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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Prinz Linn von Schönaich-Carolath

an Glauben. . . Glaube ist Trost, Glaube spricht: Es gibt keine verlorene Liebe.
Glaube jubelt, daß weder Tod noch Leben, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges
uns scheiden mag von der Liebe Gottes. Glaube spricht, daß Herzen, die
einander geliebt, sich wiederfinden müssen kraft ihrer Liebe in Gottes Nähe.
Lichtlein sind wir; von Gott kommend, zu Gott gehend und Ruhe findend in
ihm allein." Waren bisher Carolaths Helden wie etwa bei Raabe an ihren:
tragischen Schicksal zugrunde gegangen, hier endlich hat der Optimismus des
Glaubens den Pessimismus des Zweifels völlig überwältigt.

1903 erschien eine zweite lyrisch-epische Sammlung des fürstlichen Sängers,
seine "Gedichte". Aus seinem Erstlingswerk, den "Liedern an eine Verlorene",
finden wir darin, gänzlich umgearbeitet, den Zyklus "Westwärts" und "Sulamith"
wieder. Ebenso hat er unter dem Titel "Aus der Jugendzeit" ältere Verse
aufs neue vereinigt. Gänzlich neu sind vor allem die größeren lyrisch-epischen
Dichtungen "Hans Habenichts" und "Philemon und Baucis".

Wird in "Philemon und Baucis" das antike Schönheitsideal dem christ¬
lichen Epos gegenübergestellt und die Verbindung beider als erstrebenswertes
Ziel alles Lebens und aller Poesie angedeutet, so tritt diese spätromantische
Weltauffassung in dem lyrischen Epos "Hans Habenichts" noch deutlicher hervor.
Hans Habenichts ist ein ahnenstolzer Sprößling des edlen Magnus im finstern
Grunde, den wir Scheffels wundersamer "Frau Aventiure" verdanken. Der
Einfluß dieses Dichters auf den gereiften Schönaich-Carolath ist bezeichnend.

In seinen Landsknechtliedern, von denen die letzte Fassung der "Gedichte"
eine stattliche Reihe enthält/ stellt Schönaich-Carolath sich an die Seite unserer
besten Balladendichter vom Rang eines Fontane.

Aber nicht allein in so formvollendeten lyrisch-epischen Dichtungen voll
Anschaulichkeit, Gedankenfülle und sittlicher Hoheit bewundern wir unseres Dichters
Schöpferkraft, sondern auch in den vielen rein lyrischen Gedichten, die in
der zweiten Sammlung eine stoffliche Vielseitigkeit ausweisen, wie wir sie früher
nicht beobachten konnten: reine Naturgedichte, Stimmungsbilder aus Vergangen¬
heit und Gegenwart, Lieder im Volkston, Widmungen an große Tote, Hymnen
und Dithyramben. Den Schmerz als eigentliches Los des Künstlers besingt er
noch einmal tief ergreifend in "Fontana Trevi." Überall quillt seiner Muse
unerschöpflicher Born. Am liebsten freilich singt der Dichter von seinen: lieben
Deutschland, dem arbeitsamen, sestfreudigen, demütigen, tapferen und frommen.
Manchmal klingt noch wie ehedem der Liebsten Lachen aus dein leer gewordenen
Laubengang, aber die Stürme der Jugend siud verweht und verwiesen. Aus
dem jugendlichen Minnesänger ist ein gereifter, abgeklärter Tröster und Segen¬
spender geworden.




Schönaich-Carolaths Sprache ist von wunderbarer Plastik und begeistertem
Schwung. Überwältigend ist die Pracht seiner Bilder. Die Ideen vergleicht


Prinz Linn von Schönaich-Carolath

an Glauben. . . Glaube ist Trost, Glaube spricht: Es gibt keine verlorene Liebe.
Glaube jubelt, daß weder Tod noch Leben, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges
uns scheiden mag von der Liebe Gottes. Glaube spricht, daß Herzen, die
einander geliebt, sich wiederfinden müssen kraft ihrer Liebe in Gottes Nähe.
Lichtlein sind wir; von Gott kommend, zu Gott gehend und Ruhe findend in
ihm allein." Waren bisher Carolaths Helden wie etwa bei Raabe an ihren:
tragischen Schicksal zugrunde gegangen, hier endlich hat der Optimismus des
Glaubens den Pessimismus des Zweifels völlig überwältigt.

1903 erschien eine zweite lyrisch-epische Sammlung des fürstlichen Sängers,
seine „Gedichte". Aus seinem Erstlingswerk, den „Liedern an eine Verlorene",
finden wir darin, gänzlich umgearbeitet, den Zyklus „Westwärts" und „Sulamith"
wieder. Ebenso hat er unter dem Titel „Aus der Jugendzeit" ältere Verse
aufs neue vereinigt. Gänzlich neu sind vor allem die größeren lyrisch-epischen
Dichtungen „Hans Habenichts" und „Philemon und Baucis".

Wird in „Philemon und Baucis" das antike Schönheitsideal dem christ¬
lichen Epos gegenübergestellt und die Verbindung beider als erstrebenswertes
Ziel alles Lebens und aller Poesie angedeutet, so tritt diese spätromantische
Weltauffassung in dem lyrischen Epos „Hans Habenichts" noch deutlicher hervor.
Hans Habenichts ist ein ahnenstolzer Sprößling des edlen Magnus im finstern
Grunde, den wir Scheffels wundersamer „Frau Aventiure" verdanken. Der
Einfluß dieses Dichters auf den gereiften Schönaich-Carolath ist bezeichnend.

