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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Königin Luise
Karl Bader-Sarmstadt von

in 19.Juli1810 starb Königin Luise von Preußen. Mit unerbittlicher
Hand raffte der Tod die erst Vierunddreißigjährige dahin. Heiße
Tränen flössen an ihrer Bahre. "All mein Glück ist zerstört,"
sagte ihr Gatte, König Friedrich Wilhelm der Dritte. Wie ein
"Donnerschlag" rührte die Kunde das Herz ihres Leibarztes, des
berühmten Hufeland. "Wenn die Welt in die Luft flöge, mir wär's recht,"
meinte Blücher. Zahlreich sind die Klagen um ihren Heimgang.

Der Tod der Königin war ein Ereignis. Nicht so gewaltig, daß man meinte,
die Erde müsse stillstehn mit den: Herzen dieser Frau. Aber, hatte auch keine
Sonne sich verfinstert, ein leuchtender Stern war verblaßt, lange, ehe das
Morgenrot der Befreiung herausdämmerte.

Hundert Jahre sind ins Land gezogen, seit die Königin schied. Ihre Gestalt,
viel bewundert, geliebt und umschwärmt, hat in der langen Spanne Zeit an
strahlender .Hoheit nichts verloren. Die Forschung hat ihr vom Nimbus genommen;
um so eindringlicher sprechen die wahren Wesenszüge der gekrönten Frau uns
an. Was blieb, zeigt eine königliche Königin, eine weibliche Frau, einen mensch¬
lichen Menschen. Weder Märtyrerin war sie, noch die Herrscherin, die dem
unfähigen Gatten beim Schiffbruch des Staats das Steuer entriß; noch weniger
eine Seherin und Verkünderin der deutschen Einheit. Aber eine lichte Erscheinung,
von seltener Schönheit des Körpers wie der Seele. An der alles umspannenden
Liebe ihres Herzens, ihrem tiefen Gemüt kann noch unsere Zeit sich erwärmen
und freuen, -- vielleicht auch begeistern, viel mehr noch als es geschieht trotz einer
Flut von Büchern und Schriften zum hundertsten Todestag. Auch Modernen
kann die Königin ein Vorbild sein. Längst sanken Krone und Purpur ihr von Haupt
und Schultern. Aus ihren jetzt bekannten Briefen schaut ein Mensch uns an. Und
der redet zu Menschen ohne Ansehn der Person, den hundert Jahren zum Trotz.

Nicht für Hofdamen und Schranzen ist die Geschichte der Königin zu
schreiben und geschrieben. Jeder kann aus ihr lernen, kann mit der Fürstin
lachen und mehr noch weinen und inne werden, daß wir alle unser Teil
haben am Leide.


Grenzbowi III 1010 9


Königin Luise
Karl Bader-Sarmstadt von

in 19.Juli1810 starb Königin Luise von Preußen. Mit unerbittlicher
Hand raffte der Tod die erst Vierunddreißigjährige dahin. Heiße
Tränen flössen an ihrer Bahre. „All mein Glück ist zerstört,"
sagte ihr Gatte, König Friedrich Wilhelm der Dritte. Wie ein
„Donnerschlag" rührte die Kunde das Herz ihres Leibarztes, des
berühmten Hufeland. „Wenn die Welt in die Luft flöge, mir wär's recht,"
meinte Blücher. Zahlreich sind die Klagen um ihren Heimgang.

Der Tod der Königin war ein Ereignis. Nicht so gewaltig, daß man meinte,
die Erde müsse stillstehn mit den: Herzen dieser Frau. Aber, hatte auch keine
Sonne sich verfinstert, ein leuchtender Stern war verblaßt, lange, ehe das
Morgenrot der Befreiung herausdämmerte.

