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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Prinz Lniil von Schönciich-Larolatb

von neuem auf. Aber zu einem friedliche" Ausgleich ist es zu spät. Guys
Lebensüberdruß stürzt ihn in den Selbstmord. Die Grundidee ist leicht zu finden:
Der Mann wird, wie schon einmal im Paradies, vom Weib in den geistigen
Tod gehetzt.

Das zweite Stück der epischen Trilogie. "Don Juans Tod", knüpft an eine
Sageufigur der Weltliteratur an. Schönaich-Carolath hat einen durchaus
eigenartigen Stoff daraus gestaltet. Don Juan ist bei ihni nicht wie in der
Auffassung Byrons, Lenans und Grabbes der bloße Lüstling, dessen Schreckens¬
ende nur die wohlverdiente Strafe für sein schlechtes Leben bedeutet, sondern
der moderne Mensch, zwar jedes Frevels fähig, dabei doch nicht ohne Seele,
ohne einen letzten Kern innerer Güte,

Carolaths Don Juan ist der Sohn der Venus und des Ahasver. der
Zwillingsbruder des Faust. In: christlichen Grusenreich lernt er die Jungfrau
Diava kennen. Sie liebt ihn und will ihn zum Gatten. Aber Don Juan
begehrt nur den Leib, ihr Herz verschmäht er. Er bricht den Burgfrieden und
wird zum Tod verurteilt. Diava als Königin sucht ihn zu rette", indem sie
ihn als ihren künftigen Gatten auszugeben vorhat. Aber auch jetzt verachtet
Don Juan die Ehe. So wird er dem Kerker überliefert. Diava folgt ihm
dahin. Und erst im Schatten des Todes wird Don Juans Herz von der unend¬
lichen Liebe dieses Engels gerührt. Er verzichtet auf die Wollust des Fleisches,
als er das keusche Weib in seinen Armen hält. Ein gemeinsamer Flammentod
erlöst das Liebespaar. Der tiefsinnigen, erschütternden Dichtung liegt Goethes
Gedanke zugrunde: "Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan". Aber Carolath hat
diese Worte in einem durchaus christlichen Sinne gedeutet. Seine Diava ist
keine andere als Dantes Beatrice.

Bildet "Don Juans Tod" die wirksamste Antithese zur "Sphinx", indem
das Weib durch beide Dichtungen in seinen elementaren Gegensätzen aufgelöst
erscheint, so tritt das übernatürliche Moment in seinem Kampf mit den: irdischen
Egoismus als das schließlich Sieghafte in dem dritten Teil der Trilogie vollends
deutlich zutage. Judas stellt sich Christus entgegen. Als scheinbarer Anwalt
der unglücklichen Kreatur wirft er ihm Furchtbares vor. Allein der Heiland
schweigt. Von seinem Auge bricht ein Leidensblick, und der Verräter flieht.
Kein Wort des Hasses folgt ihm. Auch jetzt noch begleitet ihn die Liebe des
Herrn:


"Ob gros; die Schuld, ob groß mich dus Gericht,
Die Liebe wird am nllenn'ößte" bleiben."

Judas in Gethsemane ist der typische Vertreter der selbstischen gefallenen
Menschheit. Die Liebe, im ersten Epos rein sinnlich, im zweiten von einem
Strahl der übersinnlichen erleuchtet, wird im letzten von der göttlichen Erbarmung,
der größten Liebe abgelöst. Und so bildet diese gewaltige Gedankenschöpfung
Carolaths ein durchaus harmonisches Gebilde. Ihre tiefen poetischen Einzel-
schönheiten ergeben sich nur dem eingehenden, eindringenden nachempfinden.


Prinz Lniil von Schönciich-Larolatb

von neuem auf. Aber zu einem friedliche» Ausgleich ist es zu spät. Guys
Lebensüberdruß stürzt ihn in den Selbstmord. Die Grundidee ist leicht zu finden:
Der Mann wird, wie schon einmal im Paradies, vom Weib in den geistigen
Tod gehetzt.

Das zweite Stück der epischen Trilogie. „Don Juans Tod", knüpft an eine
Sageufigur der Weltliteratur an. Schönaich-Carolath hat einen durchaus
eigenartigen Stoff daraus gestaltet. Don Juan ist bei ihni nicht wie in der
Auffassung Byrons, Lenans und Grabbes der bloße Lüstling, dessen Schreckens¬
ende nur die wohlverdiente Strafe für sein schlechtes Leben bedeutet, sondern
der moderne Mensch, zwar jedes Frevels fähig, dabei doch nicht ohne Seele,
ohne einen letzten Kern innerer Güte,

Carolaths Don Juan ist der Sohn der Venus und des Ahasver. der
Zwillingsbruder des Faust. In: christlichen Grusenreich lernt er die Jungfrau
Diava kennen. Sie liebt ihn und will ihn zum Gatten. Aber Don Juan
begehrt nur den Leib, ihr Herz verschmäht er. Er bricht den Burgfrieden und
wird zum Tod verurteilt. Diava als Königin sucht ihn zu rette«, indem sie
ihn als ihren künftigen Gatten auszugeben vorhat. Aber auch jetzt verachtet
Don Juan die Ehe. So wird er dem Kerker überliefert. Diava folgt ihm
dahin. Und erst im Schatten des Todes wird Don Juans Herz von der unend¬
lichen Liebe dieses Engels gerührt. Er verzichtet auf die Wollust des Fleisches,
als er das keusche Weib in seinen Armen hält. Ein gemeinsamer Flammentod
erlöst das Liebespaar. Der tiefsinnigen, erschütternden Dichtung liegt Goethes
Gedanke zugrunde: „Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan". Aber Carolath hat
diese Worte in einem durchaus christlichen Sinne gedeutet. Seine Diava ist
keine andere als Dantes Beatrice.

