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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Gedanken zum neuen t^eeresetat

Die Errichtung neuer Truppenteile sowie jede Veränderung der Heeres¬
organisation erfordert aber Vorarbeiten. Diese können um so sachgemäßer
erledigt werden, je mehr Zeit dafür zur Verfügung steht. Es ist deshalb für
die Militärverwaltung wichtig, für einen längeren Zeitraum im voraus übersehen
zu können, wie die weitere Ausgestaltung des Heeres vor sich gehen soll. Auch
in finanzieller Hinsicht ist dies von hoher Bedeutung. Soll z. B. an einem
Orte ein neuer Truppenteil errichtet werden, so ist es zweckmäßig, daß vorher
für ihn die nötigen Kasernen, Reitbahnen, Schießstände und dergleichen gebaut
werden. Ist dies nicht der Fall, so muß der Truppenteil bis zur Vollendung
dieser Bauten in schnell errichteten provisorischen Bauten untergebracht werden,
für die später keine Verwendung mehr vorhanden ist. Auch aus Mobilmachungs¬
rücksichten ist es wünschenswert, die Entwicklung der Heeresmacht auf längere
Zeit im voraus festzulegen.

Es tritt noch ein politisches Moment hinzu. Neue Militärforderungen
pflegen bei uns der Gegenstand heftiger parlamentarischer Kämpfe zu sein, die
nicht immer von rein sachlichen, sondern häufig von parteipolitischer Rücksichten
beeinflußt werden. Die durch den Ausbau des Heeres und der Flotte bedingten
Kosten, die in Form von Steuern, Zöllen usw. von der Bevölkerung aufgebracht
werden müssen, bilden ein bequemes Agitationsmittel in der großen Masse. Je
länger der Frieden dauert und je länger die Nation sich dessen Segnungen
erfreut, desto mehr wiegt sie sich in ein Gefühl der Sicherheit ein und vergißt, daß
letzten Endes doch nur ein starkes, kriegsbereites Heer diese Sicherheit verschafft.
Eine kluge, voraussehende innere Politik muß mit diesen Faktoren rechnen und
tut deshalb gut, die Debatten über die Erhöhung der Heeresmacht möglichst
einzuschränken und nicht jedes Jahr von neuen: dadurch die Gemüter zu erregen
und die politischen Leidenschaften zu erwecken.

Aus allen diesen Gründen wird man wohl auch in Zukunft die Heeresstärke
und die Gliederung des Heeres nicht von Jahr zu Jahr, sondern immer für
eine Reihe von Jahren gesetzlich festlegen. Ob wir nun ein Quinquennat oder
ein Septennat oder ähnliches erhalten, muß dahingestellt bleiben. Wir würden
ersteres für vorteilhafter halten, damit der Zeitraum, für den sich die Regierung
bindet, nicht zu groß ist, und weil dies auch unserer fünfjährigen Legislatur¬
periode am besten entspricht.

Betrachtet man die Organisation unseres Heeres, so ist zunächst auffallend,
daß zwei Armeekorps, je eins im Westen und Osten, aus drei Divisionen bestehen,
während alle übrigen Armeekorps nur deren zwei besitzen. Aus die Vor-
und Nachteile der Zwei- oder Dreiteilung des Armeekorps näher eingehen
zu wollen, ist schon der Gleichmäßigkeit wegen anzunehmen, daß im Kriegs¬
falle die erwähnten dritten Divisionen nicht bei ihren Armeekorps verbleiben,
sondern zur Bildung besonderer neuer Formationen benutzt werden. So
z. B. könnten aus ihnen durch Zuteilung der überschießenden, sogenannten
kleinen Jnfcmteriebrigaden schnell neue Korps gebildet werden. Militärschriftsteller


Gedanken zum neuen t^eeresetat

Die Errichtung neuer Truppenteile sowie jede Veränderung der Heeres¬
organisation erfordert aber Vorarbeiten. Diese können um so sachgemäßer
erledigt werden, je mehr Zeit dafür zur Verfügung steht. Es ist deshalb für
die Militärverwaltung wichtig, für einen längeren Zeitraum im voraus übersehen
zu können, wie die weitere Ausgestaltung des Heeres vor sich gehen soll. Auch
in finanzieller Hinsicht ist dies von hoher Bedeutung. Soll z. B. an einem
Orte ein neuer Truppenteil errichtet werden, so ist es zweckmäßig, daß vorher
für ihn die nötigen Kasernen, Reitbahnen, Schießstände und dergleichen gebaut
werden. Ist dies nicht der Fall, so muß der Truppenteil bis zur Vollendung
dieser Bauten in schnell errichteten provisorischen Bauten untergebracht werden,
für die später keine Verwendung mehr vorhanden ist. Auch aus Mobilmachungs¬
rücksichten ist es wünschenswert, die Entwicklung der Heeresmacht auf längere
Zeit im voraus festzulegen.

Es tritt noch ein politisches Moment hinzu. Neue Militärforderungen
pflegen bei uns der Gegenstand heftiger parlamentarischer Kämpfe zu sein, die
nicht immer von rein sachlichen, sondern häufig von parteipolitischer Rücksichten
beeinflußt werden. Die durch den Ausbau des Heeres und der Flotte bedingten
Kosten, die in Form von Steuern, Zöllen usw. von der Bevölkerung aufgebracht
werden müssen, bilden ein bequemes Agitationsmittel in der großen Masse. Je
länger der Frieden dauert und je länger die Nation sich dessen Segnungen
erfreut, desto mehr wiegt sie sich in ein Gefühl der Sicherheit ein und vergißt, daß
letzten Endes doch nur ein starkes, kriegsbereites Heer diese Sicherheit verschafft.
Eine kluge, voraussehende innere Politik muß mit diesen Faktoren rechnen und
tut deshalb gut, die Debatten über die Erhöhung der Heeresmacht möglichst
einzuschränken und nicht jedes Jahr von neuen: dadurch die Gemüter zu erregen
und die politischen Leidenschaften zu erwecken.

