die Weizengegend
mit einem Seehafen der Hudsonbai zu verbinden und damit dem Westen einen
noch kürzeren Anschluß an die Salzsee zu verschaffen als an den Superior-See.

Das ist die Linie von The Pas nach Fort Churchill am Ostufer der
Hudsonbai. Diese riesige Bucht, halb so groß wie das Mittelmeer, schneidet
von Nordosten und Norden aus in das nordamerikanische Festland ein. Ihr
südlichster Punkt liegt auf 51^ Grad Nord, also noch etwas südlicher als
London. Aber nicht das ist entscheidend, sondern der Zugang. Schiffe vom
Atlantischen Ozean her müssen die Südspitze Grönlands (60 Grad) östlich liegen
lassen und in die Hudsonstraße einsegeln. Sie müssen das Kap Wolstonholme
umsegeln, das auf 63 Grad Nord liegt, und erst dann können sie sich südwärts
wenden, um in gemäßigte Breiten zu kommen. Die Hudsonstraße hat ein grön¬
ländisches Klima. Das sommerliche Maximum steigt nicht über 15 Grad Celsius;,
das Jahresmittel ist —12,7 Grad. Spät weicht das Packeis und endlich das
Treibeis den: Frühling und bald stellt der Herbst mit Treibeis sich wieder ein.
Die Zeit, während welcher die Hudsonbai befahren werden kann, beschränkt sich
auf drei bis vier Monate, von Mitte Juli bis Mitte November. Immerhin,
die Dampfschiffahrt kann sie ausnutzen. Fort Churchill hat einen schönen, sicheren
Hafen. Es liegt auf 58^ Grad Nord, an der Mündung eines ansehnlichen
Flusses, des Churchill River, der eine ganze Kette von Seen besucht, ehe er ins
Meer geht. Dennoch kommt er für den Transport wenig in Betracht, da er
mehrere Stromschnellen bildet, die keine Schiffahrt zulassen. Auch durchfließt er
nur den nordöstlichsten, für den Weizenbau am wenigsten geeigneten Teil des
neuen Landes. Port Nelson liegt 200 Kilometer südlicher, an der Mündung
des weit bedeutenderen Nelsonflusses, der sich aus den beiden Saskatschewan-
strömen bildet und auch dem großen Winnipeg-See seinen Besuch abstattet. Hier
könnte es in den Sommermonaten großartige Stromschiffahrt nach Port Nelson
geben, wenn nicht der Boden die leidigen Stufen und damit Stromschnellen
hätte. Statt der Flußschiffahrt wird man also auf eine Eisenbahnverbindung
von den Weizenländereien nach Fort Churchill oder nach Port Nelson ausgehen


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[0259] wcstkmmdas Eintritt in die weltivirtschaft Gewichtig sind demgegenüber die Ansprüche der Eisenbahnen. Sie berufen sich mit Recht darauf, daß sie es gewesen sind, die Kanadas Wirtschaftsleben emporgebracht haben. Ganz besonders gilt das vom fernen Westen. Dieser würde noch heute als eine Einöde für Büffel und Bären angesehen werden, wenn sie nicht gekommen wären, um Mit dem Transport zugleich die Kultur zu bringen. Kanada hat bereits mehr Eisenbahnen als Preußen. Dieses besaß Ende 1908 36111 Kilometer, Kanada hingegen 37 507 Kilometer. Die weiten Entfernungen bringen die vielen Tausende von Kilometern. Einigermaßen dicht ist das kanadische Netz nur im Südosten. Jedes Jahr bringt neue Linien in den Weizenländereien des Westens. Aber eben in: Westen liegen auch die wesent¬ lichen Aufgaben der Eisenbahnen. An die Übernahme der Kornausfuhr von Port Arthur bis zum Seeschiff können sie nicht denken. Wohl aber kommt mit stets wachsendem Enthusiasmus der Plan in den Vordergrund, die Weizengegend mit einem Seehafen der Hudsonbai zu verbinden und damit dem Westen einen noch kürzeren Anschluß an die Salzsee zu verschaffen als an den Superior-See. Das ist die Linie von The Pas nach Fort Churchill am Ostufer der Hudsonbai. Diese riesige Bucht, halb so groß wie das Mittelmeer, schneidet von Nordosten und Norden aus in das nordamerikanische Festland ein. Ihr südlichster Punkt liegt auf 51^ Grad Nord, also noch etwas südlicher als London. Aber nicht das ist entscheidend, sondern der Zugang. Schiffe vom Atlantischen Ozean her müssen die Südspitze Grönlands (60 Grad) östlich liegen lassen und in die Hudsonstraße einsegeln. Sie müssen das Kap Wolstonholme umsegeln, das auf 63 Grad Nord liegt, und erst dann können sie sich südwärts wenden, um in gemäßigte Breiten zu kommen. Die Hudsonstraße hat ein grön¬ ländisches Klima. Das sommerliche Maximum steigt nicht über 15 Grad Celsius;, das Jahresmittel ist —12,7 Grad. Spät weicht das Packeis und endlich das Treibeis den: Frühling und bald stellt der Herbst mit Treibeis sich wieder ein. Die Zeit, während welcher die Hudsonbai befahren werden kann, beschränkt sich auf drei bis vier Monate, von Mitte Juli bis Mitte November. Immerhin, die Dampfschiffahrt kann sie ausnutzen. Fort Churchill hat einen schönen, sicheren Hafen. Es liegt auf 58^ Grad Nord, an der Mündung eines ansehnlichen Flusses, des Churchill River, der eine ganze Kette von Seen besucht, ehe er ins Meer geht. Dennoch kommt er für den Transport wenig in Betracht, da er mehrere Stromschnellen bildet, die keine Schiffahrt zulassen. Auch durchfließt er nur den nordöstlichsten, für den Weizenbau am wenigsten geeigneten Teil des neuen Landes. Port Nelson liegt 200 Kilometer südlicher, an der Mündung des weit bedeutenderen Nelsonflusses, der sich aus den beiden Saskatschewan- strömen bildet und auch dem großen Winnipeg-See seinen Besuch abstattet. Hier könnte es in den Sommermonaten großartige Stromschiffahrt nach Port Nelson geben, wenn nicht der Boden die leidigen Stufen und damit Stromschnellen hätte. Statt der Flußschiffahrt wird man also auf eine Eisenbahnverbindung von den Weizenländereien nach Fort Churchill oder nach Port Nelson ausgehen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/259>, abgerufen am 23.07.2024.