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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Das Hirn

siebzehnten Jahrhundert fangen auch Zinnsalze, namentlich das Zinnchlorid
(dieses hauptsächlich in der Farbwarenindustrie) an, eine Rolle zu spielen und --
was von viel größerem Einflüsse auf die enorme Zunahme des Weltverbrauchs
an Zinn gewesen ist -- seit dieser Zeit kam auch das Verzinnen des Eisens
allgemein in Aufnahme, und zwar zuerst in Sachsen und Böhmen, nachdem es
schou im sechzehnten Jahrhundert durch den bekannten Gelehrten Agricolci
bekannt geworden war. Gerade für die Herstellung des verzinnten Eisenblechs,
des Weißblechs, wie es im Handel genannt wird, werden von dem weißen
Metalle erstaunlich große Mengen gebraucht. Wie sehr die Nachfrage nach
dieser Blechsorte in der neueren Zeit zugenommen hat, zeigen folgende Zahlen,
welche sich allein auf die Weißblechproduktion von Deutschland beziehen. Es
wurden fabriziert in dem Jahre:

1882 1887 1902 1906
12 000 T. 1.:; 800 T. 42 500 T. 59 200 T.

Da am Weißblech durchschnittlich 3 Prozent Zinn haften, so werden dessen
Abfälle seit dem Jahre 1848 mit großem Vorteile wieder entzinnt. Es ist das
im Hinblick auf den enorm großen Verbrauch an Zinn für die Herstellung jener
Blechsorte von nicht geringer nationalökonomischer Bedeutung. Repräsentierte
doch z. B. die Einfuhr von Straits-Zinn nach den Vereinigten Staaten von
Nordamerika im Jahre 1907 einen Wert von 160 200 000 Mark, wovon weitaus
der größte Teil zur Fabrikation von Weißblech diente. In der neueren Zeit
haben außer den schon genannten Zinnlegierungen noch einige andere eine
große Bedeutung erlangt, so neben der Siliciumbronze besonders die sogenannte
Phosphorbronze (eine Bronze mit geringem Phosphorzusatze), welche beide als
sehr gute Elektrizitätsleiter weitgehende technische Verwendung gefunden haben.
Auch der Weltkonsum an Stanniol oder Blattzinn, namentlich zur Verpackung
von Ncchrungs- und Genußmitteln, ist in unseren Tagen ein recht großer
geworden.

Wenn man nach dem hier Gesagten bedenkt, wie mannigfaltig doch die
Verwendung des Zinns für die verschiedenen Industriezweige ist, dann kommt
man sehr leicht zu der Frage: "WaZ sollte unsere moderne Industrie beginnen,
wenn sie plötzlich ohne das unscheinbare weiße Metall dastände?" Und doch
habe ich noch nicht einmal alle die Zwecke genannt, für welche heutzutage das
Zinn im Gewerbe und auch in der Kunst gebraucht wird. Vor allem wurde
noch nicht gesagt, daß dieses Metall zum Zusammcnlöten anderer Metalle einfach
unentbehrlich ist! Verschwände dieses "Allerweltsmetall", wie man wohl sagen
kann, plötzlich vom Markte, dann würde es sehr bald ein Ende haben mit den
so beliebten Zinnsoldaten auf dem Spieltische unserer Kleinen, und später auch
mit den schönen, aus Kupfer, Blei, Antimon und Zinn bestehenden Legierungen,
die unter den Namen Britanniasilber, Argentan, Christoffel usw. den Schmuck
der Tafel in so manchem Bürgerhause wesentlich erhöhen. Und was sollten all
die Konservenfabriken der Welt wohl ohne Weißblechverpackungeu beginne", bei


Das Hirn

siebzehnten Jahrhundert fangen auch Zinnsalze, namentlich das Zinnchlorid
(dieses hauptsächlich in der Farbwarenindustrie) an, eine Rolle zu spielen und —
was von viel größerem Einflüsse auf die enorme Zunahme des Weltverbrauchs
an Zinn gewesen ist — seit dieser Zeit kam auch das Verzinnen des Eisens
allgemein in Aufnahme, und zwar zuerst in Sachsen und Böhmen, nachdem es
schou im sechzehnten Jahrhundert durch den bekannten Gelehrten Agricolci
bekannt geworden war. Gerade für die Herstellung des verzinnten Eisenblechs,
des Weißblechs, wie es im Handel genannt wird, werden von dem weißen
Metalle erstaunlich große Mengen gebraucht. Wie sehr die Nachfrage nach
dieser Blechsorte in der neueren Zeit zugenommen hat, zeigen folgende Zahlen,
welche sich allein auf die Weißblechproduktion von Deutschland beziehen. Es
wurden fabriziert in dem Jahre:

1882 1887 1902 1906
12 000 T. 1.:; 800 T. 42 500 T. 59 200 T.

Da am Weißblech durchschnittlich 3 Prozent Zinn haften, so werden dessen
Abfälle seit dem Jahre 1848 mit großem Vorteile wieder entzinnt. Es ist das
im Hinblick auf den enorm großen Verbrauch an Zinn für die Herstellung jener
Blechsorte von nicht geringer nationalökonomischer Bedeutung. Repräsentierte
doch z. B. die Einfuhr von Straits-Zinn nach den Vereinigten Staaten von
Nordamerika im Jahre 1907 einen Wert von 160 200 000 Mark, wovon weitaus
der größte Teil zur Fabrikation von Weißblech diente. In der neueren Zeit
haben außer den schon genannten Zinnlegierungen noch einige andere eine
große Bedeutung erlangt, so neben der Siliciumbronze besonders die sogenannte
Phosphorbronze (eine Bronze mit geringem Phosphorzusatze), welche beide als
sehr gute Elektrizitätsleiter weitgehende technische Verwendung gefunden haben.
Auch der Weltkonsum an Stanniol oder Blattzinn, namentlich zur Verpackung
von Ncchrungs- und Genußmitteln, ist in unseren Tagen ein recht großer
geworden.

