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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Gedanken zum neuen Hceresctat

von hohem Ansehen, die sich mit dem Zukunftskriege beschäftigen, nehmen dies
auch als wahrscheinlich an; ebenso rechnet die französische Fachliteratur mit einer
größeren Anzahl von Armeekorps im Kriege, als wie wir sie im Frieden besitzen.
Sollte dies der Fall sein, so würde es allerdings wünschenswert sein, daß diese
Armeekorps bereits im Frieden aufgestellt würden. Die Mobilmachung der
Armee wird um so schneller und glatter verlaufen, je mehr die Friedens¬
verhältnisse der Kriegsgliederung entsprechen. Jede Neuaufstellung eines Truppcn-
körpers und Stabes bereitet große Schwierigkeiten und wird sich nicht ohne
Reibung vollziehen. Verhältnismäßig leicht wird es dagegen sein, die Truppen
auf den Kriegsfuß zu setzen, wenn der feste Rahmen dazu bereits im Frieden
vorhanden ist. Würden diese neuen Armeekorps gebildet, so ist die Infanterie
für die noch aufzustellenden zweiten Divisionen bereits vorhanden (überschießende
kleine Brigaden). Dagegen würde es an der notwendigen Kavallerie, Artillerie
und an den Spezialtruppen fehlen. Es würde natürlich den militärischen
Interessen am meisten entsprechen, wenn man diese neu aufstellen wollte. Ver¬
zichtet man aber aus finanziellen Gründen auf die Ausführung dieser Maßregel,
so müßte man sich mit der Zuweisung dieser Truppen von anderen Armeekorps
zu helfen suchen. So wäre es ohne schwere Bedenken möglich, jeder Division
nur ein Kavallerieregiment zuzuleiten und den betreffenden Kavallerie-Brigade¬
kommandeur zur Verfügung des Generalkommandos zu belassen. In ähnlicher
Weise könnte man auch mit der Feldartillerie verfahren. Die Fußartillerie ist
im Frieden überhaupt nicht an den Korpsverband gebunden; wir haben
schon einzelne Armeekorps, die ganz ohne Fußartillerie sind, während
andere über zwei und mehr derartige Regimenter verfügen. Was die Pioniere
und den Train anbelangt, so würde sich deren Zuteilung bei der ohnehin
erforderlich werdenden Neuorganisation dieser Waffen unschwer erreichen lassen.
Gewiß sind die vorgeschlagenen Maßregeln nicht ohne Bedenken. Die Nachteile
sind aber gering den großen Vorteilen gegenüber, die das Vorhandensein der
höheren Stäbe und des festen Rahmens mit sich bringt. Auch für die
Personalfrage ist es von entschiedener Bedeutung, daß die im Kriege aufzu¬
stellenden Stäbe schon im Frieden vorhanden sind. Es läßt sich leider nicht
ganz vermeiden, daß bei Ausbruch eines Krieges in der Armee ein umfang¬
reicher Stellenwechsel eintritt, da eine große Zahl neuer Kommandostellen
geschaffen und mit zahlreichen Stäben ausgerüstet werden muß. Es sei
hierbei nur an die Aufstellung des großen Hauptquartiers, der Armee-
Oberkommandos, der Kavalleriedivisionen, der Neservedivisionen und an die
Bildung der Etappenformationen erinnert. Es ist ein großer Nachteil, wenn der
Führer zu seinerTruppezumerstenMale im Aufmarschgebiet in dienstliche Beziehungen
tritt. Die Stäbe müssen sich erst einarbeiten. Wieviel leichter ist dies, wenn die
Offiziere sich schon untereinander kennen und der Vorgesetzte weiß, mit wem er es
während des Feldzuges zu tun hat. Mit jeder höheren Stelle, die schon im Frieden
und nicht erst bei der Mobilmachung geschaffen wird, verbessern sich diese Verhältnisse.


