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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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An der Wiege des Zarcnhanses

Fröhlichkeit zu unterschiedenen Malen mich in die Höhe huben, und auf ihren
Armen in dein Zimmer herumtrugen."

Der Zar hatte sich, trotzdem er die Untreue seiner Geliebten nicht schwer
genug bestrafen konnte, bald über ihren Verlust getröstet.

Im Jahre 1702 hatte der russische Feldmarschall Boris Schercmetjew die
schwedische Stadt Marienburg in Livland erobert und eingenommen und die
Einwohner gefangen nach Moskau abgeführt. Unter ihnen befand sich auch
der lutherische Propst Glück mit seiner Familie und Bedienung, zu der die
Livländerin Martha Skawronskij gehörte. Martha kam in Beziehungen zu den:
Hause Menschikows, Peter der Große lernte sie kennen und lieben, die Geliebte
des Zaren trat zur russischen Kirche über und erhielt in der orthodoxen Taufe
den Namen Katharina. Sie war jung und wohlgestaltet, von gesunder Vernunft
und ungemein sanfter Gemütsart, heiter, wohl aufgeräumt und zu keiner Zeit
unfreundlich, verbindlich und höflich gegen jedermann, niemals vergaß sie ihren
ehemaligen Stand und war dabei im höchsten Grade dankbar. Ihrem Gemahl.
Peter dem Großen, schenkte sie viele Kinder, von denen sie aber nur zwei
Töchter, Anna und Elisabeth, überlebten.

Im März 1711 wurde "Jhro Zarischen Majestät vormalige Maitresse zur
regierenden Zarin öffentlich deklariert". Durch diese Erhebung Katharinens
wurde Peter zur Nachgiebigkeit gegen Anna Mons gestimmt. Sie durfte sich
nun endlich, im Juni 1711, mit Kayserling verheiraten. Diesem war jedoch
Moskau verleidet. Er klagt seinem König über die Bestechlichkeit "der bei
dem Zaren geltenden Kreaturen" und bittet um seine Abberufung. Auf dem
Wege von Königsberg nach Berlin starb er in Stolp im Dezember 1711. Die
Witwe lernte einen kriegsgefangenen schwedischen Hauptmann kennen und ver¬
lobte sich mit ihm. Doch starb die schwer leidende Geheimrätin von Kayserling
noch vor ihrer Wiederverheiratung in Moskau im August 1714.

Wie sonderbar führt das Leben! Anna Mons wahrte dem Großen Zaren
die Treue nicht, so daß er sich ein anderes Mädchen, Katharina, zur Geliebten
erwählte und dann sie, die Mutter seiner Kinder, zur Kaiserin erhob. Nun
wendet jedoch Katharina ihre Gunst dem jungen Bruder der ungetreuen Vor¬
gängerin in der Liebe des Zaren zu, und die Neigung der Kaiserin verführt
den lebensfroher Mann zu unlauteren Tun, das ihn aufs Hochgericht in
schmachvollen Tod bringt.

Anna Mons hatte einen jüngern Bruder, Willim (Wilhelm) Mons, der
bei Hofe zu hohen Ehren kam und sich den vornehmen viamischen Namen
Mons de la Croix beilegte. Er wurde Vertrauter und Kammerherr Katharinens.
Die ältere Schwester des Kammerherrn, verheiratet mit dem General Ball,
nahm bei ihr die Stellung der Staatsdame und Hofmeisterin ein. Bald nach
der Krönung Katharinens zur Kaiserin in Moskau im Mai 1724 wurde Mons
beim Zaren denunziert, doch blieb es zuerst unbeachtet. Plötzlich, an einem
Sonntag im November in der Nacht, wurde Mons verhaftet und ihm wie


An der Wiege des Zarcnhanses

Fröhlichkeit zu unterschiedenen Malen mich in die Höhe huben, und auf ihren
Armen in dein Zimmer herumtrugen."

Der Zar hatte sich, trotzdem er die Untreue seiner Geliebten nicht schwer
genug bestrafen konnte, bald über ihren Verlust getröstet.

Im Jahre 1702 hatte der russische Feldmarschall Boris Schercmetjew die
schwedische Stadt Marienburg in Livland erobert und eingenommen und die
Einwohner gefangen nach Moskau abgeführt. Unter ihnen befand sich auch
der lutherische Propst Glück mit seiner Familie und Bedienung, zu der die
Livländerin Martha Skawronskij gehörte. Martha kam in Beziehungen zu den:
Hause Menschikows, Peter der Große lernte sie kennen und lieben, die Geliebte
des Zaren trat zur russischen Kirche über und erhielt in der orthodoxen Taufe
den Namen Katharina. Sie war jung und wohlgestaltet, von gesunder Vernunft
und ungemein sanfter Gemütsart, heiter, wohl aufgeräumt und zu keiner Zeit
unfreundlich, verbindlich und höflich gegen jedermann, niemals vergaß sie ihren
ehemaligen Stand und war dabei im höchsten Grade dankbar. Ihrem Gemahl.
Peter dem Großen, schenkte sie viele Kinder, von denen sie aber nur zwei
Töchter, Anna und Elisabeth, überlebten.