Wenn man nach dem hier Gesagten bedenkt, wie mannigfaltig doch die
Verwendung des Zinns für die verschiedenen Industriezweige ist, dann kommt
man sehr leicht zu der Frage: „WaZ sollte unsere moderne Industrie beginnen,
wenn sie plötzlich ohne das unscheinbare weiße Metall dastände?" Und doch
habe ich noch nicht einmal alle die Zwecke genannt, für welche heutzutage das
Zinn im Gewerbe und auch in der Kunst gebraucht wird. Vor allem wurde
noch nicht gesagt, daß dieses Metall zum Zusammcnlöten anderer Metalle einfach
unentbehrlich ist! Verschwände dieses „Allerweltsmetall", wie man wohl sagen
kann, plötzlich vom Markte, dann würde es sehr bald ein Ende haben mit den
so beliebten Zinnsoldaten auf dem Spieltische unserer Kleinen, und später auch
mit den schönen, aus Kupfer, Blei, Antimon und Zinn bestehenden Legierungen,
die unter den Namen Britanniasilber, Argentan, Christoffel usw. den Schmuck
der Tafel in so manchem Bürgerhause wesentlich erhöhen. Und was sollten all
die Konservenfabriken der Welt wohl ohne Weißblechverpackungeu beginne», bei


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[0532] Das Hirn siebzehnten Jahrhundert fangen auch Zinnsalze, namentlich das Zinnchlorid (dieses hauptsächlich in der Farbwarenindustrie) an, eine Rolle zu spielen und — was von viel größerem Einflüsse auf die enorme Zunahme des Weltverbrauchs an Zinn gewesen ist — seit dieser Zeit kam auch das Verzinnen des Eisens allgemein in Aufnahme, und zwar zuerst in Sachsen und Böhmen, nachdem es schou im sechzehnten Jahrhundert durch den bekannten Gelehrten Agricolci bekannt geworden war. Gerade für die Herstellung des verzinnten Eisenblechs, des Weißblechs, wie es im Handel genannt wird, werden von dem weißen Metalle erstaunlich große Mengen gebraucht. Wie sehr die Nachfrage nach dieser Blechsorte in der neueren Zeit zugenommen hat, zeigen folgende Zahlen, welche sich allein auf die Weißblechproduktion von Deutschland beziehen. Es wurden fabriziert in dem Jahre: 1882 1887 1902 1906 12 000 T. 1.:; 800 T. 42 500 T. 59 200 T. Da am Weißblech durchschnittlich 3 Prozent Zinn haften, so werden dessen Abfälle seit dem Jahre 1848 mit großem Vorteile wieder entzinnt. Es ist das im Hinblick auf den enorm großen Verbrauch an Zinn für die Herstellung jener Blechsorte von nicht geringer nationalökonomischer Bedeutung. Repräsentierte doch z. B. die Einfuhr von Straits-Zinn nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika im Jahre 1907 einen Wert von 160 200 000 Mark, wovon weitaus der größte Teil zur Fabrikation von Weißblech diente. In der neueren Zeit haben außer den schon genannten Zinnlegierungen noch einige andere eine große Bedeutung erlangt, so neben der Siliciumbronze besonders die sogenannte Phosphorbronze (eine Bronze mit geringem Phosphorzusatze), welche beide als sehr gute Elektrizitätsleiter weitgehende technische Verwendung gefunden haben. Auch der Weltkonsum an Stanniol oder Blattzinn, namentlich zur Verpackung von Ncchrungs- und Genußmitteln, ist in unseren Tagen ein recht großer geworden. Wenn man nach dem hier Gesagten bedenkt, wie mannigfaltig doch die Verwendung des Zinns für die verschiedenen Industriezweige ist, dann kommt man sehr leicht zu der Frage: „WaZ sollte unsere moderne Industrie beginnen, wenn sie plötzlich ohne das unscheinbare weiße Metall dastände?" Und doch habe ich noch nicht einmal alle die Zwecke genannt, für welche heutzutage das Zinn im Gewerbe und auch in der Kunst gebraucht wird. Vor allem wurde noch nicht gesagt, daß dieses Metall zum Zusammcnlöten anderer Metalle einfach unentbehrlich ist! Verschwände dieses „Allerweltsmetall", wie man wohl sagen kann, plötzlich vom Markte, dann würde es sehr bald ein Ende haben mit den so beliebten Zinnsoldaten auf dem Spieltische unserer Kleinen, und später auch mit den schönen, aus Kupfer, Blei, Antimon und Zinn bestehenden Legierungen, die unter den Namen Britanniasilber, Argentan, Christoffel usw. den Schmuck der Tafel in so manchem Bürgerhause wesentlich erhöhen. Und was sollten all die Konservenfabriken der Welt wohl ohne Weißblechverpackungeu beginne», bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/532>, abgerufen am 23.07.2024.