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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Luftschiff und Flugmaschine im Kriege

des Feindes machen jedoch die Reise im Sattel immer noch sicherer als die in
der Gondel. Die Wettergelehrten behaupten sogar, daß im nördlichen und
mittlern Europa die Luftschiffahrt überhaupt nur an achtzig bis hundert Tagen
des Jahres möglich sei.

Die Meldungen der Kavallerie werden daher unter Zuhilfenahme von
Telegraphie und Telephon den Führer auch in der Zukunft wahrscheinlich
zuverlässiger und andauernder unterrichten als der Luftschiffer. Das zeigte sich
schon im deutschen Kaisermanöver 1909, wo das Luftschiff ^ II durch Nebel,
leichtere Beschädigungen und Gasverlust zeitweise ausfiel. Immerhin bedeutet
dieses Manöver nur eine erste Probe für die Militär-Luftschiffahrt, die für die
Zukunft noch ungleich bessere Resultate erwarten läßt, im großen und ganzen
aber doch nur, wenn auch eine sehr wertvolle Ergänzung der kavalleristischen
Erkundungstätigkeit bleiben wird.

Im Festungskriege sind Angreifer wie Verteidiger in der Verwendung ihrer
Kavallerie beschränkt. Der Fesselballon kann bei der heutigen Ausdehnung
einer großen Festung, besonders bei unübersichtlichen Vorgelände -- in Ant¬
werpen z. B. finden wir solche Verhältnisse -- der Anforderung allsreichender
Erkundung nur in beschränktem Maße genügen. Neben ihm tritt daher das
Flugzeug auf und es findet durch reichliche Betriebsmittel bei kurzem Aktions¬
radius gerade im Festuugskriege günstige Lebensbedingungen. Außer Aufgaben
der Erkundung fällt ihm in einer Festung auch die zu. den Personenverkehr
mit dem Lande und umgekehrt aufrecht zu erhalten.

Im Seekriege erscheint der Gebrauch von Flugzeugen auf offenem Meere
vorderhand ausgeschlossen. Ihre Flugweite ist noch zu kurz und ihre Flugkraft
den dort herrschenden Windverhältnissen noch nicht gewachsen.

Im Küstenkriege jedoch nähern sich die Verhältnisse denen des Festungs¬
krieges. Flugzeuge werden hier für Flotte und Seefeste gleich wertvoll sein.
Sichere Meldungen über Art und Zahl der feindlichen Schiffe, besonders der
Unterseebote, über Lage und Beschaffenheit der Seculum und Sperren, Finger¬
zeige für eine wirksame Feuerleitung sind in einem Küstenkriege von unbezahl¬
barem Werte. Sie würden bei Port Arthur ohne Zweifel zu einer ungleich
schnellern Entscheidung geführt haben.

Werden sich nun zu diesen Aufgaben für die Flugzeuge auch solche gesellen,
welche mehr offensiver Natur sind und die direkte Vernichtung des Gegners im
Auge haben?

Der Gedanke, Explosivkörper aus der Luft auf den Feind zu schleudern,
ist nicht neu. Schon 1849 sandten die Österreicher auf das belagerte Venedig
aus unbenannten Drachen Bomben herab, die aber teils ihr Ziel verfehlten,
teils auf den Absender zurücktrieben und ihn zur Einstellung der für ihn selbst
gefährlichen Versuche veranlaßten. Aber auch heute noch erscheint der Bomben¬
wurf selbst aus dem bemannten Flugzeuge sehr problematisch. Will man
Truppen, Befestigungen usw. vernichten, so müßte es aus bedeutender Höhe


Luftschiff und Flugmaschine im Kriege

des Feindes machen jedoch die Reise im Sattel immer noch sicherer als die in
der Gondel. Die Wettergelehrten behaupten sogar, daß im nördlichen und
mittlern Europa die Luftschiffahrt überhaupt nur an achtzig bis hundert Tagen
des Jahres möglich sei.

Die Meldungen der Kavallerie werden daher unter Zuhilfenahme von
Telegraphie und Telephon den Führer auch in der Zukunft wahrscheinlich
zuverlässiger und andauernder unterrichten als der Luftschiffer. Das zeigte sich
schon im deutschen Kaisermanöver 1909, wo das Luftschiff ^ II durch Nebel,
leichtere Beschädigungen und Gasverlust zeitweise ausfiel. Immerhin bedeutet
dieses Manöver nur eine erste Probe für die Militär-Luftschiffahrt, die für die
Zukunft noch ungleich bessere Resultate erwarten läßt, im großen und ganzen
aber doch nur, wenn auch eine sehr wertvolle Ergänzung der kavalleristischen
Erkundungstätigkeit bleiben wird.

Im Festungskriege sind Angreifer wie Verteidiger in der Verwendung ihrer
Kavallerie beschränkt. Der Fesselballon kann bei der heutigen Ausdehnung
einer großen Festung, besonders bei unübersichtlichen Vorgelände — in Ant¬
werpen z. B. finden wir solche Verhältnisse — der Anforderung allsreichender
Erkundung nur in beschränktem Maße genügen. Neben ihm tritt daher das
Flugzeug auf und es findet durch reichliche Betriebsmittel bei kurzem Aktions¬
radius gerade im Festuugskriege günstige Lebensbedingungen. Außer Aufgaben
der Erkundung fällt ihm in einer Festung auch die zu. den Personenverkehr
mit dem Lande und umgekehrt aufrecht zu erhalten.

