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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Gedanken zum neuen Hceresetat

festigungeu gerade zahlreiches aktives Personal verlangen. Bekanntlich findet
die Panzerbefestigung auch auf dem Gebiete der Landesverteidigung immer größere
Verwendung. Die neuen Befestigungen bei Metz - Diedenhofen, am Oberrhein
und auch an unserer Ostgrenze bestehen lediglich aus Pauzerbatterieu. Diese
stellen aber einen so komplizierten und schwierigen Mechanismus dar, daß er
nur von einem außerordentlich gut ausgebildete!: Personal bedient werden kann.
Die Verwendung von Reserve- oder gar Landwehrformationen ist für derartige
Panzergeschütze ausgeschlossen. Man muß auch bei den Grenzfestungen immer
damit rechnen, daß der Feind bald nach Ausbruch des Krieges vor ihnen
erscheinen kann. Es fehlt somit an Zeit, diese Formationen noch nach aus¬
gesprochener Mobilmachung in genügender Weise auszubilden. Als man sich
zum Bau aller dieser neuen Befestigungsanlagen entschloß, mußte man sich auch
von vornherein darüber klar werden, daß zu ihrer Besetzung das erforderliche
Personal verfügbar gemacht werden müßte.

Da die Feldarmee deu größten Teil der Fußartillerie für sich beansprucht,
kann der fehlende Teil nur durch Neuformationen ersetzt werden.

Derjenige Teil der Fußartillerie, der zur Verwendung im freien Felde in
Verbindung mit der Feldarmee bestimmt ist, muß aber auch alle die Mittel
besitzen, um sich schon im Frieden für die beabsichtigte Verwendung auszubilden.
Dazu gehören in erster Linie Bespannungsabteilungen, die zurzeit noch nicht in
genügender Menge vorhanden sind.

Die Organisation und Ausbildung unserer Pioniere beruht auf dem
sogenannten "Einheitspionier". Man versteht darunter einen Pionier, der
in allen Zweigen des Feld- und Festungsdienstes gleichmäßig gut ausgebildet
ist. Bei der umfangreichen Tätigkeit, die dieser Waffe in: Zukunftskriege
zufällt, hatte eine gründliche Ausbildung schon bisher große Schwierigkeiten;
seit Einführung der zweijährigen Dienstzeit sind diese noch mehr gewachsen.
Nun hat aber der russisch-japanische Krieg, im besonderen der Kampf um
Port Arthur gezeigt, daß die Fußartillerie trotz ihrer neuen Geschütze und
Geschosse nicht imstande ist, die Befestigung aus weiter Ferne einzuschießen,
die Grabenwehren zu zerstören, die Stellung sturmreif zu machen und die
Besatzung so zu demoralisieren, daß der Sturm der Infanterie erfolgreich durch¬
geführt werde:: könnte. Was die Artillerie nicht von oben zu leisten vermochte,
mußte der Pionier auf unterirdischem Wege zu erreichen suchen. Mit Minen
geht er gegen die feindlichen Werke vor, um diese in die Lust zu sprengen und
so der Infanterie den Sturm zu ermöglichen. Da der Verteidiger den Angriffs¬
arbeiten in derselben Weise entgegenzutreten suchte, entstand der schönste Minen¬
krieg, wie ihn die Zeiten Vauvans einst gesehen hatten. Das Minirieren, das
man für eine längst überwundene Sache gehalten hatte, gelangte wieder zu
Ehren. Jede Pionierformation, die in und vor Festungen verwendet werden
soll, muß deshalb künftighin in diesem Dienstzweigc ans das gründlichste aus¬
gebildet sein. Dazu ist aber viel Zeit erforderlich, die bei der bisherigen Aus-


Gedanken zum neuen Hceresetat

festigungeu gerade zahlreiches aktives Personal verlangen. Bekanntlich findet
die Panzerbefestigung auch auf dem Gebiete der Landesverteidigung immer größere
Verwendung. Die neuen Befestigungen bei Metz - Diedenhofen, am Oberrhein
und auch an unserer Ostgrenze bestehen lediglich aus Pauzerbatterieu. Diese
stellen aber einen so komplizierten und schwierigen Mechanismus dar, daß er
nur von einem außerordentlich gut ausgebildete!: Personal bedient werden kann.
Die Verwendung von Reserve- oder gar Landwehrformationen ist für derartige
Panzergeschütze ausgeschlossen. Man muß auch bei den Grenzfestungen immer
damit rechnen, daß der Feind bald nach Ausbruch des Krieges vor ihnen
erscheinen kann. Es fehlt somit an Zeit, diese Formationen noch nach aus¬
gesprochener Mobilmachung in genügender Weise auszubilden. Als man sich
zum Bau aller dieser neuen Befestigungsanlagen entschloß, mußte man sich auch
von vornherein darüber klar werden, daß zu ihrer Besetzung das erforderliche
Personal verfügbar gemacht werden müßte.

Da die Feldarmee deu größten Teil der Fußartillerie für sich beansprucht,
kann der fehlende Teil nur durch Neuformationen ersetzt werden.

Derjenige Teil der Fußartillerie, der zur Verwendung im freien Felde in
Verbindung mit der Feldarmee bestimmt ist, muß aber auch alle die Mittel
besitzen, um sich schon im Frieden für die beabsichtigte Verwendung auszubilden.
Dazu gehören in erster Linie Bespannungsabteilungen, die zurzeit noch nicht in
genügender Menge vorhanden sind.

