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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Das deutsche Kolonialreich

Das deutsche Aolonialreich )

ans Meyer, den wir von jeher als einen der tatkräftigsten und
erfolgreichsten Bahnbrecher auf dem Gebiet der kolonialen Forschung
zu betrachten gewohnt sind, hat uns jetzt das langentbehrte Standard¬
werk über die Natur und Wirtschaft unsrer Kolonien beschert.
Für jeden denkenden Kolonialmann und Kolonialfreuud ist das ein
Ereignis. Nicht etwa um für den Wissenschaftler und Publizisten, sondern gerade
auch für den kolonialen Praktiker.

Das Werk will -- sagt Meyer im Vorwort -- nicht nur der landes¬
kundlichen Wissenschaft, sondern auch der kolonialen Praxis dienen. Es will
eine jedem Verständigen verständliche wissenschaftliche Landeskunde im Sinne der
modernen Geographie sein, die sich nicht mit der Beschreibung der Dinge,
Länder und Menschen begnügt, sondern die Erscheinungen der Erdoberfläche,
mit denen es die Geographie zu tun hat, in ihrem ursächlichen Zusammenhang
erkennen und verstehen und zu lebendiger Anschauung bringen will. Sie will
zeigen, wie aus der Erdlage und dem Aufbau eines Landes sich sein Klima
erklärt, wie das Klima und der Boden den Pflanzenwuchs bestimmen, wie
durch diese drei Faktoren die Tierwelt bedingt ist, wie sie alle zusammen die
physische und großenteils auch die psychische Eigenart des Menschen tief beein¬
flussen. Aus den gegenseitigen Beziehungen und dem Zusammenwirken der
Natureigenschaften und der Menschen ergeben sich schließlich die wirtschaftlichen
Wirklichkeiten und Möglichkeiten, die wir durch unsre koloniale Arbeit zu erhöhter
Entwickelung bringen können. Die wissenschaftliche Forschung wird von den
Praktikern allzuoft unterschätzt und viele von ihnen wären sehr erstaunt, wenn
man ihnen nachweisen würde, daß der Erfolg ihrer Arbeit eben auf diese
Forschung zurückzuführen ist. Die Forschungen und Versuche unsrer Wissen¬
schaftler auf botanischen: und landwirtschaftlichen Gebiet werden zur Not uoch
geachtet, auch die Arbeit des Geologen, soweit sie unmittelbar auf die Fest¬
stellung wertvoller Mineralien hinausläuft, läßt man gerne gelten, aber darüber
hinaus geht heute das Interesse am Forscher und seiner Tätigkeit in kolonialen
Kreisen vielfach uicht. Und dabei ist gerade der Mangel wissenschaftlicher
Erkenntnis daran schuld gewesen, daß die ersten fünfzehn bis zwanzig Jahre
unsrer kolonialen Betätigung nahezu unfruchtbar blieben. Über planloses
Experimentieren sind wir in dieser Zeit nicht hinausgekommen. So wurden
z. B. unüberlegt bedeutende Kapitalien in den Kaffeebau in Ostafrika gesteckt,
ohne daß man sich vorher durch Versuche vergewissert hatte, ob und in welchen
Gegenden diese Kultur überhaupt möglich sei. Die Fehlgriffe solcher Art, die
zu zahlreich sind, als daß man sie hier aufführen könnte, waren samt und



") "Das deutsche Kolonialreich." Eine Länderkunde der deutschen Schutzgebiete. Unter
Mitarbeit von Prof. Dr. S. Paffarge, Prof. Dr. L. Schultze, Prof. Dr. W. Siebers und
Dr. Georg Wegener herausgegeben von Prof. Dr. Hans Meyer. 2 Bände zum Preise von
je 15 M, Leipzig, Verlag des Bibliographischen Instituts.
Das deutsche Kolonialreich

Das deutsche Aolonialreich )

ans Meyer, den wir von jeher als einen der tatkräftigsten und
erfolgreichsten Bahnbrecher auf dem Gebiet der kolonialen Forschung
zu betrachten gewohnt sind, hat uns jetzt das langentbehrte Standard¬
werk über die Natur und Wirtschaft unsrer Kolonien beschert.
Für jeden denkenden Kolonialmann und Kolonialfreuud ist das ein
Ereignis. Nicht etwa um für den Wissenschaftler und Publizisten, sondern gerade
auch für den kolonialen Praktiker.

