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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Mitten hinein in die beginnende Sachlichkeit platzte am Freitag einer Bombe
gleich die Ansprache, die der Kaiser als König von Preußen am Donnerstag abend
gelegentlich der Galatafel für die Provinz Ostpreußen zu Königsberg gehalten hat.
Diese Rede vom 26. August 1910 hat für die Entwicklung der nächsten Monate
eine solche einschneidende Bedeutung und wird deshalb so viel zitiert, kommentiert,
erklärt und verdreht werden, daß wir sie hier nach der Wiedergabe des Reichs¬
anzeigers (Ur. 200 vom 26. August) wörtlich anführen wollen. Der Kaiser sagte:

Es liegt Mir am Herzen, den Herren der Provinz der Freude Ihrer Majestät
und Meiner Ausdruck zu geben, das; Wir wiederum in den Grenzen dieses schönen Landes
Uns befinden und daß Wir von feiten der Bürgerschaft Unserer treuen Königstadt und
der Provinz in so begeisterter Weise empfangen worden sind. Die Stimmung, die in
diesen Tagen in Königsberg zum Ausdruck kommt, ist der Beweis dafür, daß ganz
besonders innige Bande Stadt und Probmz mit Unserem Hause verbinden. Und in der
Tat, wenn man zurückblickt auf die Geschichte des Landes und des Hauses, so ergibt
sich daraus, daß große und bedeutende Abschnitte beiden gemeinsam sind. Hier war es,
wo der Große Kurfürst aus eigenem Recht zum souveränen Herzog in Preußen sich
machte, hier setzte sich sein Sohn die Königskrone aufs Hnupt, und vns souveräne Haus
Brandenburg trat damit in die Reihe der europäischen Mächte ein. Friedrich Wilhelm
der Erste stabilisierte hier seine Autorität "wie einen roelier cle dron^o", unter Friedrich
den: Großen hat die Provinz Freude und Leid seiner Regierung geteilt, dann kam die
schwere Zeit der Prüfung. Der große Soldatenkaiser der Franzosen residierte hier im
Schloß und ließ, nachdem Preußens Macht zusammengebrochen war, seine erbarmungs¬
lose Hand Stadt und Land fühlen. Hier wurde aber auch der Gedanke der Erhebung
und der Befreiung des Vaterlandes am ersten zur Tat. Auf Tauroggen folgte der
begeisterte Beschluß des preußischen Provinziallandtages, als der alte eiserne Uorck die
Herren mit flcunmernder Rede begeisterte, das Werk der Befreiung zu beginnen. Und
hier setzte sich Mein Großvater wiederum aus eigenem Recht die preußische Königskrone
muss Haupt, noch einmal bestimmt hervorhebend, daß sie von Gottes Gnaden allein ihm
verliehen sei und nicht von Parlamenten, Volksversammlungen und Vvllsbcschlüssen, und
daß er sich so als ausgewähltes Instrument des Himmels ansehe und als solches seine
Regenten- und Herrscherpflichten versehe. Und mit dieser Krone geschmückt, zog er vor
vierzig Jahren ins Feld, um zu ihr noch die .Kaiserkrone zu erringen. Fürwahr, was
für ein Weg bis zu dein berühmten Telegramm des Kaisers an Meine selige Gro߬
mutter: "Welche Wendung durch Gottes Fügung!" Dieses Bild würde jedoch unvoll¬
kommen sein, wenn Ich nicht einer Figur gedächte, die besonders in diesem Jahre das
Preußische, und ich kann wohl sagen, das deutsche Volk beschäftigt und von neuem gepackt
hat. Es ist die Zeit unseres Zusammenbruches und unserer Erhebung gar nicht denkbar
ohne die Gestalt der Königin Luise! Auch die Stadt Königsberg und die Provinz Ost-
Preußen hat diesen Engel in Menschengestalt unter sich wandeln gesehen, ist von ihr
beeinflußt worden und hat auch mit ihr so schweres Leid getragen. Die hohe Königin
ist von vielen Seiten eingehend geschildert worden, und unser Volk hat sich in dankbarer