Hundert Jahre sind ins Land gezogen, seit die Königin schied. Ihre Gestalt,
viel bewundert, geliebt und umschwärmt, hat in der langen Spanne Zeit an
strahlender .Hoheit nichts verloren. Die Forschung hat ihr vom Nimbus genommen;
um so eindringlicher sprechen die wahren Wesenszüge der gekrönten Frau uns
an. Was blieb, zeigt eine königliche Königin, eine weibliche Frau, einen mensch¬
lichen Menschen. Weder Märtyrerin war sie, noch die Herrscherin, die dem
unfähigen Gatten beim Schiffbruch des Staats das Steuer entriß; noch weniger
eine Seherin und Verkünderin der deutschen Einheit. Aber eine lichte Erscheinung,
von seltener Schönheit des Körpers wie der Seele. An der alles umspannenden
Liebe ihres Herzens, ihrem tiefen Gemüt kann noch unsere Zeit sich erwärmen
und freuen, — vielleicht auch begeistern, viel mehr noch als es geschieht trotz einer
Flut von Büchern und Schriften zum hundertsten Todestag. Auch Modernen
kann die Königin ein Vorbild sein. Längst sanken Krone und Purpur ihr von Haupt
und Schultern. Aus ihren jetzt bekannten Briefen schaut ein Mensch uns an. Und
der redet zu Menschen ohne Ansehn der Person, den hundert Jahren zum Trotz.

Nicht für Hofdamen und Schranzen ist die Geschichte der Königin zu
schreiben und geschrieben. Jeder kann aus ihr lernen, kann mit der Fürstin
lachen und mehr noch weinen und inne werden, daß wir alle unser Teil
haben am Leide.


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[0077] [Abbildung] Königin Luise Karl Bader-Sarmstadt von in 19.Juli1810 starb Königin Luise von Preußen. Mit unerbittlicher Hand raffte der Tod die erst Vierunddreißigjährige dahin. Heiße Tränen flössen an ihrer Bahre. „All mein Glück ist zerstört," sagte ihr Gatte, König Friedrich Wilhelm der Dritte. Wie ein „Donnerschlag" rührte die Kunde das Herz ihres Leibarztes, des berühmten Hufeland. „Wenn die Welt in die Luft flöge, mir wär's recht," meinte Blücher. Zahlreich sind die Klagen um ihren Heimgang. Der Tod der Königin war ein Ereignis. Nicht so gewaltig, daß man meinte, die Erde müsse stillstehn mit den: Herzen dieser Frau. Aber, hatte auch keine Sonne sich verfinstert, ein leuchtender Stern war verblaßt, lange, ehe das Morgenrot der Befreiung herausdämmerte. Hundert Jahre sind ins Land gezogen, seit die Königin schied. Ihre Gestalt, viel bewundert, geliebt und umschwärmt, hat in der langen Spanne Zeit an strahlender .Hoheit nichts verloren. Die Forschung hat ihr vom Nimbus genommen; um so eindringlicher sprechen die wahren Wesenszüge der gekrönten Frau uns an. Was blieb, zeigt eine königliche Königin, eine weibliche Frau, einen mensch¬ lichen Menschen. Weder Märtyrerin war sie, noch die Herrscherin, die dem unfähigen Gatten beim Schiffbruch des Staats das Steuer entriß; noch weniger eine Seherin und Verkünderin der deutschen Einheit. Aber eine lichte Erscheinung, von seltener Schönheit des Körpers wie der Seele. An der alles umspannenden Liebe ihres Herzens, ihrem tiefen Gemüt kann noch unsere Zeit sich erwärmen und freuen, — vielleicht auch begeistern, viel mehr noch als es geschieht trotz einer Flut von Büchern und Schriften zum hundertsten Todestag. Auch Modernen kann die Königin ein Vorbild sein. Längst sanken Krone und Purpur ihr von Haupt und Schultern. Aus ihren jetzt bekannten Briefen schaut ein Mensch uns an. Und der redet zu Menschen ohne Ansehn der Person, den hundert Jahren zum Trotz. Nicht für Hofdamen und Schranzen ist die Geschichte der Königin zu schreiben und geschrieben. Jeder kann aus ihr lernen, kann mit der Fürstin lachen und mehr noch weinen und inne werden, daß wir alle unser Teil haben am Leide. Grenzbowi III 1010 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/77>, abgerufen am 23.07.2024.