Das Werk will — sagt Meyer im Vorwort — nicht nur der landes¬
kundlichen Wissenschaft, sondern auch der kolonialen Praxis dienen. Es will
eine jedem Verständigen verständliche wissenschaftliche Landeskunde im Sinne der
modernen Geographie sein, die sich nicht mit der Beschreibung der Dinge,
Länder und Menschen begnügt, sondern die Erscheinungen der Erdoberfläche,
mit denen es die Geographie zu tun hat, in ihrem ursächlichen Zusammenhang
erkennen und verstehen und zu lebendiger Anschauung bringen will. Sie will
zeigen, wie aus der Erdlage und dem Aufbau eines Landes sich sein Klima
erklärt, wie das Klima und der Boden den Pflanzenwuchs bestimmen, wie
durch diese drei Faktoren die Tierwelt bedingt ist, wie sie alle zusammen die
physische und großenteils auch die psychische Eigenart des Menschen tief beein¬
flussen. Aus den gegenseitigen Beziehungen und dem Zusammenwirken der
Natureigenschaften und der Menschen ergeben sich schließlich die wirtschaftlichen
Wirklichkeiten und Möglichkeiten, die wir durch unsre koloniale Arbeit zu erhöhter
Entwickelung bringen können. Die wissenschaftliche Forschung wird von den
Praktikern allzuoft unterschätzt und viele von ihnen wären sehr erstaunt, wenn
man ihnen nachweisen würde, daß der Erfolg ihrer Arbeit eben auf diese
Forschung zurückzuführen ist. Die Forschungen und Versuche unsrer Wissen¬
schaftler auf botanischen: und landwirtschaftlichen Gebiet werden zur Not uoch
geachtet, auch die Arbeit des Geologen, soweit sie unmittelbar auf die Fest¬
stellung wertvoller Mineralien hinausläuft, läßt man gerne gelten, aber darüber
hinaus geht heute das Interesse am Forscher und seiner Tätigkeit in kolonialen
Kreisen vielfach uicht. Und dabei ist gerade der Mangel wissenschaftlicher
Erkenntnis daran schuld gewesen, daß die ersten fünfzehn bis zwanzig Jahre
unsrer kolonialen Betätigung nahezu unfruchtbar blieben. Über planloses
Experimentieren sind wir in dieser Zeit nicht hinausgekommen. So wurden
z. B. unüberlegt bedeutende Kapitalien in den Kaffeebau in Ostafrika gesteckt,
ohne daß man sich vorher durch Versuche vergewissert hatte, ob und in welchen
Gegenden diese Kultur überhaupt möglich sei. Die Fehlgriffe solcher Art, die
zu zahlreich sind, als daß man sie hier aufführen könnte, waren samt und



") „Das deutsche Kolonialreich." Eine Länderkunde der deutschen Schutzgebiete. Unter
Mitarbeit von Prof. Dr. S. Paffarge, Prof. Dr. L. Schultze, Prof. Dr. W. Siebers und
Dr. Georg Wegener herausgegeben von Prof. Dr. Hans Meyer. 2 Bände zum Preise von
je 15 M, Leipzig, Verlag des Bibliographischen Instituts.
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[0062] Das deutsche Kolonialreich Das deutsche Aolonialreich ) ans Meyer, den wir von jeher als einen der tatkräftigsten und erfolgreichsten Bahnbrecher auf dem Gebiet der kolonialen Forschung zu betrachten gewohnt sind, hat uns jetzt das langentbehrte Standard¬ werk über die Natur und Wirtschaft unsrer Kolonien beschert. Für jeden denkenden Kolonialmann und Kolonialfreuud ist das ein Ereignis. Nicht etwa um für den Wissenschaftler und Publizisten, sondern gerade auch für den kolonialen Praktiker. Das Werk will — sagt Meyer im Vorwort — nicht nur der landes¬ kundlichen Wissenschaft, sondern auch der kolonialen Praxis dienen. Es will eine jedem Verständigen verständliche wissenschaftliche Landeskunde im Sinne der modernen Geographie sein, die sich nicht mit der Beschreibung der Dinge, Länder und Menschen begnügt, sondern die Erscheinungen der Erdoberfläche, mit denen es die Geographie zu tun hat, in ihrem ursächlichen Zusammenhang erkennen und verstehen und zu lebendiger Anschauung bringen will. Sie will zeigen, wie aus der Erdlage und dem Aufbau eines Landes sich sein Klima erklärt, wie das Klima und der Boden den Pflanzenwuchs bestimmen, wie durch diese drei Faktoren die Tierwelt bedingt ist, wie sie alle zusammen die physische und großenteils auch die psychische Eigenart des Menschen tief beein¬ flussen. Aus den gegenseitigen Beziehungen und dem Zusammenwirken der Natureigenschaften und der Menschen ergeben sich schließlich die wirtschaftlichen Wirklichkeiten und Möglichkeiten, die wir durch unsre koloniale Arbeit zu erhöhter Entwickelung bringen können. Die wissenschaftliche Forschung wird von den Praktikern allzuoft unterschätzt und viele von ihnen wären sehr erstaunt, wenn man ihnen nachweisen würde, daß der Erfolg ihrer Arbeit eben auf diese Forschung zurückzuführen ist. Die Forschungen und Versuche unsrer Wissen¬ schaftler auf botanischen: und landwirtschaftlichen Gebiet werden zur Not uoch geachtet, auch die Arbeit des Geologen, soweit sie unmittelbar auf die Fest¬ stellung wertvoller Mineralien hinausläuft, läßt man gerne gelten, aber darüber hinaus geht heute das Interesse am Forscher und seiner Tätigkeit in kolonialen Kreisen vielfach uicht. Und dabei ist gerade der Mangel wissenschaftlicher Erkenntnis daran schuld gewesen, daß die ersten fünfzehn bis zwanzig Jahre unsrer kolonialen Betätigung nahezu unfruchtbar blieben. Über planloses Experimentieren sind wir in dieser Zeit nicht hinausgekommen. So wurden z. B. unüberlegt bedeutende Kapitalien in den Kaffeebau in Ostafrika gesteckt, ohne daß man sich vorher durch Versuche vergewissert hatte, ob und in welchen Gegenden diese Kultur überhaupt möglich sei. Die Fehlgriffe solcher Art, die zu zahlreich sind, als daß man sie hier aufführen könnte, waren samt und ") „Das deutsche Kolonialreich." Eine Länderkunde der deutschen Schutzgebiete. Unter Mitarbeit von Prof. Dr. S. Paffarge, Prof. Dr. L. Schultze, Prof. Dr. W. Siebers und Dr. Georg Wegener herausgegeben von Prof. Dr. Hans Meyer. 2 Bände zum Preise von je 15 M, Leipzig, Verlag des Bibliographischen Instituts.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/62>, abgerufen am 25.08.2024.