Erinnerung mit ihr beschäftigt. Aber Ich meine, das eine kann nicht genug hervor¬
gehoben werden, daß in dem allgemeinen Zusammenbruch des Vaterlandes, wo selbst
Staatsmänner und Heerführer alles für verloren gaben, die Königin die einzige gewesen
ist, die nie einen Augenblick um der Zukunft des Vaterlandes gezweifelt hat. Sie hat
durch ihr Beispiel, durch ihre Briefe, durch ihr Zureden und durch die Erziehung ihrer
Kinder dem Volk den Weg gewiesen, ans dem eS sich wiederfinden konnte. Sie hat die
Umkehr zur Religion und damit die Umkehr zur Selbsterkenntnis und zum Selbst¬
vertrauen gewiesen. Sie hat unser Volk angefeuert zu dem Gedanken, sich wieder um
den König zu scharen und die Freiheit zurückzugewinnen. Und als sie -- eine hohe
Märtyrerin -- verblichen war, und die Begeisterung im Lande aufflammte, und alt
und jung zu den Waffen griff, um die Unterdrücker aus dein Lande zu treiben, da ist
sie im Geiste vor den Fahnen hergeschritten und hat den Mut der Krieger belebt, daß
das große Werk vollbracht werden konnte. Was lehrt uns die hohe Figur der Königin
Luise? Sie lehrt uns, daß, wie sie einst ihre Söhne vor allen Dingen mit dein einen


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Mitten hinein in die beginnende Sachlichkeit platzte am Freitag einer Bombe
gleich die Ansprache, die der Kaiser als König von Preußen am Donnerstag abend
gelegentlich der Galatafel für die Provinz Ostpreußen zu Königsberg gehalten hat.
Diese Rede vom 26. August 1910 hat für die Entwicklung der nächsten Monate
eine solche einschneidende Bedeutung und wird deshalb so viel zitiert, kommentiert,
erklärt und verdreht werden, daß wir sie hier nach der Wiedergabe des Reichs¬
anzeigers (Ur. 200 vom 26. August) wörtlich anführen wollen. Der Kaiser sagte:

Es liegt Mir am Herzen, den Herren der Provinz der Freude Ihrer Majestät
und Meiner Ausdruck zu geben, das; Wir wiederum in den Grenzen dieses schönen Landes
Uns befinden und daß Wir von feiten der Bürgerschaft Unserer treuen Königstadt und
der Provinz in so begeisterter Weise empfangen worden sind. Die Stimmung, die in
diesen Tagen in Königsberg zum Ausdruck kommt, ist der Beweis dafür, daß ganz
besonders innige Bande Stadt und Probmz mit Unserem Hause verbinden. Und in der
Tat, wenn man zurückblickt auf die Geschichte des Landes und des Hauses, so ergibt
sich daraus, daß große und bedeutende Abschnitte beiden gemeinsam sind. Hier war es,
wo der Große Kurfürst aus eigenem Recht zum souveränen Herzog in Preußen sich
machte, hier setzte sich sein Sohn die Königskrone aufs Hnupt, und vns souveräne Haus
Brandenburg trat damit in die Reihe der europäischen Mächte ein. Friedrich Wilhelm
der Erste stabilisierte hier seine Autorität „wie einen roelier cle dron^o", unter Friedrich
den: Großen hat die Provinz Freude und Leid seiner Regierung geteilt, dann kam die
schwere Zeit der Prüfung. Der große Soldatenkaiser der Franzosen residierte hier im
Schloß und ließ, nachdem Preußens Macht zusammengebrochen war, seine erbarmungs¬
lose Hand Stadt und Land fühlen. Hier wurde aber auch der Gedanke der Erhebung
und der Befreiung des Vaterlandes am ersten zur Tat. Auf Tauroggen folgte der
begeisterte Beschluß des preußischen Provinziallandtages, als der alte eiserne Uorck die
Herren mit flcunmernder Rede begeisterte, das Werk der Befreiung zu beginnen. Und
hier setzte sich Mein Großvater wiederum aus eigenem Recht die preußische Königskrone
muss Haupt, noch einmal bestimmt hervorhebend, daß sie von Gottes Gnaden allein ihm