In seinen Landsknechtliedern, von denen die letzte Fassung der „Gedichte"
eine stattliche Reihe enthält/ stellt Schönaich-Carolath sich an die Seite unserer
besten Balladendichter vom Rang eines Fontane.

Aber nicht allein in so formvollendeten lyrisch-epischen Dichtungen voll
Anschaulichkeit, Gedankenfülle und sittlicher Hoheit bewundern wir unseres Dichters
Schöpferkraft, sondern auch in den vielen rein lyrischen Gedichten, die in
der zweiten Sammlung eine stoffliche Vielseitigkeit ausweisen, wie wir sie früher
nicht beobachten konnten: reine Naturgedichte, Stimmungsbilder aus Vergangen¬
heit und Gegenwart, Lieder im Volkston, Widmungen an große Tote, Hymnen
und Dithyramben. Den Schmerz als eigentliches Los des Künstlers besingt er
noch einmal tief ergreifend in „Fontana Trevi." Überall quillt seiner Muse
unerschöpflicher Born. Am liebsten freilich singt der Dichter von seinen: lieben
Deutschland, dem arbeitsamen, sestfreudigen, demütigen, tapferen und frommen.
Manchmal klingt noch wie ehedem der Liebsten Lachen aus dein leer gewordenen
Laubengang, aber die Stürme der Jugend siud verweht und verwiesen. Aus
dem jugendlichen Minnesänger ist ein gereifter, abgeklärter Tröster und Segen¬
spender geworden.




Schönaich-Carolaths Sprache ist von wunderbarer Plastik und begeistertem
Schwung. Überwältigend ist die Pracht seiner Bilder. Die Ideen vergleicht


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[0582] Prinz Linn von Schönaich-Carolath an Glauben. . . Glaube ist Trost, Glaube spricht: Es gibt keine verlorene Liebe. Glaube jubelt, daß weder Tod noch Leben, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges uns scheiden mag von der Liebe Gottes. Glaube spricht, daß Herzen, die einander geliebt, sich wiederfinden müssen kraft ihrer Liebe in Gottes Nähe. Lichtlein sind wir; von Gott kommend, zu Gott gehend und Ruhe findend in ihm allein." Waren bisher Carolaths Helden wie etwa bei Raabe an ihren: tragischen Schicksal zugrunde gegangen, hier endlich hat der Optimismus des Glaubens den Pessimismus des Zweifels völlig überwältigt. 1903 erschien eine zweite lyrisch-epische Sammlung des fürstlichen Sängers, seine „Gedichte". Aus seinem Erstlingswerk, den „Liedern an eine Verlorene", finden wir darin, gänzlich umgearbeitet, den Zyklus „Westwärts" und „Sulamith" wieder. Ebenso hat er unter dem Titel „Aus der Jugendzeit" ältere Verse aufs neue vereinigt. Gänzlich neu sind vor allem die größeren lyrisch-epischen Dichtungen „Hans Habenichts" und „Philemon und Baucis". Wird in „Philemon und Baucis" das antike Schönheitsideal dem christ¬ lichen Epos gegenübergestellt und die Verbindung beider als erstrebenswertes Ziel alles Lebens und aller Poesie angedeutet, so tritt diese spätromantische Weltauffassung in dem lyrischen Epos „Hans Habenichts" noch deutlicher hervor. Hans Habenichts ist ein ahnenstolzer Sprößling des edlen Magnus im finstern Grunde, den wir Scheffels wundersamer „Frau Aventiure" verdanken. Der Einfluß dieses Dichters auf den gereiften Schönaich-Carolath ist bezeichnend. In seinen Landsknechtliedern, von denen die letzte Fassung der „Gedichte" eine stattliche Reihe enthält/ stellt Schönaich-Carolath sich an die Seite unserer besten Balladendichter vom Rang eines Fontane. Aber nicht allein in so formvollendeten lyrisch-epischen Dichtungen voll Anschaulichkeit, Gedankenfülle und sittlicher Hoheit bewundern wir unseres Dichters Schöpferkraft, sondern auch in den vielen rein lyrischen Gedichten, die in der zweiten Sammlung eine stoffliche Vielseitigkeit ausweisen, wie wir sie früher nicht beobachten konnten: reine Naturgedichte, Stimmungsbilder aus Vergangen¬ heit und Gegenwart, Lieder im Volkston, Widmungen an große Tote, Hymnen und Dithyramben. Den Schmerz als eigentliches Los des Künstlers besingt er noch einmal tief ergreifend in „Fontana Trevi." Überall quillt seiner Muse unerschöpflicher Born. Am liebsten freilich singt der Dichter von seinen: lieben Deutschland, dem arbeitsamen, sestfreudigen, demütigen, tapferen und frommen. Manchmal klingt noch wie ehedem der Liebsten Lachen aus dein leer gewordenen Laubengang, aber die Stürme der Jugend siud verweht und verwiesen. Aus dem jugendlichen Minnesänger ist ein gereifter, abgeklärter Tröster und Segen¬ spender geworden. Schönaich-Carolaths Sprache ist von wunderbarer Plastik und begeistertem Schwung. Überwältigend ist die Pracht seiner Bilder. Die Ideen vergleicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/582>, abgerufen am 23.07.2024.