Im Seekriege erscheint der Gebrauch von Flugzeugen auf offenem Meere
vorderhand ausgeschlossen. Ihre Flugweite ist noch zu kurz und ihre Flugkraft
den dort herrschenden Windverhältnissen noch nicht gewachsen.

Im Küstenkriege jedoch nähern sich die Verhältnisse denen des Festungs¬
krieges. Flugzeuge werden hier für Flotte und Seefeste gleich wertvoll sein.
Sichere Meldungen über Art und Zahl der feindlichen Schiffe, besonders der
Unterseebote, über Lage und Beschaffenheit der Seculum und Sperren, Finger¬
zeige für eine wirksame Feuerleitung sind in einem Küstenkriege von unbezahl¬
barem Werte. Sie würden bei Port Arthur ohne Zweifel zu einer ungleich
schnellern Entscheidung geführt haben.

Werden sich nun zu diesen Aufgaben für die Flugzeuge auch solche gesellen,
welche mehr offensiver Natur sind und die direkte Vernichtung des Gegners im
Auge haben?

Der Gedanke, Explosivkörper aus der Luft auf den Feind zu schleudern,
ist nicht neu. Schon 1849 sandten die Österreicher auf das belagerte Venedig
aus unbenannten Drachen Bomben herab, die aber teils ihr Ziel verfehlten,
teils auf den Absender zurücktrieben und ihn zur Einstellung der für ihn selbst
gefährlichen Versuche veranlaßten. Aber auch heute noch erscheint der Bomben¬
wurf selbst aus dem bemannten Flugzeuge sehr problematisch. Will man
Truppen, Befestigungen usw. vernichten, so müßte es aus bedeutender Höhe


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[0487] Luftschiff und Flugmaschine im Kriege des Feindes machen jedoch die Reise im Sattel immer noch sicherer als die in der Gondel. Die Wettergelehrten behaupten sogar, daß im nördlichen und mittlern Europa die Luftschiffahrt überhaupt nur an achtzig bis hundert Tagen des Jahres möglich sei. Die Meldungen der Kavallerie werden daher unter Zuhilfenahme von Telegraphie und Telephon den Führer auch in der Zukunft wahrscheinlich zuverlässiger und andauernder unterrichten als der Luftschiffer. Das zeigte sich schon im deutschen Kaisermanöver 1909, wo das Luftschiff ^ II durch Nebel, leichtere Beschädigungen und Gasverlust zeitweise ausfiel. Immerhin bedeutet dieses Manöver nur eine erste Probe für die Militär-Luftschiffahrt, die für die Zukunft noch ungleich bessere Resultate erwarten läßt, im großen und ganzen aber doch nur, wenn auch eine sehr wertvolle Ergänzung der kavalleristischen Erkundungstätigkeit bleiben wird. Im Festungskriege sind Angreifer wie Verteidiger in der Verwendung ihrer Kavallerie beschränkt. Der Fesselballon kann bei der heutigen Ausdehnung einer großen Festung, besonders bei unübersichtlichen Vorgelände — in Ant¬ werpen z. B. finden wir solche Verhältnisse — der Anforderung allsreichender Erkundung nur in beschränktem Maße genügen. Neben ihm tritt daher das Flugzeug auf und es findet durch reichliche Betriebsmittel bei kurzem Aktions¬ radius gerade im Festuugskriege günstige Lebensbedingungen. Außer Aufgaben der Erkundung fällt ihm in einer Festung auch die zu. den Personenverkehr mit dem Lande und umgekehrt aufrecht zu erhalten. Im Seekriege erscheint der Gebrauch von Flugzeugen auf offenem Meere vorderhand ausgeschlossen. Ihre Flugweite ist noch zu kurz und ihre Flugkraft den dort herrschenden Windverhältnissen noch nicht gewachsen. Im Küstenkriege jedoch nähern sich die Verhältnisse denen des Festungs¬ krieges. Flugzeuge werden hier für Flotte und Seefeste gleich wertvoll sein. Sichere Meldungen über Art und Zahl der feindlichen Schiffe, besonders der Unterseebote, über Lage und Beschaffenheit der Seculum und Sperren, Finger¬ zeige für eine wirksame Feuerleitung sind in einem Küstenkriege von unbezahl¬ barem Werte. Sie würden bei Port Arthur ohne Zweifel zu einer ungleich schnellern Entscheidung geführt haben. Werden sich nun zu diesen Aufgaben für die Flugzeuge auch solche gesellen, welche mehr offensiver Natur sind und die direkte Vernichtung des Gegners im Auge haben? Der Gedanke, Explosivkörper aus der Luft auf den Feind zu schleudern, ist nicht neu. Schon 1849 sandten die Österreicher auf das belagerte Venedig aus unbenannten Drachen Bomben herab, die aber teils ihr Ziel verfehlten, teils auf den Absender zurücktrieben und ihn zur Einstellung der für ihn selbst gefährlichen Versuche veranlaßten. Aber auch heute noch erscheint der Bomben¬ wurf selbst aus dem bemannten Flugzeuge sehr problematisch. Will man Truppen, Befestigungen usw. vernichten, so müßte es aus bedeutender Höhe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/487>, abgerufen am 25.08.2024.