verliehen sei und nicht von Parlamenten, Volksversammlungen und Vvllsbcschlüssen, und
daß er sich so als ausgewähltes Instrument des Himmels ansehe und als solches seine
Regenten- und Herrscherpflichten versehe. Und mit dieser Krone geschmückt, zog er vor
vierzig Jahren ins Feld, um zu ihr noch die .Kaiserkrone zu erringen. Fürwahr, was
für ein Weg bis zu dein berühmten Telegramm des Kaisers an Meine selige Gro߬
mutter: „Welche Wendung durch Gottes Fügung!" Dieses Bild würde jedoch unvoll¬
kommen sein, wenn Ich nicht einer Figur gedächte, die besonders in diesem Jahre das
Preußische, und ich kann wohl sagen, das deutsche Volk beschäftigt und von neuem gepackt
hat. Es ist die Zeit unseres Zusammenbruches und unserer Erhebung gar nicht denkbar
ohne die Gestalt der Königin Luise! Auch die Stadt Königsberg und die Provinz Ost-
Preußen hat diesen Engel in Menschengestalt unter sich wandeln gesehen, ist von ihr
beeinflußt worden und hat auch mit ihr so schweres Leid getragen. Die hohe Königin
ist von vielen Seiten eingehend geschildert worden, und unser Volk hat sich in dankbarer
Erinnerung mit ihr beschäftigt. Aber Ich meine, das eine kann nicht genug hervor¬
gehoben werden, daß in dem allgemeinen Zusammenbruch des Vaterlandes, wo selbst
Staatsmänner und Heerführer alles für verloren gaben, die Königin die einzige gewesen
ist, die nie einen Augenblick um der Zukunft des Vaterlandes gezweifelt hat. Sie hat
durch ihr Beispiel, durch ihre Briefe, durch ihr Zureden und durch die Erziehung ihrer
Kinder dem Volk den Weg gewiesen, ans dem eS sich wiederfinden konnte. Sie hat die
Umkehr zur Religion und damit die Umkehr zur Selbsterkenntnis und zum Selbst¬
vertrauen gewiesen. Sie hat unser Volk angefeuert zu dem Gedanken, sich wieder um
den König zu scharen und die Freiheit zurückzugewinnen. Und als sie — eine hohe
Märtyrerin — verblichen war, und die Begeisterung im Lande aufflammte, und alt
und jung zu den Waffen griff, um die Unterdrücker aus dein Lande zu treiben, da ist
sie im Geiste vor den Fahnen hergeschritten und hat den Mut der Krieger belebt, daß
das große Werk vollbracht werden konnte. Was lehrt uns die hohe Figur der Königin
Luise? Sie lehrt uns, daß, wie sie einst ihre Söhne vor allen Dingen mit dein einen


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[0460] Maßgebliches und Unmaßgebliches Mitten hinein in die beginnende Sachlichkeit platzte am Freitag einer Bombe gleich die Ansprache, die der Kaiser als König von Preußen am Donnerstag abend gelegentlich der Galatafel für die Provinz Ostpreußen zu Königsberg gehalten hat. Diese Rede vom 26. August 1910 hat für die Entwicklung der nächsten Monate eine solche einschneidende Bedeutung und wird deshalb so viel zitiert, kommentiert, erklärt und verdreht werden, daß wir sie hier nach der Wiedergabe des Reichs¬ anzeigers (Ur. 200 vom 26. August) wörtlich anführen wollen. Der Kaiser sagte: Es liegt Mir am Herzen, den Herren der Provinz der Freude Ihrer Majestät und Meiner Ausdruck zu geben, das; Wir wiederum in den Grenzen dieses schönen Landes Uns befinden und daß Wir von feiten der Bürgerschaft Unserer treuen Königstadt und der Provinz in so begeisterter Weise empfangen worden sind. Die Stimmung, die in diesen Tagen in Königsberg zum Ausdruck kommt, ist der Beweis dafür, daß ganz besonders innige Bande Stadt und Probmz mit Unserem Hause verbinden. Und in der Tat, wenn man zurückblickt auf die Geschichte des Landes und des Hauses, so ergibt sich daraus, daß