Die Organisation und Ausbildung unserer Pioniere beruht auf dem
sogenannten „Einheitspionier". Man versteht darunter einen Pionier, der
in allen Zweigen des Feld- und Festungsdienstes gleichmäßig gut ausgebildet
ist. Bei der umfangreichen Tätigkeit, die dieser Waffe in: Zukunftskriege
zufällt, hatte eine gründliche Ausbildung schon bisher große Schwierigkeiten;
seit Einführung der zweijährigen Dienstzeit sind diese noch mehr gewachsen.
Nun hat aber der russisch-japanische Krieg, im besonderen der Kampf um
Port Arthur gezeigt, daß die Fußartillerie trotz ihrer neuen Geschütze und
Geschosse nicht imstande ist, die Befestigung aus weiter Ferne einzuschießen,
die Grabenwehren zu zerstören, die Stellung sturmreif zu machen und die
Besatzung so zu demoralisieren, daß der Sturm der Infanterie erfolgreich durch¬
geführt werde:: könnte. Was die Artillerie nicht von oben zu leisten vermochte,
mußte der Pionier auf unterirdischem Wege zu erreichen suchen. Mit Minen
geht er gegen die feindlichen Werke vor, um diese in die Lust zu sprengen und
so der Infanterie den Sturm zu ermöglichen. Da der Verteidiger den Angriffs¬
arbeiten in derselben Weise entgegenzutreten suchte, entstand der schönste Minen¬
krieg, wie ihn die Zeiten Vauvans einst gesehen hatten. Das Minirieren, das
man für eine längst überwundene Sache gehalten hatte, gelangte wieder zu
Ehren. Jede Pionierformation, die in und vor Festungen verwendet werden
soll, muß deshalb künftighin in diesem Dienstzweigc ans das gründlichste aus¬
gebildet sein. Dazu ist aber viel Zeit erforderlich, die bei der bisherigen Aus-


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[0623] Gedanken zum neuen Hceresetat festigungeu gerade zahlreiches aktives Personal verlangen. Bekanntlich findet die Panzerbefestigung auch auf dem Gebiete der Landesverteidigung immer größere Verwendung. Die neuen Befestigungen bei Metz - Diedenhofen, am Oberrhein und auch an unserer Ostgrenze bestehen lediglich aus Pauzerbatterieu. Diese stellen aber einen so komplizierten und schwierigen Mechanismus dar, daß er nur von einem außerordentlich gut ausgebildete!: Personal bedient werden kann. Die Verwendung von Reserve- oder gar Landwehrformationen ist für derartige Panzergeschütze ausgeschlossen. Man muß auch bei den Grenzfestungen immer damit rechnen, daß der Feind bald nach Ausbruch des Krieges vor ihnen erscheinen kann. Es fehlt somit an Zeit, diese Formationen noch nach aus¬ gesprochener Mobilmachung in genügender Weise auszubilden. Als man sich zum Bau aller dieser neuen Befestigungsanlagen entschloß, mußte man sich auch von vornherein darüber klar werden, daß zu ihrer Besetzung das erforderliche Personal verfügbar gemacht werden müßte. Da die Feldarmee deu größten Teil der Fußartillerie für sich beansprucht, kann der fehlende Teil nur durch Neuformationen ersetzt werden. Derjenige Teil der Fußartillerie, der zur Verwendung im freien Felde in Verbindung mit der Feldarmee bestimmt ist, muß aber auch alle die Mittel besitzen, um sich schon im Frieden für die beabsichtigte Verwendung auszubilden. Dazu gehören in erster Linie Bespannungsabteilungen, die zurzeit noch nicht in genügender Menge vorhanden sind. Die Organisation und Ausbildung unserer Pioniere beruht auf dem sogenannten „Einheitspionier". Man versteht darunter einen Pionier, der in allen Zweigen des Feld- und Festungsdienstes gleichmäßig gut ausgebildet ist. Bei der umfangreichen Tätigkeit, die dieser Waffe in: Zukunftskriege zufällt, hatte eine gründliche Ausbildung schon bisher große Schwierigkeiten; seit Einführung der zweijährigen Dienstzeit sind diese noch mehr gewachsen. Nun hat aber der russisch-japanische Krieg, im besonderen der Kampf um Port Arthur gezeigt, daß die Fußartillerie trotz ihrer neuen Geschütze und Geschosse nicht imstande ist, die Befestigung aus weiter Ferne einzuschießen, die Grabenwehren zu zerstören, die Stellung sturmreif zu machen und die Besatzung so zu demoralisieren, daß der Sturm der Infanterie erfolgreich durch¬ geführt werde:: könnte. Was die Artillerie nicht von oben zu leisten vermochte, mußte der Pionier auf unterirdischem Wege zu erreichen suchen. Mit Minen geht er gegen die feindlichen Werke vor, um diese in die Lust zu sprengen und so der Infanterie den Sturm zu ermöglichen. Da der Verteidiger den Angriffs¬ arbeiten in derselben Weise entgegenzutreten suchte, entstand der schönste Minen¬ krieg, wie ihn die Zeiten Vauvans einst gesehen hatten. Das Minirieren, das man für eine längst überwundene Sache gehalten hatte, gelangte wieder zu Ehren. Jede Pionierformation, die in und vor Festungen verwendet werden soll, muß deshalb künftighin in diesem Dienstzweigc ans das gründlichste aus¬ gebildet sein. Dazu ist aber viel Zeit erforderlich, die bei der bisherigen Aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/623>, abgerufen am 23.07.2024.