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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Die Lage des Deutschtums in Galizien

Stütze des Deutschtums geworden. Das von ihn: herausgegebene "Deutsche
Volksblatt" fördert überaus die kräftige Entfaltung des völkischen Bewußtseins
und der völkischen Bewegung. Es ist bezeichnend, daß dieses Blatt selbst auf
die lauen Zipser Sachsen im benachbarten Nordungaru einzuwirken sucht
und besondere Zipser-Nummern herausgibt. Noch bedeutender würde der Erfolg
des "Volksblattes" sein, wenn einzelne taktische Fehler vermieden würden; daß
nicht alles gleich gut gelingt, wird man bei den schwierigen Verhältnissen leicht
begreifen. Zu erwähnen ist hier auch die Gründung des Kinderheimes in
Stanislau (1896), des evangelischen Waisenhauses in Biala (1905), des
evangelischen Studentenheimes in Lemberg (ebenfalls 1905), ferner der Jung-
männer-, Jungfrauen- und Frauenvereine, der Lesehallen und endlich des Deutschen
Landeslehrervereines (1909). Seit 1904 wirkt auch das "Komitee für Vermittlung
von Gaben für Lehrerunterstützungen", das Jahr für Jahr stets anwachsende
Summen den leider nicht entsprechend besoldeten Lehrern zuführt; allein
1907/08 sind fast 17000 Kronen an 88 evangelische Lehrer verteilt worden. Wer
in Stanislau die Früchte der regen nationalen Arbeit des Pfarrers Zöckler,
die evangelische Kirche und Schule, das Warenhaus, das Knaben- und Mädchen¬
heim mit den großen dazu gehörigen Wirtschaftsanlagen gesehen hat, der
wird erkennen lernen, daß die galizischen Deutschen hier eine starke Hochburg
besitzen; er wird aber auch begreifen, warum Zöckler zu den von den Polen
bestgehaßtesten Männern gehört! Für die katholischen Deutschen wird leider
nicht in gleicher Weise gesorgt. Es ist ganz merkwürdig, welche Gleichgültigkeit
in dieser Beziehung bisher in den deutsch-katholischen Ländern herrscht. Welch
bedeutende Summen opfern diese für katholische Zwecke anderer Länder; im
benachbarten Galizien lassen sie aber ihre Volksgenossen und Glaubensbrüder
ohne alle Hilfe! Daß diese Zurücksetzung bei den katholischen Deutschen
Galiziens ungleiche Gefühle erregt, hat deren Kundgebung anläßlich des
Dresdner Katholikentages bewiesen.

Auch wirtschaftlich sind die galizischen "Schwaben" nicht zu verachten. Neben
einzelnen minder gut gestellten Ansiedlungen gibt es wohlhabende und die
Mehrzahl hat mindestens nicht mit Not zu kämpfen. Wo dies der Fall ist,
dürften die sich entwickelnden Wirtschaftsorganisationen Abhilfe verschaffen. Sie
müssen dahin allsgebildet werden, daß auch weiterer Erwerb von Gründen durch
sie ermöglicht wird. Insbesondere werden sie darüber zu wachen haben, daß
deutscher Boden nicht verloren geht. An Kenntnissen, Fleiß und Nüchternheit
überragen die Deutschen zumeist auch jetzt noch die andere Bevölkerung. Auch
ihrer Zahl nach (rund etwa hunderttausend) sind sie ein nicht zu verachtender
Faktor. Jene Gemeinden, in denen infolge des Mangels an deutscheu Schulen
die Polonisierung um sich gegriffen hat, könnten zum größten Teil zurückgewonnen
werden.

Die galizischen Deutschen besitzen somit noch alle Eigenschaften, um treue
Vorposten des deutschen Volkes gegen Osten zu sein. Sie haben sich bisher wacker


Die Lage des Deutschtums in Galizien

Stütze des Deutschtums geworden. Das von ihn: herausgegebene „Deutsche
Volksblatt" fördert überaus die kräftige Entfaltung des völkischen Bewußtseins
und der völkischen Bewegung. Es ist bezeichnend, daß dieses Blatt selbst auf
die lauen Zipser Sachsen im benachbarten Nordungaru einzuwirken sucht
und besondere Zipser-Nummern herausgibt. Noch bedeutender würde der Erfolg
des „Volksblattes" sein, wenn einzelne taktische Fehler vermieden würden; daß
nicht alles gleich gut gelingt, wird man bei den schwierigen Verhältnissen leicht
begreifen. Zu erwähnen ist hier auch die Gründung des Kinderheimes in
Stanislau (1896), des evangelischen Waisenhauses in Biala (1905), des
evangelischen Studentenheimes in Lemberg (ebenfalls 1905), ferner der Jung-
männer-, Jungfrauen- und Frauenvereine, der Lesehallen und endlich des Deutschen
Landeslehrervereines (1909). Seit 1904 wirkt auch das „Komitee für Vermittlung
von Gaben für Lehrerunterstützungen", das Jahr für Jahr stets anwachsende
Summen den leider nicht entsprechend besoldeten Lehrern zuführt; allein
1907/08 sind fast 17000 Kronen an 88 evangelische Lehrer verteilt worden. Wer
in Stanislau die Früchte der regen nationalen Arbeit des Pfarrers Zöckler,
die evangelische Kirche und Schule, das Warenhaus, das Knaben- und Mädchen¬
heim mit den großen dazu gehörigen Wirtschaftsanlagen gesehen hat, der
wird erkennen lernen, daß die galizischen Deutschen hier eine starke Hochburg
besitzen; er wird aber auch begreifen, warum Zöckler zu den von den Polen
bestgehaßtesten Männern gehört! Für die katholischen Deutschen wird leider
nicht in gleicher Weise gesorgt. Es ist ganz merkwürdig, welche Gleichgültigkeit
in dieser Beziehung bisher in den deutsch-katholischen Ländern herrscht. Welch
bedeutende Summen opfern diese für katholische Zwecke anderer Länder; im
benachbarten Galizien lassen sie aber ihre Volksgenossen und Glaubensbrüder
ohne alle Hilfe! Daß diese Zurücksetzung bei den katholischen Deutschen
Galiziens ungleiche Gefühle erregt, hat deren Kundgebung anläßlich des
Dresdner Katholikentages bewiesen.