Aus allen diesen Gründen wird man wohl auch in Zukunft die Heeresstärke
und die Gliederung des Heeres nicht von Jahr zu Jahr, sondern immer für
eine Reihe von Jahren gesetzlich festlegen. Ob wir nun ein Quinquennat oder
ein Septennat oder ähnliches erhalten, muß dahingestellt bleiben. Wir würden
ersteres für vorteilhafter halten, damit der Zeitraum, für den sich die Regierung
bindet, nicht zu groß ist, und weil dies auch unserer fünfjährigen Legislatur¬
periode am besten entspricht.

Betrachtet man die Organisation unseres Heeres, so ist zunächst auffallend,
daß zwei Armeekorps, je eins im Westen und Osten, aus drei Divisionen bestehen,
während alle übrigen Armeekorps nur deren zwei besitzen. Aus die Vor-
und Nachteile der Zwei- oder Dreiteilung des Armeekorps näher eingehen
zu wollen, ist schon der Gleichmäßigkeit wegen anzunehmen, daß im Kriegs¬
falle die erwähnten dritten Divisionen nicht bei ihren Armeekorps verbleiben,
sondern zur Bildung besonderer neuer Formationen benutzt werden. So
z. B. könnten aus ihnen durch Zuteilung der überschießenden, sogenannten
kleinen Jnfcmteriebrigaden schnell neue Korps gebildet werden. Militärschriftsteller


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[0615] Gedanken zum neuen t^eeresetat Die Errichtung neuer Truppenteile sowie jede Veränderung der Heeres¬ organisation erfordert aber Vorarbeiten. Diese können um so sachgemäßer erledigt werden, je mehr Zeit dafür zur Verfügung steht. Es ist deshalb für die Militärverwaltung wichtig, für einen längeren Zeitraum im voraus übersehen zu können, wie die weitere Ausgestaltung des Heeres vor sich gehen soll. Auch in finanzieller Hinsicht ist dies von hoher Bedeutung. Soll z. B. an einem Orte ein neuer Truppenteil errichtet werden, so ist es zweckmäßig, daß vorher für ihn die nötigen Kasernen, Reitbahnen, Schießstände und dergleichen gebaut werden. Ist dies nicht der Fall, so muß der Truppenteil bis zur Vollendung dieser Bauten in schnell errichteten provisorischen Bauten untergebracht werden, für die später keine Verwendung mehr vorhanden ist. Auch aus Mobilmachungs¬ rücksichten ist es wünschenswert, die Entwicklung der Heeresmacht auf längere Zeit im voraus festzulegen. Es tritt noch ein politisches Moment hinzu. Neue Militärforderungen pflegen bei uns der Gegenstand heftiger parlamentarischer Kämpfe zu sein, die nicht immer von rein sachlichen, sondern häufig von parteipolitischer Rücksichten beeinflußt werden. Die durch den Ausbau des Heeres und der Flotte bedingten Kosten, die in Form von Steuern, Zöllen usw. von der Bevölkerung aufgebracht werden müssen, bilden ein bequemes Agitationsmittel in der großen Masse. Je länger der Frieden dauert und je länger die Nation sich dessen Segnungen erfreut, desto mehr wiegt sie sich in ein Gefühl der Sicherheit ein und vergißt, daß letzten Endes doch nur ein starkes, kriegsbereites Heer diese Sicherheit verschafft. Eine kluge, voraussehende innere Politik muß mit diesen Faktoren rechnen und tut deshalb gut, die Debatten über die Erhöhung der Heeresmacht möglichst einzuschränken und nicht jedes Jahr von neuen: dadurch die Gemüter zu erregen und die politischen Leidenschaften zu erwecken. Aus allen diesen Gründen wird man wohl auch in Zukunft die Heeresstärke und die Gliederung des Heeres nicht von Jahr zu Jahr, sondern immer für eine Reihe von Jahren gesetzlich festlegen. Ob wir nun ein Quinquennat oder ein Septennat oder ähnliches erhalten, muß dahingestellt bleiben. Wir würden ersteres für vorteilhafter halten, damit der Zeitraum, für den sich die Regierung bindet, nicht zu groß ist, und weil dies auch unserer fünfjährigen Legislatur¬ periode am besten entspricht. Betrachtet man die Organisation unseres Heeres, so ist zunächst auffallend, daß zwei Armeekorps, je eins im Westen und Osten, aus drei Divisionen bestehen, während alle übrigen Armeekorps nur deren zwei besitzen. Aus die Vor- und Nachteile der Zwei- oder Dreiteilung des Armeekorps näher eingehen zu wollen, ist schon der Gleichmäßigkeit wegen anzunehmen, daß im Kriegs¬ falle die erwähnten dritten Divisionen nicht bei ihren Armeekorps verbleiben, sondern zur Bildung besonderer neuer Formationen benutzt werden. So z. B. könnten aus ihnen durch Zuteilung der überschießenden, sogenannten kleinen Jnfcmteriebrigaden schnell neue Korps gebildet werden. Militärschriftsteller

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/615>, abgerufen am 23.07.2024.