Gedanken zum neuen Hceresctat

von hohem Ansehen, die sich mit dem Zukunftskriege beschäftigen, nehmen dies
auch als wahrscheinlich an; ebenso rechnet die französische Fachliteratur mit einer
größeren Anzahl von Armeekorps im Kriege, als wie wir sie im Frieden besitzen.
Sollte dies der Fall sein, so würde es allerdings wünschenswert sein, daß diese
Armeekorps bereits im Frieden aufgestellt würden. Die Mobilmachung der
Armee wird um so schneller und glatter verlaufen, je mehr die Friedens¬
verhältnisse der Kriegsgliederung entsprechen. Jede Neuaufstellung eines Truppcn-
körpers und Stabes bereitet große Schwierigkeiten und wird sich nicht ohne
Reibung vollziehen. Verhältnismäßig leicht wird es dagegen sein, die Truppen
auf den Kriegsfuß zu setzen, wenn der feste Rahmen dazu bereits im Frieden
vorhanden ist. Würden diese neuen Armeekorps gebildet, so ist die Infanterie
für die noch aufzustellenden zweiten Divisionen bereits vorhanden (überschießende
kleine Brigaden). Dagegen würde es an der notwendigen Kavallerie, Artillerie
und an den Spezialtruppen fehlen. Es würde natürlich den militärischen
Interessen am meisten entsprechen, wenn man diese neu aufstellen wollte. Ver¬
zichtet man aber aus finanziellen Gründen auf die Ausführung dieser Maßregel,
so müßte man sich mit der Zuweisung dieser Truppen von anderen Armeekorps
zu helfen suchen. So wäre es ohne schwere Bedenken möglich, jeder Division
nur ein Kavallerieregiment zuzuleiten und den betreffenden Kavallerie-Brigade¬
kommandeur zur Verfügung des Generalkommandos zu belassen. In ähnlicher
Weise könnte man auch mit der Feldartillerie verfahren. Die Fußartillerie ist
im Frieden überhaupt nicht an den Korpsverband gebunden; wir haben
schon einzelne Armeekorps, die ganz ohne Fußartillerie sind, während
andere über zwei und mehr derartige Regimenter verfügen. Was die Pioniere
und den Train anbelangt, so würde sich deren Zuteilung bei der ohnehin
erforderlich werdenden Neuorganisation dieser Waffen unschwer erreichen lassen.
Gewiß sind die vorgeschlagenen Maßregeln nicht ohne Bedenken. Die Nachteile
sind aber gering den großen Vorteilen gegenüber, die das Vorhandensein der
höheren Stäbe und des festen Rahmens mit sich bringt. Auch für die
Personalfrage ist es von entschiedener Bedeutung, daß die im Kriege aufzu¬
stellenden Stäbe schon im Frieden vorhanden sind. Es läßt sich leider nicht
ganz vermeiden, daß bei Ausbruch eines Krieges in der Armee ein umfang¬
reicher Stellenwechsel eintritt, da eine große Zahl neuer Kommandostellen
geschaffen und mit zahlreichen Stäben ausgerüstet werden muß. Es sei
hierbei nur an die Aufstellung des großen Hauptquartiers, der Armee-
Oberkommandos, der Kavalleriedivisionen, der Neservedivisionen und an die
Bildung der Etappenformationen erinnert. Es ist ein großer Nachteil, wenn der
Führer zu seinerTruppezumerstenMale im Aufmarschgebiet in dienstliche Beziehungen
tritt. Die Stäbe müssen sich erst einarbeiten. Wieviel leichter ist dies, wenn die
Offiziere sich schon untereinander kennen und der Vorgesetzte weiß, mit wem er es
während des Feldzuges zu tun hat. Mit jeder höheren Stelle, die schon im Frieden
und nicht erst bei der Mobilmachung geschaffen wird, verbessern sich diese Verhältnisse.


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[0616] Gedanken zum neuen Hceresctat von hohem Ansehen, die sich mit dem Zukunftskriege beschäftigen, nehmen dies auch als wahrscheinlich an; ebenso rechnet die französische Fachliteratur mit einer größeren Anzahl von Armeekorps im Kriege, als wie wir sie im Frieden besitzen. Sollte dies der Fall sein, so würde es allerdings wünschenswert sein, daß diese Armeekorps bereits im Frieden aufgestellt würden. Die Mobilmachung der Armee wird um so schneller und glatter verlaufen, je mehr die Friedens¬ verhältnisse der Kriegsgliederung entsprechen. Jede Neuaufstellung eines Truppcn- körpers und Stabes bereitet große Schwierigkeiten und wird sich nicht ohne Reibung vollziehen. Verhältnismäßig leicht wird es dagegen sein, die Truppen auf den Kriegsfuß zu setzen, wenn der feste Rahmen dazu bereits im Frieden vorhanden ist. Würden diese neuen Armeekorps gebildet, so ist die Infanterie für die noch aufzustellenden zweiten Divisionen bereits vorhanden (überschießende kleine Brigaden). Dagegen würde es an der notwendigen Kavallerie, Artillerie und an den Spezialtruppen fehlen. Es würde natürlich den militärischen Interessen am meisten entsprechen, wenn man diese neu aufstellen wollte. Ver¬ zichtet man aber aus finanziellen Gründen auf die Ausführung dieser Maßregel, so müßte man sich mit der Zuweisung dieser Truppen von anderen Armeekorps zu helfen suchen. So wäre es ohne schwere Bedenken möglich, jeder Division nur ein Kavallerieregiment zuzuleiten und den betreffenden Kavallerie-Brigade¬ kommandeur zur Verfügung des Generalkommandos zu belassen. In ähnlicher Weise könnte man auch mit der Feldartillerie verfahren. Die Fußartillerie ist im Frieden überhaupt nicht an den Korpsverband gebunden; wir haben schon einzelne Armeekorps, die ganz ohne Fußartillerie sind, während andere über zwei und mehr derartige Regimenter verfügen. Was die Pioniere und den Train anbelangt, so würde sich deren Zuteilung bei der ohnehin erforderlich werdenden Neuorganisation dieser Waffen unschwer erreichen lassen. Gewiß sind die vorgeschlagenen Maßregeln nicht ohne Bedenken. Die Nachteile sind aber gering den großen Vorteilen gegenüber, die das Vorhandensein der höheren Stäbe und des festen Rahmens mit sich bringt. Auch für die Personalfrage ist es von entschiedener Bedeutung, daß die im Kriege aufzu¬ stellenden Stäbe schon im Frieden vorhanden sind. Es läßt sich leider nicht ganz vermeiden, daß bei Ausbruch eines Krieges in der Armee ein umfang¬ reicher Stellenwechsel eintritt, da eine große Zahl neuer Kommandostellen geschaffen und mit zahlreichen Stäben ausgerüstet werden muß. Es sei hierbei nur an die Aufstellung des großen Hauptquartiers, der Armee- Oberkommandos, der Kavalleriedivisionen, der Neservedivisionen und an die Bildung der Etappenformationen erinnert. Es ist ein großer Nachteil, wenn der Führer zu seinerTruppezumerstenMale im Aufmarschgebiet in dienstliche Beziehungen tritt. Die Stäbe müssen sich erst einarbeiten. Wieviel leichter ist dies, wenn die Offiziere sich schon untereinander kennen und der Vorgesetzte weiß, mit wem er es während des Feldzuges zu tun hat. Mit jeder höheren Stelle, die schon im Frieden und nicht erst bei der Mobilmachung geschaffen wird, verbessern sich diese Verhältnisse.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/616>, abgerufen am 23.07.2024.