Im März 1711 wurde „Jhro Zarischen Majestät vormalige Maitresse zur
regierenden Zarin öffentlich deklariert". Durch diese Erhebung Katharinens
wurde Peter zur Nachgiebigkeit gegen Anna Mons gestimmt. Sie durfte sich
nun endlich, im Juni 1711, mit Kayserling verheiraten. Diesem war jedoch
Moskau verleidet. Er klagt seinem König über die Bestechlichkeit „der bei
dem Zaren geltenden Kreaturen" und bittet um seine Abberufung. Auf dem
Wege von Königsberg nach Berlin starb er in Stolp im Dezember 1711. Die
Witwe lernte einen kriegsgefangenen schwedischen Hauptmann kennen und ver¬
lobte sich mit ihm. Doch starb die schwer leidende Geheimrätin von Kayserling
noch vor ihrer Wiederverheiratung in Moskau im August 1714.

Wie sonderbar führt das Leben! Anna Mons wahrte dem Großen Zaren
die Treue nicht, so daß er sich ein anderes Mädchen, Katharina, zur Geliebten
erwählte und dann sie, die Mutter seiner Kinder, zur Kaiserin erhob. Nun
wendet jedoch Katharina ihre Gunst dem jungen Bruder der ungetreuen Vor¬
gängerin in der Liebe des Zaren zu, und die Neigung der Kaiserin verführt
den lebensfroher Mann zu unlauteren Tun, das ihn aufs Hochgericht in
schmachvollen Tod bringt.

Anna Mons hatte einen jüngern Bruder, Willim (Wilhelm) Mons, der
bei Hofe zu hohen Ehren kam und sich den vornehmen viamischen Namen
Mons de la Croix beilegte. Er wurde Vertrauter und Kammerherr Katharinens.
Die ältere Schwester des Kammerherrn, verheiratet mit dem General Ball,
nahm bei ihr die Stellung der Staatsdame und Hofmeisterin ein. Bald nach
der Krönung Katharinens zur Kaiserin in Moskau im Mai 1724 wurde Mons
beim Zaren denunziert, doch blieb es zuerst unbeachtet. Plötzlich, an einem
Sonntag im November in der Nacht, wurde Mons verhaftet und ihm wie


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[0497] An der Wiege des Zarcnhanses Fröhlichkeit zu unterschiedenen Malen mich in die Höhe huben, und auf ihren Armen in dein Zimmer herumtrugen." Der Zar hatte sich, trotzdem er die Untreue seiner Geliebten nicht schwer genug bestrafen konnte, bald über ihren Verlust getröstet. Im Jahre 1702 hatte der russische Feldmarschall Boris Schercmetjew die schwedische Stadt Marienburg in Livland erobert und eingenommen und die Einwohner gefangen nach Moskau abgeführt. Unter ihnen befand sich auch der lutherische Propst Glück mit seiner Familie und Bedienung, zu der die Livländerin Martha Skawronskij gehörte. Martha kam in Beziehungen zu den: Hause Menschikows, Peter der Große lernte sie kennen und lieben, die Geliebte des Zaren trat zur russischen Kirche über und erhielt in der orthodoxen Taufe den Namen Katharina. Sie war jung und wohlgestaltet, von gesunder Vernunft und ungemein sanfter Gemütsart, heiter, wohl aufgeräumt und zu keiner Zeit unfreundlich, verbindlich und höflich gegen jedermann, niemals vergaß sie ihren ehemaligen Stand und war dabei im höchsten Grade dankbar. Ihrem Gemahl. Peter dem Großen, schenkte sie viele Kinder, von denen sie aber nur zwei Töchter, Anna und Elisabeth, überlebten. Im März 1711 wurde „Jhro Zarischen Majestät vormalige Maitresse zur regierenden Zarin öffentlich deklariert". Durch diese Erhebung Katharinens wurde Peter zur Nachgiebigkeit gegen Anna Mons gestimmt. Sie durfte sich nun endlich, im Juni 1711, mit Kayserling verheiraten. Diesem war jedoch Moskau verleidet. Er klagt seinem König über die Bestechlichkeit „der bei dem Zaren geltenden Kreaturen" und bittet um seine Abberufung. Auf dem Wege von Königsberg nach Berlin starb er in Stolp im Dezember 1711. Die Witwe lernte einen kriegsgefangenen schwedischen Hauptmann kennen und ver¬ lobte sich mit ihm. Doch starb die schwer leidende Geheimrätin von Kayserling noch vor ihrer Wiederverheiratung in Moskau im August 1714. Wie sonderbar führt das Leben! Anna Mons wahrte dem Großen Zaren die Treue nicht, so daß er sich ein anderes Mädchen, Katharina, zur Geliebten erwählte und dann sie, die Mutter seiner Kinder, zur Kaiserin erhob. Nun wendet jedoch Katharina ihre Gunst dem jungen Bruder der ungetreuen Vor¬ gängerin in der Liebe des Zaren zu, und die Neigung der Kaiserin verführt den lebensfroher Mann zu unlauteren Tun, das ihn aufs Hochgericht in schmachvollen Tod bringt. Anna Mons hatte einen jüngern Bruder, Willim (Wilhelm) Mons, der bei Hofe zu hohen Ehren kam und sich den vornehmen viamischen Namen Mons de la Croix beilegte. Er wurde Vertrauter und Kammerherr Katharinens. Die ältere Schwester des Kammerherrn, verheiratet mit dem General Ball, nahm bei ihr die Stellung der Staatsdame und Hofmeisterin ein. Bald nach der Krönung Katharinens zur Kaiserin in Moskau im Mai 1724 wurde Mons beim Zaren denunziert, doch blieb es zuerst unbeachtet. Plötzlich, an einem Sonntag im November in der Nacht, wurde Mons verhaftet und ihm wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/497>, abgerufen am 23.07.2024.