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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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An der Wiege des Zarenhauses

seiner Schwester wurde wegen Bestechlichkeit ein schneller Prozeß gemacht. Auf
freiem Platze in Se. Petersburg wurde Mons enthauptet, die Generalin Ball
erhielt fünf Hiebe mit der Knute auf den entblößten Rücken und ging dann
in die Verbannung nach Sibirien. Man wollte nicht glauben, daß Peter aus
dem angeführten Grunde Mons hinrichten ließ, man raunte von einer ehelichen
Untreue Katharinens.

Mons hatte freundschaftliche Beziehungen zu dem Herzog Karl Friedrich
von Holstein-Gottorp gepflegt. Dieser war 1721 nach Rußland gekommen und
warb um eine Tochter des Zaren. Peter begünstigte ihn, doch hielt er mit
dein Jawort hin, und der arme junge Herzog spielte am Se. Petersburger Hofe
eine ziemlich fragwürdige Rolle, wiewohl er es im Trinken mit den Russen
aufnahm. Die Krönung Katharinens führte nicht zu der erwarteten Verlobung,
und alle Welt hielt die Aussichten des Holsteiners sür gescheitert. Sonntag,
den 8. November 1724, wurde Mons verhaftet. Montag verbrachte Peter mit
der Durchsicht der Papiere des Kammerherrn. Tags darauf wurde dem Herzog
eröffnet, daß am Katharinentage seine Verlobung mit der ältern Tochter des
Zaren, Anna, feierlich verkündet werden solle. Zwei Monate später war Peter
der Große tot, und mit Hilfe des holsteinischen Rats Bassewitz und Menschikows
bestieg Katharina als Selbstherrscherin den russischen Kaiserthron.

So rollt sich der letzte Akt der Monsischen Tragödie auf und endet schrecklich.
Dazwischen erklingen heitere Melodien, die dem Herzog von Holstein und der
Zarentochter den Brautabend verkünden. Doch steigen blutige Gespenster vom
Brautlager auf, und was so fröhlich neben dem lähmenden Schrecken des
Hochgerichts den Anfang nimmt, zu welch furchtbarem Schicksal fügt es die
kommende Zeit.

Die Verstoßung der Zarin Eudoxia durch den Zaren Peter ist das tragische
Moment in dem Geschicke der Romanows. Ihm entsprang alles Unheil und
der Untergang des Geschlechts. Schon ein Zeitgenosse, General Alexander
Gordon, der damals im Dienste Peters des Großen in Rußland lebte, schreibt:
"Peter der Große war ein Fürst voller Menschenliebe, dessen allgemeine Trieb¬
feder die Ehre und das Beste seines Landes war; dergestalt, daß, wenn man
die Verstoßung der Kaiserin Eudoxia, deren Charakter niemals getadelt worden
ist, und die Vernachlässigung der Erziehung seines ältesten Sohnes ausnimmt,
welches eine Folge von dem ersten Schritte war, Peters ganzes Betragen sich
ohne große Schwierigkeit rechtfertigen läßt." Dieser -- in der Folge arme,
unglückliche -- Sohn, der Kronprinz Alexis, war ein anmutiger Knabe, der zu
deu schönsten Hoffnungen berechtigte. Die Mutter wurde ihm genommen, und
er kam für kurze Zeit unter die Obhut seiner liebenswürdigen Tante, der
Prinzessin Natalie. Aber dann folgte ein Erzieher nach dein andern, die den
Sinn des Prinzen verdarben, und die schlimmsten Demütigungen hatte er von
seinem Oberhofmeister Menschikow zu erdulden. Nach entsetzlichen Qualen starb
der unglückliche Kronprinz im Jahre 1718 ini Gefängnis. Aus seiner Ehe mit


An der Wiege des Zarenhauses

seiner Schwester wurde wegen Bestechlichkeit ein schneller Prozeß gemacht. Auf
freiem Platze in Se. Petersburg wurde Mons enthauptet, die Generalin Ball
erhielt fünf Hiebe mit der Knute auf den entblößten Rücken und ging dann
in die Verbannung nach Sibirien. Man wollte nicht glauben, daß Peter aus
dem angeführten Grunde Mons hinrichten ließ, man raunte von einer ehelichen
Untreue Katharinens.

Mons hatte freundschaftliche Beziehungen zu dem Herzog Karl Friedrich
von Holstein-Gottorp gepflegt. Dieser war 1721 nach Rußland gekommen und
warb um eine Tochter des Zaren. Peter begünstigte ihn, doch hielt er mit
dein Jawort hin, und der arme junge Herzog spielte am Se. Petersburger Hofe
eine ziemlich fragwürdige Rolle, wiewohl er es im Trinken mit den Russen
aufnahm. Die Krönung Katharinens führte nicht zu der erwarteten Verlobung,
und alle Welt hielt die Aussichten des Holsteiners sür gescheitert. Sonntag,
den 8. November 1724, wurde Mons verhaftet. Montag verbrachte Peter mit
der Durchsicht der Papiere des Kammerherrn. Tags darauf wurde dem Herzog
eröffnet, daß am Katharinentage seine Verlobung mit der ältern Tochter des
Zaren, Anna, feierlich verkündet werden solle. Zwei Monate später war Peter
der Große tot, und mit Hilfe des holsteinischen Rats Bassewitz und Menschikows
bestieg Katharina als Selbstherrscherin den russischen Kaiserthron.

So rollt sich der letzte Akt der Monsischen Tragödie auf und endet schrecklich.
Dazwischen erklingen heitere Melodien, die dem Herzog von Holstein und der
Zarentochter den Brautabend verkünden. Doch steigen blutige Gespenster vom
Brautlager auf, und was so fröhlich neben dem lähmenden Schrecken des
Hochgerichts den Anfang nimmt, zu welch furchtbarem Schicksal fügt es die
kommende Zeit.

Die Verstoßung der Zarin Eudoxia durch den Zaren Peter ist das tragische
Moment in dem Geschicke der Romanows. Ihm entsprang alles Unheil und
der Untergang des Geschlechts. Schon ein Zeitgenosse, General Alexander
Gordon, der damals im Dienste Peters des Großen in Rußland lebte, schreibt:
„Peter der Große war ein Fürst voller Menschenliebe, dessen allgemeine Trieb¬
feder die Ehre und das Beste seines Landes war; dergestalt, daß, wenn man
die Verstoßung der Kaiserin Eudoxia, deren Charakter niemals getadelt worden
ist, und die Vernachlässigung der Erziehung seines ältesten Sohnes ausnimmt,
welches eine Folge von dem ersten Schritte war, Peters ganzes Betragen sich
ohne große Schwierigkeit rechtfertigen läßt." Dieser — in der Folge arme,
unglückliche — Sohn, der Kronprinz Alexis, war ein anmutiger Knabe, der zu
deu schönsten Hoffnungen berechtigte. Die Mutter wurde ihm genommen, und
er kam für kurze Zeit unter die Obhut seiner liebenswürdigen Tante, der
Prinzessin Natalie. Aber dann folgte ein Erzieher nach dein andern, die den
Sinn des Prinzen verdarben, und die schlimmsten Demütigungen hatte er von
seinem Oberhofmeister Menschikow zu erdulden. Nach entsetzlichen Qualen starb
der unglückliche Kronprinz im Jahre 1718 ini Gefängnis. Aus seiner Ehe mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/498>, abgerufen am 23.07.2024.