große und bedeutende Abschnitte beiden gemeinsam sind. Hier war es, wo der Große Kurfürst aus eigenem Recht zum souveränen Herzog in Preußen sich machte, hier setzte sich sein Sohn die Königskrone aufs Hnupt, und vns souveräne Haus Brandenburg trat damit in die Reihe der europäischen Mächte ein. Friedrich Wilhelm der Erste stabilisierte hier seine Autorität „wie einen roelier cle dron^o", unter Friedrich den: Großen hat die Provinz Freude und Leid seiner Regierung geteilt, dann kam die schwere Zeit der Prüfung. Der große Soldatenkaiser der Franzosen residierte hier im Schloß und ließ, nachdem Preußens Macht zusammengebrochen war, seine erbarmungs¬ lose Hand Stadt und Land fühlen. Hier wurde aber auch der Gedanke der Erhebung und der Befreiung des Vaterlandes am ersten zur Tat. Auf Tauroggen folgte der begeisterte Beschluß des preußischen Provinziallandtages, als der alte eiserne Uorck die Herren mit flcunmernder Rede begeisterte, das Werk der Befreiung zu beginnen. Und hier setzte sich Mein Großvater wiederum aus eigenem Recht die preußische Königskrone muss Haupt, noch einmal bestimmt hervorhebend, daß sie von Gottes Gnaden allein ihm verliehen sei und nicht von Parlamenten, Volksversammlungen und Vvllsbcschlüssen, und daß er sich so als ausgewähltes Instrument des Himmels ansehe und als solches seine Regenten- und Herrscherpflichten versehe. Und mit dieser Krone geschmückt, zog er vor vierzig Jahren ins Feld, um zu ihr noch die .Kaiserkrone zu erringen. Fürwahr, was für ein Weg bis zu dein berühmten Telegramm des Kaisers an Meine selige Gro߬ mutter: „Welche Wendung durch Gottes Fügung!" Dieses Bild würde jedoch unvoll¬ kommen sein, wenn Ich nicht einer Figur gedächte, die besonders in diesem Jahre das Preußische, und ich kann wohl sagen, das deutsche Volk beschäftigt und von neuem gepackt hat. Es ist die Zeit unseres Zusammenbruches und unserer Erhebung gar nicht denkbar ohne die Gestalt der Königin Luise! Auch die Stadt Königsberg und die Provinz Ost- Preußen hat diesen Engel in Menschengestalt unter sich wandeln gesehen, ist von ihr beeinflußt worden und hat auch mit ihr so schweres Leid getragen. Die hohe Königin ist von vielen Seiten eingehend geschildert worden, und unser Volk hat sich in dankbarer Erinnerung mit ihr beschäftigt. Aber Ich meine, das eine kann nicht genug hervor¬ gehoben werden, daß in dem allgemeinen Zusammenbruch des Vaterlandes, wo selbst Staatsmänner und Heerführer alles für verloren gaben, die Königin die einzige gewesen ist, die nie einen Augenblick um der Zukunft des Vaterlandes gezweifelt hat. Sie hat durch ihr Beispiel, durch ihre Briefe, durch ihr Zureden und durch die Erziehung ihrer Kinder dem Volk den Weg gewiesen, ans dem eS sich wiederfinden konnte. Sie hat die Umkehr zur Religion und damit die Umkehr zur Selbsterkenntnis und zum Selbst¬ vertrauen gewiesen. Sie hat unser Volk angefeuert zu dem Gedanken, sich wieder um den König zu scharen und die Freiheit zurückzugewinnen. Und als sie — eine hohe Märtyrerin — verblichen war, und die Begeisterung im Lande aufflammte, und alt und jung zu den Waffen griff, um die Unterdrücker aus dein Lande zu treiben, da ist sie im Geiste vor den Fahnen hergeschritten und hat den Mut der Krieger belebt, daß das große Werk vollbracht werden konnte. Was lehrt uns die hohe Figur der Königin Luise? Sie lehrt uns, daß, wie sie einst ihre Söhne vor allen Dingen mit dein einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/460>, abgerufen am 23.07.2024.