Auch wirtschaftlich sind die galizischen „Schwaben" nicht zu verachten. Neben
einzelnen minder gut gestellten Ansiedlungen gibt es wohlhabende und die
Mehrzahl hat mindestens nicht mit Not zu kämpfen. Wo dies der Fall ist,
dürften die sich entwickelnden Wirtschaftsorganisationen Abhilfe verschaffen. Sie
müssen dahin allsgebildet werden, daß auch weiterer Erwerb von Gründen durch
sie ermöglicht wird. Insbesondere werden sie darüber zu wachen haben, daß
deutscher Boden nicht verloren geht. An Kenntnissen, Fleiß und Nüchternheit
überragen die Deutschen zumeist auch jetzt noch die andere Bevölkerung. Auch
ihrer Zahl nach (rund etwa hunderttausend) sind sie ein nicht zu verachtender
Faktor. Jene Gemeinden, in denen infolge des Mangels an deutscheu Schulen
die Polonisierung um sich gegriffen hat, könnten zum größten Teil zurückgewonnen
werden.

Die galizischen Deutschen besitzen somit noch alle Eigenschaften, um treue
Vorposten des deutschen Volkes gegen Osten zu sein. Sie haben sich bisher wacker


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[0588] Die Lage des Deutschtums in Galizien Stütze des Deutschtums geworden. Das von ihn: herausgegebene „Deutsche Volksblatt" fördert überaus die kräftige Entfaltung des völkischen Bewußtseins und der völkischen Bewegung. Es ist bezeichnend, daß dieses Blatt selbst auf die lauen Zipser Sachsen im benachbarten Nordungaru einzuwirken sucht und besondere Zipser-Nummern herausgibt. Noch bedeutender würde der Erfolg des „Volksblattes" sein, wenn einzelne taktische Fehler vermieden würden; daß nicht alles gleich gut gelingt, wird man bei den schwierigen Verhältnissen leicht begreifen. Zu erwähnen ist hier auch die Gründung des Kinderheimes in Stanislau (1896), des evangelischen Waisenhauses in Biala (1905), des evangelischen Studentenheimes in Lemberg (ebenfalls 1905), ferner der Jung- männer-, Jungfrauen- und Frauenvereine, der Lesehallen und endlich des Deutschen Landeslehrervereines (1909). Seit 1904 wirkt auch das „Komitee für Vermittlung von Gaben für Lehrerunterstützungen", das Jahr für Jahr stets anwachsende Summen den leider nicht entsprechend besoldeten Lehrern zuführt; allein 1907/08 sind fast 17000 Kronen an 88 evangelische Lehrer verteilt worden. Wer in Stanislau die Früchte der regen nationalen Arbeit des Pfarrers Zöckler, die evangelische Kirche und Schule, das Warenhaus, das Knaben- und Mädchen¬ heim mit den großen dazu gehörigen Wirtschaftsanlagen gesehen hat, der wird erkennen lernen, daß die galizischen Deutschen hier eine starke Hochburg besitzen; er wird aber auch begreifen, warum Zöckler zu den von den Polen bestgehaßtesten Männern gehört! Für die katholischen Deutschen wird leider nicht in gleicher Weise gesorgt. Es ist ganz merkwürdig, welche Gleichgültigkeit in dieser Beziehung bisher in den deutsch-katholischen Ländern herrscht. Welch bedeutende Summen opfern diese für katholische Zwecke anderer Länder; im benachbarten Galizien lassen sie aber ihre Volksgenossen und Glaubensbrüder ohne alle Hilfe! Daß diese Zurücksetzung bei den katholischen Deutschen Galiziens ungleiche Gefühle erregt, hat deren Kundgebung anläßlich des Dresdner Katholikentages bewiesen. Auch wirtschaftlich sind die galizischen „Schwaben" nicht zu verachten. Neben einzelnen minder gut gestellten Ansiedlungen gibt es wohlhabende und die Mehrzahl hat mindestens nicht mit Not zu kämpfen. Wo dies der Fall ist, dürften die sich entwickelnden Wirtschaftsorganisationen Abhilfe verschaffen. Sie müssen dahin allsgebildet werden, daß auch weiterer Erwerb von Gründen durch sie ermöglicht wird. Insbesondere werden sie darüber zu wachen haben, daß deutscher Boden nicht verloren geht. An Kenntnissen, Fleiß und Nüchternheit überragen die Deutschen zumeist auch jetzt noch die andere Bevölkerung. Auch ihrer Zahl nach (rund etwa hunderttausend) sind sie ein nicht zu verachtender Faktor. Jene Gemeinden, in denen infolge des Mangels an deutscheu Schulen die Polonisierung um sich gegriffen hat, könnten zum größten Teil zurückgewonnen werden. Die galizischen Deutschen besitzen somit noch alle Eigenschaften, um treue Vorposten des deutschen Volkes gegen Osten zu sein. Sie haben sich bisher wacker

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/588>, abgerufen am 23.07.2024.