Bildet „Don Juans Tod" die wirksamste Antithese zur „Sphinx", indem
das Weib durch beide Dichtungen in seinen elementaren Gegensätzen aufgelöst
erscheint, so tritt das übernatürliche Moment in seinem Kampf mit den: irdischen
Egoismus als das schließlich Sieghafte in dem dritten Teil der Trilogie vollends
deutlich zutage. Judas stellt sich Christus entgegen. Als scheinbarer Anwalt
der unglücklichen Kreatur wirft er ihm Furchtbares vor. Allein der Heiland
schweigt. Von seinem Auge bricht ein Leidensblick, und der Verräter flieht.
Kein Wort des Hasses folgt ihm. Auch jetzt noch begleitet ihn die Liebe des
Herrn:


„Ob gros; die Schuld, ob groß mich dus Gericht,
Die Liebe wird am nllenn'ößte» bleiben."

Judas in Gethsemane ist der typische Vertreter der selbstischen gefallenen
Menschheit. Die Liebe, im ersten Epos rein sinnlich, im zweiten von einem
Strahl der übersinnlichen erleuchtet, wird im letzten von der göttlichen Erbarmung,
der größten Liebe abgelöst. Und so bildet diese gewaltige Gedankenschöpfung
Carolaths ein durchaus harmonisches Gebilde. Ihre tiefen poetischen Einzel-
schönheiten ergeben sich nur dem eingehenden, eindringenden nachempfinden.


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[0579] Prinz Lniil von Schönciich-Larolatb von neuem auf. Aber zu einem friedliche» Ausgleich ist es zu spät. Guys Lebensüberdruß stürzt ihn in den Selbstmord. Die Grundidee ist leicht zu finden: Der Mann wird, wie schon einmal im Paradies, vom Weib in den geistigen Tod gehetzt. Das zweite Stück der epischen Trilogie. „Don Juans Tod", knüpft an eine Sageufigur der Weltliteratur an. Schönaich-Carolath hat einen durchaus eigenartigen Stoff daraus gestaltet. Don Juan ist bei ihni nicht wie in der Auffassung Byrons, Lenans und Grabbes der bloße Lüstling, dessen Schreckens¬ ende nur die wohlverdiente Strafe für sein schlechtes Leben bedeutet, sondern der moderne Mensch, zwar jedes Frevels fähig, dabei doch nicht ohne Seele, ohne einen letzten Kern innerer Güte, Carolaths Don Juan ist der Sohn der Venus und des Ahasver. der Zwillingsbruder des Faust. In: christlichen Grusenreich lernt er die Jungfrau Diava kennen. Sie liebt ihn und will ihn zum Gatten. Aber Don Juan begehrt nur den Leib, ihr Herz verschmäht er. Er bricht den Burgfrieden und wird zum Tod verurteilt. Diava als Königin sucht ihn zu rette«, indem sie ihn als ihren künftigen Gatten auszugeben vorhat. Aber auch jetzt verachtet Don Juan die Ehe. So wird er dem Kerker überliefert. Diava folgt ihm dahin. Und erst im Schatten des Todes wird Don Juans Herz von der unend¬ lichen Liebe dieses Engels gerührt. Er verzichtet auf die Wollust des Fleisches, als er das keusche Weib in seinen Armen hält. Ein gemeinsamer Flammentod erlöst das Liebespaar. Der tiefsinnigen, erschütternden Dichtung liegt Goethes Gedanke zugrunde: „Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan". Aber Carolath hat diese Worte in einem durchaus christlichen Sinne gedeutet. Seine Diava ist keine andere als Dantes Beatrice. Bildet „Don Juans Tod" die wirksamste Antithese zur „Sphinx", indem das Weib durch beide Dichtungen in seinen elementaren Gegensätzen aufgelöst erscheint, so tritt das übernatürliche Moment in seinem Kampf mit den: irdischen Egoismus als das schließlich Sieghafte in dem dritten Teil der Trilogie vollends deutlich zutage. Judas stellt sich Christus entgegen. Als scheinbarer Anwalt der unglücklichen Kreatur wirft er ihm Furchtbares vor. Allein der Heiland schweigt. Von seinem Auge bricht ein Leidensblick, und der Verräter flieht. Kein Wort des Hasses folgt ihm. Auch jetzt noch begleitet ihn die Liebe des Herrn: „Ob gros; die Schuld, ob groß mich dus Gericht, Die Liebe wird am nllenn'ößte» bleiben." Judas in Gethsemane ist der typische Vertreter der selbstischen gefallenen Menschheit. Die Liebe, im ersten Epos rein sinnlich, im zweiten von einem Strahl der übersinnlichen erleuchtet, wird im letzten von der göttlichen Erbarmung, der größten Liebe abgelöst. Und so bildet diese gewaltige Gedankenschöpfung Carolaths ein durchaus harmonisches Gebilde. Ihre tiefen poetischen Einzel- schönheiten ergeben sich nur dem eingehenden, eindringenden nachempfinden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/579>, abgerufen am 23.07.2024.